- Fuhrpark - zani, 21.02.2004, 10:35
Fuhrpark
-->ftd.de, Fr, 20.2.2004, 16:00
Märklins Kessel steht unter Dampf
Von Bettina Wassener
Wenn eine Modelleisenbahn über Metallschienen rattert, erwacht das Kind im Mann. Für das Göppinger Unternehmen Märklin bedeutet der männliche Spieltrieb eine 145-jährige Erfolgsgeschichte.
Inmitten des geschäftigen Treibens der 55. Spielwarenmesse in Nürnberg lehnt sich Paul Adams entspannt in den Sessel zurück und versucht eine Antwort."Stellen Sie sich vor, Sie stehen auf dem Bahnsteig und es fährt eine Dampflok ein. Diese Kraft, das Stampfen, die Erschütterungen - das ist einfach faszinierend", schwärmt Adams."So eine Maschine zu Hause zu haben, wenn auch nur im Miniaturformat, ist für viele Menschen ein Traum, den sie sich erfüllen." Und dann gebe es noch diese Freude daran, sich seine eigene kleine Welt zu erschaffen und zu gestalten, fährt er fort. Eine Welt, in der sie steuern und nicht gesteuert werden."Deswegen lieben so viele Menschen die Modelleisenbahn."
Als Vorsitzender der Geschäftsführung bei Märklin weiß Adams, wovon er spricht. Bevor er bei Märklin das Steuer übernahm, hielt sich seine Begeisterung für die Modelleisenbahn in Grenzen. Doch nach zwei Jahren an der Spitze des Markenherstellers, dessen Name in weiten Teilen Europas Jungenaugen leuchten lässt, ist auch Adams dem Bann der Modelleisenbahn verfallen.
Kein Zweifel: Märklin-Loks sind ein handwerkliches Meisterstück. Die detailgetreu und liebevoll gestalteten Loks werden nach wie vor aus Metall gefertigt, nicht aus Kunststoff. Sie sind zwar kostspielig, gelten aber als die A-Klasse unter den Modelleisenbahnen. Selbst jene, die sich nicht zu Eisenbahnfans zählen, bleiben unwillkürlich an den Schaukästen der Bahnhofshallen hängen und sind schnell fasziniert von den zahllosen Details der Märklin-Bahn.
300 Einzelteile
Ganz gleich, ob es sich um eine historische Dampflok oder einen ICE-Zug der neuen Generation handelt. Räder, Schriftzüge und einzelne Schraubbolzen werden von Märklin wahrheitsgetreu nachgebildet. Das aufwendigste Modell, das Märklin in Göppingen bei Stuttgart produziert, besteht aus 300 Einzelteilen. Die Entwicklung einer neuen Lok kann vom ersten Entwurf bis zur Markteinführung bis zu zwei Jahre dauern. Trotz steigender Investitionen in die Produktionsanlagen werden die Mini-Loks weitgehend noch von Hand gefertigt.
Die Marke Märklin steht für Qualität und Tradition und fast zwei Drittel aller Märklin-Lokomotiven landen in Sammlerhänden. Mit einem Durchschnittsalter von 40 Jahren bringt der klassische Märklin-Kunde eine Kaufkraft mit, von der andere Spielzeughersteller nur träumen. Wer ein echter Modelleisenbahner ist, zaudert nicht, jedes Jahr Tausende von Euro in den Ausbau seines Miniatur-Fuhrparks zu investieren.
In den zurückliegenden Krisenjahren musste Märklin dank dieser Kundenstruktur das Tempo kaum drosseln. 2003 lag der Umsatz nur gering unterhalb der 170,5 Mio. Euro, die Märklin im Vorjahr eingefahren hatte. Damit steht das Göppinger Unternehmen besser da, als seine Wettbewerber, sagt Adams.
Betriebsblindheit ausgeschlossen
Märklin wurde vor 145 Jahren gegründet und gehört heute den Nachfahren des Gründers und der Geschäftspartner. Als Adams die Führung übernahm, stand er vor einer Herausforderung, die für ein deutsches Mittelstandsunternehmen in Familienbesitz typisch ist: Wie kann er Unternehmen und Produktpalette modernisieren, ohne dass die Aura des Traditionshauses Schaden nimmt? Adams, der zuvor für den Elektrowerkzeughersteller Metabo gearbeitet hatte, sollte für frischen Wind sorgen."Für den Eigentümerausschuss, der über meine Berufung zu entscheiden hatte, war es kein Problem, dass ich kein eingefleischter Eisenbahnfan war, wie so viele Mitarbeiter im Unternehmen", sagt Adams."Ganz im Gegenteil. Die Ausschussmitglieder wollten jemandem, der deutliche betriebswirtschaftliche Akzente setzt."
Um wieder für mehr Wachstum zu sorgen, fuhr Adams von Anfang an mehrgleisig. Ganze zehn Prozent des Jahreserlöses fließen derzeit in die Entwicklung und Modellüberarbeitung der Loks und Schienenwagen, die den größten Teil vom Umsatz bei Märklin ausmachen. Zugleich ist es Adams gelungen, die Zeit der Produktentwicklung zu verkürzen und dank modernisierter Produktionsstätten die Herstellung effizienter zu gestalten.
Aufgrund der arbeitsintensiven Produktion entfällt das Gros aller Kosten auf die Lohnkosten. Daran ändern auch die 400 Märklin-Mitarbeiter nichts, die im Billiglohnland Ungarn arbeiten. Dennoch sei das Unternehmen auf gutem Kurs, die Kosten für die insgesamt 2145 Beschäftigten gegenüber 2002 um ein Fünftel zu senken, sagt Adams.
Export als Wachstumsmotor
In Deutschland, wo Märklin einen Marktanteil von 50 Prozent hält, bieten sich kaum noch Wachstumschancen. Daher setzen die Göppinger verstärkt auf den Export, der mittlerweile auf 30 Prozent vom Gesamtumsatz gesteigert werden konnte. Um die Marke im Ausland erfolgreich einführen zu können, muss Märklin auch eigens für den Zielmarkt entwickelte Modelle anbieten, wie Adams sagt.
Auch fĂĽr jĂĽngere Zielgruppen werden spezielle Produktlinien entwickelt. So entpuppte sich vergangenes Jahr der Hogwarts-Express - bekannt aus den Geschichten des Zauberlehrlings Harry Potter - zum echten Bestseller. Die Zugkombination aus Lok und zwei Wagen ist seit Oktober fĂĽr 259 Euro zu haben.
Entscheidend für die Zukunft von Märklin dürfte jedoch sein, ob es gelingt, handwerklich anspruchsvolle Produkte mit moderner Technologie zu verbinden, sagt Adams. Dieses Jahr kommen erstmals digitale Produkte auf den Markt, die den Aufbau und die Steuerung der Züge vereinfachen. Eine komfortable Handhabung, wie sie Kinder heutzutage erwarten, und eine gewisse Nostalgie der Produkte, die vor allem die Generation der Eltern anspricht, sollen miteinander in Einklang gebracht werden.
Nimmt man die Begeisterung seiner beiden Söhne als Maßstab, dürfte Märklin die richtige Richtung eingeschlagen haben.
<ul> ~ Märklin..</ul>

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