- The Daily Reckoning - Progress Backwards (Bill Bonner) - Firmian, 28.02.2004, 11:25
- Dt. Fassung vom Investor-Verlag - Firmian, 01.03.2004, 18:39
Dt. Fassung vom Investor-Verlag
-->Es ist Zeit, das Geld zurückzuzahlen
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
Es ist Zeit, das Geld zurückzuzahlen.
Nicht nur Deutschland hat mit riesigen Haushaltsdefiziten zu kämpfen.
Auch die USA - und dort sind sie so ein Problem geworden, dass das
sogar Alan Greenspan bemerkt hat. Letzte Woche forderte er in einer
Rede den US-Kongress auf, Sozial- und Gesundheitsleistungen zu kürzen,
um das Haushaltsloch zu schließen. Der einzig mögliche andere Weg
wären Steuererhöhungen. In beiden Fällen wird das Ergebnis ein
niedrigerer Lebensstandard in Amerika sein. Man kann es auch anders
sehen... der große Kreditboom, der den Lebensstandard in Amerika
erhöht hatte, weil man auf Kosten der Zukunft lebte, kommt jetzt zu
seinem Ende.
Und auch die gewaltigen amerikanischen Handelsbilanz- und
Leistungsbilanzdefizite müssen reduziert werden. Wie? Die Leute in den
USA müssen aufhören, soviel Geld auszugeben. Andere Möglichkeit: Der
Dollar muss kollabieren. Wahrscheinlich wird beides der Fall sein. Und
in beiden Fällen wäre das Ergebnis ein niedrigerer Lebensstandard in
den USA.
Sie werden es bemerkt haben, liebe(r) Leser(in): Trotz des
Dollarverfalls der letzten beiden Jahre ist das
US-Handelsbilanzdefizit größer als je zuvor. China hat seine Währung
weiterhin fest an den Dollar gekoppelt. Und wenn der Dollar fällt,
dann fällt damit auch die chinesische Währung. Die Amerikaner haben
durch den Dollarverfall deshalb zumindest gegenüber China keinen
Vorteil erhalten. Und da China für die weltweiten Exporte so wichtig
geworden ist, führen niedrigere Preise für chinesische Güter dazu,
dass auch überall sonst die Preise dazu tendieren, zu sinken.
Die jüngsten Zahlen zum US-Arbeitsmarkt waren nicht gerade ermutigend.
Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe steigt. Und im Januar
stieg die Zahl der Entlassungen. Die Ã-konomen sind verwirrt. Die
Wirtschaft befindet sich doch voll in einer Erholung... wieso steigt
da die Zahl der Beschäftigten nicht?
Niedrige Zinsen und Steuersenkungen sollten der Wirtschaft doch Feuer
unter dem Hintern machen. Und das haben sie auch getan - nur nicht bei
der amerikanischen, sondern bei der chinesischen Volkswirtschaft!
Alles, was in Amerika Feuer fing, waren Schulden, der Immobilienmarkt
und die Spekulation. Die Amerikaner versinken immer tiefer im
Schuldenmoor - und sie werden dort durch niedrige Zinssätze und
leichte Kredite hineingelockt. Die Spekulanten werden wild, wenn sie
das Wort Nanotech hören... und Gott sei Dank haben die Chinesen noch
nicht herausgefunden, wie sie Häuser in die USA exportieren können.
Wenn Greenspan nach vorne sieht, dann müsste er eigentlich eine Welt
sehen, die für mich nach Deflation - einer bestimmten Sorte Deflation
- aussieht. Nicht nur, dass der 50 Jahre lange amerikanische
Kreditboom in einem epochalen Platzen implodieren wird, sondern das
wird auch zu einem Zeitpunkt passieren, zu dem sich die
wirtschaftliche Kraft der Welt nach Asien verlagert. Die Importe aus
Asien werden überall auf der Welt die Preise sinken lassen... und die
globalisierten Arbeitsmärkte drücken auf die Löhne der amerikanischen
Arbeiter. Denn zum Beispiel in Nicaragua arbeiten die Leute für 5
Dollar den ganzen Tag in der heißen Sonne. Sozialleistungen?
Krankenkasse? Urlaub? So etwas gibt es da kaum.
Der einzige Weg, um mit solchen Niedriglohnländern konkurrieren zu
können, wäre es, massive Beträge in kapitalintensive Industriezweige
zu stecken, bzw. in solche Industriezweige, die hoch qualifizierte
Arbeiter brauchen. Für deren Ausbildung muss man dann aber auch
entsprechend großzügig investieren. So ähnlich ist das in der Schweiz
und in Singapur geschehen. Aber die Amerikaner geben ihr Kapital für
Konsum aus. Der größte Arbeitgeber der Nation heißt nicht mehr General
Motors, sondern Wal-Mart... und General Motors verdient sein Geld
jetzt nicht mehr mit dem Verkauf von Autos, sondern mit seiner
Finanzierungsabteilung. Und die jungen Amerikaner konzentrieren sich
auf Studiengänge wie Gender Studies, und sie überlassen die
naturwissenschaftlichen Studiengänge den Ausländern. Die besten der
jungen Amerikaner gehen an die Wall Street und hoffen, sich früh zur
Ruhe zu setzen können, wenn sie windige Neuemissionen betreuen oder
vielleicht einen Hedgefonds starten.
Das ist der Grund, warum die Reallöhne der amerikanischen
Fabrikarbeiter in den letzten 30 Jahren mehr oder weniger
stagnierten... und warum jetzt die Löhne der amerikanischen
Informatiker unter Druck geraten... und warum es so schwer ist, neue
Jobs zu schaffen - obwohl sich die Zinsen auf dem niedrigsten Stand
seit 50 Jahren befinden.
Greenspan & Co. können durch die Stimulierung der Wirtschaft keine
neuen Jobs schaffen. Das wirkt höchstens in Übersee. Sie können auch
keinen Reichtum nach Amerika bringen, wenn sie den amerikanischen
Konsumenten mehr Kredite geben; denn davon haben diese bereits mehr
als genug. Mehr Kredite machen die Situation nur noch schlimmer...
denn sie gewöhnen der Nation die schlechte Gewohnheit des zu starken
Konsumierens und der Spekulation an... und sie machen die Schmerzen
der Anpassung nur noch schwieriger. In der kommenden"Deflation der
Kredite" werden die Amerikaner wahrscheinlich ihre Schulden bezahlen
müssen... während sie in neue Industrien investieren. Ihr
Lebensstandard wird wahrscheinlich fallen... genauso wie ihre
Einkommen. Auch die Preise ihrer Häuser könnten fallen... während sie
für ihre Hypotheken mehr zahlen müssen. Und der Preis ihrer Importe
(wie Ã-l) sollte steigen... während der Dollar an Wert verliert.
Eine Deflation... mit steigenden Preisen? Denken Sie darüber eine
Minute nach. (Ich würde selbst drüber nachdenken... aber eigentlich
habe ich immer noch Urlaub).
Wann werden die Schulden zurückgezahlt werden müssen? Dann, wenn die
beste aller Welten zur schlechtesten aller Welten geworden ist...
wenn die Wirtschaft, die"zu gut, um wahr zu sein" ist,"zu schlecht,
um wahr zu sein" geworden ist. Und wenn die Dinge, die"nicht besser
sein könnten", auf einmal"nicht schlechter sein könnten"...
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Montag, 1. März 2004
Warren Buffett verkauft!
von unserem Korrespondenten Bill Bonner in Paris
*** Mein Kollege Addison Wiggin genießt seine Zeit in der Sonne...
denn er ist in Puerto Vallarta, bei dem Treffen eines Investmentclubs.
Und deshalb müssen Sie heute mit mir vorlieb nehmen, liebe(r)
Leser(in).
Hier in Frankreich ist es kalt. Wie Sie wissen, war ich letzte Woche
noch in Nicaragua. Und der Sprung von den Tropen in den Schneeregen
war bemerkenswert. Nachts friert es. Und unser Landhaus ist so kalt
und dunkel wie der Sarg eines Steuereintreibers.
*** Aber was ist das? Der gute Trend - Gold nach oben, Dollar abwärts
- hat sich für einen weiteren Tag umgedreht."In Europa wächst die
Antizipation einer Zinssenkung" so CBSMarketwatch. Deshalb konnte der
Dollar gegenüber dem Euro etwas zulegen, und auch gegenüber dem Yen
stieg er.
Aber nicht jeder ist überzeugt davon, dass die Europäische Zentralbank
(EZB) die Zinsen senken wird."All diese Schwäche ist an politischen
Druck gekoppelt, der auf die EZB ausgeübt wird, damit sie die Zinsen
senkt", so Chuck Butler von der Everbank.
"Letzten Mittwoch war es der deutsche Bundeskanzler Schröder, am
Donnerstag war es der französische Premierminister Raffarin... sehen
Sie, mir ist es egal, was das für Leute sind, und was für einen Titel
sie vor ihrem Nahmen haben - denn die EZB wird sich politischem Druck
nicht beugen. Der politische Druck könnte sogar das Gegenteil des
Gewünschten erreichen, denn die EZB würde schwach aussehen, wenn sie
jetzt die Zinsen senken würde... also, die Dollar-Bullen mögen ein
paar schöne Tage haben, aber wenn sich die EZB nächsten Donnerstag
trifft und die Zinsen unverändert lässt, dann werden wir Sand in die
Gesichter der Dollar-Bullen streuen können!"
*** Der Goldpreis notiert weiterhin knapp unter der Marke von 400
Dollar pro Feinunze. Kaufen.
***"Warren verkauft", schreibt Dan Ferris.
"Im vierten Quartal hat Warren Buffett seine gesamten Anteile an Duke
Energy, Dun & Bradstreet, Great Lakes Chemical und Level 3
Communications verkauft. Seine Gesellschaft Berkshire Hathaway hat 5
Millionen Aktien von The Gap (einem Einzelhändler für Bekleidung)
verkauft und damit den Anteil an dieser Firma auf 15 Millionen Aktien
gesenkt."
"Buffett hat im vierten Quartal nur eine einzige Position gekauft.
Cadbury Schweppes PLC."
Und Warren Buffett verkauft auch noch etwas anderes - den Dollar, das
erste Mal in seinem Leben.
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Montag, 1. März 2004
Fortschritt zurück
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
Diesen Artikel schrieb ich letzte Woche in Nicaragua. An den von der
Sonne geküssten Stränden dieses Landes genoss ich den schönen
Blick... aber ich wurde auch nachdenklich.
"Die Schuldsteine, die sie bedeckten, wurden von mir entfernt - das
Land, das ein Sklave war, ist jetzt frei..."
Das soll der antike griechische Staatsmann Solon gesagt haben, laut
Plutarch, als er die Schuldenlast von Athen reduzierte, indem er für
eine Inflation sorgte.
Ich dachte nach, während ich den Strand im Blick hatte. Vor zwei
Jahren hatte es an diesem Strand noch nichts gegeben. Und niemanden.
Bis auf einen Mann, der dort mit seiner Familie lebte.
Ich saß mit ihm zusammen auf der Veranda seines Hauses, auf einem
kleinen Hügel, der einen exzellenten Blick auf den Strand Los Perros
bietet. Der Strand hatte weißen, feinen Sand, und unter Palmen ging er
etwa 2 oder 3 Kilometer weiter, bis zu einem weiteren Hügel. Ich sah
grüne Blätter, weißen Sand und blaues Wasser.
Wir saßen auf Baumstümpfen unter einem rostigen Blechdach, den Rücken
gegen das Haus gelehnt, und genossen den warmen Wind.
"Als ich ein Junge war, da kam ich hier oft hin, um zu schwimmen. Das
ist der beste Strand... und niemals habe ich hier jemanden gesehen."
Aber die Dinge haben sich geändert. Jetzt baue ich mir auf den Hügeln
neben diesem Strand ein Haus. Meine Kinder spielten in der Brandung,
während Antonio und ich uns unterhielten. Und direkt am Strand, nicht
weit entfernt von der Hochwassermarke, werden jetzt Ferienapartments
gebaut.
"Ich weiß nicht, was er (der Bauunternehmer) sich dabei dachte",
bemerkte Antonio."Ich versuchte, es ihm zu sagen. Jeder, der das Meer
kennt, weiß, dass diese Apartments zu nah am Meer gebaut sind. Wenn
wir einen schlimmen Sturm bekommen, dann wird von der einen Seite das
Meer und von der anderen der Fluss kommen. Dann wird er wirklich
Probleme bekommen."
Die letzten realen Probleme gab es vor ungefähr 10 Jahren. Eine
Flutwelle schwemmte eins von Antonios Häusern fort. Die Alten sagten,
dass eine solche Flutwelle nur alle 100 Jahre auftritt. Und der
Bauunternehmer muss nachgerechnet haben; er, die Käufer und sogar die
Leute von der Versicherung werden lange tot sein, bevor die nächste
Flutwelle erscheint.
Also geht der Fortschritt weiter. Derzeit sind sie noch beim Ausheben
der Fundamente... und hoffen, dass das Gebäude bei Hochwasser
zusammenhält.
Überall in Nicaragua - oder zumindest überall dort, wo ich war - sah
ich Zeichen von Fortschritt. In Managua gibt es neue Straßen, neue
Gebäude, neue Restaurants, und an fast jeder Ecke eine schön glänzende
neue Tankstelle.
Auf dem Land sieht es hingegen etwas anders aus. Früher konnte der
Reisende dort elegante alte Häuser sehen, mit Ziegeldächern... oder
Hütten, die mit Palmwedeln bedeckt waren. Jetzt sieht man nur noch
abgeholzte Wälder und Wellblechdächer. Überall, wo man hinsieht, sieht
man Wellblech. Und selten sieht das gut aus; fast immer ist es
rostbraun. Vielleicht wird rostiges Wellblech eines Tages einmal als
schön angesehen werden. Aber heute zerstört es die Schönheit der
Tropen, überall in der Welt.
"Du solltest lieber Dachziegeln benutzen", sagte ich einem anderen
Freund.
Er erklärte mir:"Ich habe 5.000 Dollar für meine Angestellten
bereitgestellt. Die waren als Hypothek für jeden gedacht, der sich ein
Haus bauen wollte. Ich wollte ihnen einfach nur helfen. Mir ist es
nicht wirklich wichtig, ob ich das Geld zurückbekomme."
Und so wurden - durch einen Akt der Nächstenliebe - Leute, die niemals
irgendjemandem einen Cent schuldeten, zu einer
Konsumentenkredit-Wirtschaft verführt. Vorher konnten sie den Tag mit
Fischen verbringen... und froh sein, wenn sie genug fürs Abendessen
fangen konnten. Oder sie konnten zusätzliche Fische bei einem Nachbarn
gegen Reis und Bohnen eintauschen.
Aber jetzt muss der Gläubiger in der Geldwirtschaft arbeiten, um seine
Zahlungen erbringen zu können. Bald wird er ein Konto bei einer
lokalen Bank eröffnen... und eine Kreditkarte bekommen. Dann wird er
sich Geld leihen, um sich ein Auto kaufen zu können... und für eine
Klimaanlage. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er denkt, dass er
ohne das nicht mehr leben kann. Und dann - was für eine Freude - wird
sein Lebensstandard auf den der Amerikaner steigen. Und auch seine
Schulden könnten auf amerikanisches Niveau steigen. Und wie die
Amerikaner wird auch er hoffen, dass er sie niemals zurückzahlen muss.
Plutarch erzählt uns, dass die Schuldenlast im alten Athen so stark
stieg, dass Solon, ein berühmter Politiker im 6. Jahrhundert vor
Christus, auf diese Idee kam: Solon ließ den Wechselkurs für ein Pfund
(Gold oder Silber) von 73 Drachmen auf 100 Drachmen hoch setzen.
Dadurch war der Wert der Drachmen effektiv herabgesetzt, und die in
Drachmen nominierten Schulden wurden weniger wert. Das war für die,
die sich entschulden wollten, von großem Vorteil. Der alte Solon mag
der erste gewesen sein, der das getan hat - er war definitive nicht
der letzte. Die Leute nehmen Schulden auf, wenn sie zuversichtlich
sind... und sie hoffen, dass irgendein Gottesakt diese Schulden
hinwegspülen wird. Aber es ist nicht Gott, sondern der Mensch, der die
Schulden wegspült. Und nicht durch einen Akt der Natur... sondern
durch Akte des Betrugs, indem die Gläubiger betrogen werden. Heute
setzen die Amerikaner ihr Vertrauen in Alan Greenspan und die Fed, und
sie hoffen, dass diese modernen Solons ihre Kunst verstehen.
Doch zurück zum Strand und zu Antonio. Der stand auf und sah den
Strand hinab.
"Wenn er diese Apartments verkauft, dann wird er überall am Strand
welche bauen. Ich denke, dann würde ich dieses Haus hier in eine Bar
verwandeln. Dann würden die Leute, die ein Apartment kaufen,
wenigstens einen Platz haben, an dem sie ein kaltes Bier bekommen
könnten."
"Deck das Dach mit Lehmziegeln", war mein Rat.
"Wir könnten alles einfach so lassen", so Antonio weiter."Ich denke,
die Leute würden das mögen... sie könnten auf den Baumstümpfen
sitzen... jemand, der sich ein Ferienapartment kauft, wird wohl auch
5 Dollar haben, um hier zu sitzen und ein Bier trinken zu können."
Die Kunden würden zum Strand sehen können... mit den neuen Apartments
und den neuen Gästen. Sie könnten darüber nachdenken, wie sie ihre
monatlichen Zahlungen erbringen können... dann können sie ihr Bier
trinken, das von einem Kellner serviert wird, der ebenfalls seine
Schulden bezahlen muss.
So ein Ferienapartment kostet vielleicht 150.000 Dollar... vielleicht
auch mehr.
Aber selbst wenn der Käufer eines Ferienapartments eine Million dafür
bezahlen würde - er wird den Strand niemals so genießen können, wie
dies Antonio konnte. Ohne etwas dafür zu bezahlen.
Ist das Fortschritt, oder was?

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