- Yukos versteckt seine Anteilseigner - kizkalesi, 01.03.2004, 08:15
- Re: Yukos/ und ein bisschen Wasser im Wodka für Russland-Enthusiasten - kizkalesi, 01.03.2004, 08:27
- Re: Yukos versteckt seine Anteilseigner - Emerald, 01.03.2004, 08:33
Re: Yukos/ und ein bisschen Wasser im Wodka für Russland-Enthusiasten
--><font size="5">Potemkinsches Wachstum </font>
Die Korruption boomt, der Reformschwung von Präsident Putin ist erlahmt. Russland ist von Erdölerlösen abhängiger denn je zuvor
Die russische Regierung war schon nicht mehr im Amt, der geschasste Premierminister Michail Kassjanow hatte vor Pressevertretern gelästert, sein Arbeitsvertrag sei überraschend ausgelaufen, da hatte eine kleine Delegation ein Treffen im Weißen Haus am Moskwa-Fluss, dem Regierungssitz. Vertreter der Mittelstandsvereinigung Opora legten den verbliebenen Ministern eine Umfrage unter 2700 Unternehmern vor. 23 Überprüfungen in Moskau müsse sich im Durchschnitt jede Firma pro Jahr gefallen lassen. Ob Feuerwehr oder Miliz - jeder wolle sein Scherflein. An Schmiergeld falle pro Beschäftigten eine Summe von rund 400 Dollar jährlich an."Die Bürokratie dreht uns die Luft ab", sagte Opora-Präsident Sergej Borissow.
Zeitgleich in Cannes: Auf dem 3GSM-Weltkongress der Mobilfunker trat Vodafone-Chef Arun Sarin auf. Der Amerikaner erklärte an der Côte d'Azur, Vodafone wolle auf seiner Shopping-Tour durch Osteuropa und Russland 18 Milliarden Dollar für den Zukauf von Mobilfunkbetreibern ausgeben. Ins Visier ist offenbar auch der größte russische Mobilfunkanbieter MTS geraten. Kein Wunder, hat Russland doch hinter China die größten Wachstumsraten auf dem Handy-markt weltweit.
Ist Russland ein Investitionsparadies, wie Sarin glauben macht? Mit"Chancen, die greifbar geworden sind", wie der Verband der Deutschen Wirtschaft schreibt? Oder ist Russland ein Land, korrupt und kaputt, wie Borissow meint?
Russlands Präsident Wladimir Putin, der am 14. März mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine zweite Amtszeit gewählt wird, hat in den vier Jahren ein beispielloses Wirtschaftswachstum von kumuliert 30 Prozent zu verantworten. Stand zu Beginn der Amtszeit des Geheimdienstobersten die Frage, ob Russland seine Auslandsschulden werde bedienen können, werden diese zurzeit mit Leichtigkeit bezahlt.
Am Erdöl hängt's, kann man Russlands Ã-konomie umschreiben. So war Russland im vergangenen Jahr weltweit die Nummer eins bei der Erdölproduktion. Dank des hohen Ã-lpreises wurden enorm viele Dollars in die Kassen gespült. So viele, glaubt Wirtschaftsminister German Gref, dass"unsere Wirtschaft gar nicht in der Lage ist, die Petrodollars zu verdauen". Sein Fazit: Es mangelt an Investitionsideen.
Die Weltbank rechnete in ihrem jüngsten Report vor, dass die Einnahmen durch Ã-l und Gas nicht neun Prozent des BIP ausmachen, wie das staatliche Statistikamt behauptet, sondern 25 Prozent."Es handelt sich um ein Potemkinsches Bruttoinlandsprodukt", glaubt Christof Rühl, Chefökonom der Weltbank.
Realer als die Dorfkulissen des Grafen Grigorij Potemkin, aufgebaut, um Katharina II. auf einer Flussfahrt Wohlstand in Südrussland vorzugaukeln, ist die Bürokratie. Unter Putin ist der Apparat so aufgebläht wie nicht einmal zu Sowjetzeiten - und da war ein doppelt so großes Land zu regieren. 38 Prozent der arbeitenden Bevölkerung werden von Vater Staat bezahlt. Mit der Zahl der Staatsdiener steigt auch die Höhe der Bestechungsgelder. Das Forschungsinstitut Indem fand heraus, dass Russen 36 Milliarden Dollar im Jahr für Schmiergelder ausgeben.
Hatte Putin im Jahr 2000 mit viel Energie begonnen, eine viel beachtete Steuerreform auf den Weg zu bringen mit einer Einkommensteuer von linear 13 Prozent und einer Gewinnsteuer von 24 Prozent, danach noch eine Landreform verabschiedet, sodass erstmals in der russischen Geschichte Boden handelbar ist, ließ das Reformtempo in der zweiten Hälfte der Amtsperiode deutlich nach. Staatsdiener blockieren die Verwaltungsreform, Monopole wie der Gas- und Stromsektor sind nicht entflochten, der Bankensektor ineffizient.
Den Oligarchen - es gibt 25 russische Dollar-Milliardäre - drohte Putin mit ernsten Maßnahmen, sollten sie nicht teilen. So geloben Aluminium- und Ã-lbarone Besserung. Ein Ã-lkonzern wie TNK-BP verließ nun gar seine Oase auf den Virgin Islands, um in Sibirien zu versteuern. Durch Steuertricks illegaler und halblegaler Art gehen dem Fiskus pro Jahr zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder 7,6 Milliarden Euro verloren, rechnete die Weltbank vor.
Wer nicht teilen will, sondern politisch gefährlich wird, bekommt Besuch vom Staatsanwalt wie der Ex-Firmenchef von Yukos, Michail Chodorkowskij, der immer noch in Untersuchungshaft sitzt. Chodorkowskij unterstützte die Kreml-Opposition. Anders als TNK-BP sucht Yukos, die vergangenen Jahre der modernste Konzern in Russland mit hoher Transparenz, nun sein Heil in Offshore-Gebilden. Acht Trusts mit Fantasienamen wurden soeben gegründet, registriert auf den Virgin Islands und den Kanalinseln. Sie sollen dem Staat den Zugriff auf die Aktien verwehren.
Der Fall Yukos ist ei
n Präzedenzfall für den Umgang mit Privateigentum. Die De-facto-Enteignung von Exxon Mobil auf Ã-lfeldern im Fernen Osten und die Machtkämpfe auf dem Mobilfunkmarkt, auf dem neben der Deutschen Telekom auch Telenor und Telia-Sonera mitspielen, bedeuten, dass auch Auslandsinvestoren vor Übergriffen nicht gefeit sind."Wer sich in Verteilungskämpfe einmischt oder sich auf Portfolioinvestitionen einlässt und nicht sicher ist, wem der Betrieb gehört, für den ist das Risiko enorm", meint Weltbanker Rühl.
Die Oasen des Wohlstands machen sich in dem größten Flächenstaat der Erde wie Flecken aus. Moskau und St. Petersburg, dazu die Ã-lmetropolen - dann Einöde. Fährt man 100 Kilometer aus Moskau heraus, spürt man in den Dörfern ohne fließend Wasser, Telefon oder Gas dem 19. Jahrhundert nach. Fabriken sind geschlossen, 42 Prozent aller russischen Unternehmen erwirtschaften Verluste. Jeder fünfte Russe lebt unter dem Existenzminimum.
Für den Kremlchef muss es in seiner zweiten Amtszeit darum gehen, den Ã-lboom zu nutzen, um andere Wirtschaftszweige zu modernisieren. Schließlich versprach Putin seinen Landsleuten, sie würden in zehn Jahren so leben wie die Menschen in Portugal."Fast ausgeschlossen", befindet der Ã-konom Rühl. Auch der russische Volksmund ist skeptisch:"Wenn wir so leben sollen wie die Portugiesen, dann müssen sie uns schon ein ganzes Stück entgegenkommen."
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