- Geschworene suchen nach Ausreden - bonjour, 02.03.2004, 13:29
Geschworene suchen nach Ausreden
-->gestern abend in der sendung sat1 22.15uhr wurde gesagt, daß bereits 27 prozeßbeteiligte dahingeschieden sind.
die geschworenen suchen nach ausreden, um nicht die verantwortung an einem urteil mittragen zu müssen.
die todesstrafe wurde in belgien einen monat vor der verhaftung von dutroux abgeschafft. man könnte auch umgekehrt sagen, nachdem die todesstrafe abgeschafft war, konnte er verhaftet werden.
gruß bonjour
heute in der Berliner Zeitung
"Wecken Sie bitte Ihren Mandanten"
Kalt und desinteressiert begegnete der Angeklagte vor Gericht den Eltern seiner Opfer - im belgischen Arlon begann der Prozess gegen den Kinderschänder Marc Dutroux
Alois Berger
Hinter Panzerglas
Marc Dutroux, dem die Entführung, Vergewaltigung und Ermordung mehrerer Kinder zur Last gelegt wird, steht seit Montag im belgischen Arlon vor Gericht. Hunderte Polizisten schützen das Gebäude. Der Angeklagte saß zum Schutz vor Attentaten hinter einer Wand aus Panzerglas. Er wirkte teilnahmslos und schlief sogar ein. Dutroux droht eine lebenslängliche Haftstrafe. (Foto: ap)
ARLON, 1. März. Der Richter ist außer sich."Maitre Magne", fordert Stephane Goux den Verteidiger des Angeklagten Marc Dutroux auf,"wecken Sie bitte Ihren Mandanten." Kaum eine Stunde nach Beginn des Prozesses gegen den Entführer, Kinderschänder und mutmaßlichen Mörder zeigt der Beschuldigte demonstrativ sein Desinteresse: Marc Dutroux hat Kopf und Oberkörper auf die Tischplatte gelegt und tut so, als ob ihn das, was sich im Gerichtssaal des Justizgebäudes von Arlon abspielt, nichts angeht. Die Eltern der ermordeten Kinder sind geschockt.
Betty Marchal, eine der Mütter, war bereits zusammengebrochen, als Marc Dutroux am Morgen in den nüchternen Gerichtssaal geführt worden war und sie nach acht Jahren dem Mörder ihrer Tochter erstmals gegenüber saß. Kalt und skrupellos, so ist Marc Dutroux in der Vergangenheit aufgetreten. Und genau so gab er sich auch zu Beginn des Prozesses."Ich heiße Marc Dutroux", antwortete er lakonisch auf die Frage des Schwurgerichts-Präsidenten. Nach seinem Beruf befragt, sagte der gelernte Elektriker emotionslos:"Ich habe keinen." Mit verschränkten Armen saß er scheinbar unbeteiligt hinter einer Wand aus Panzerglas, bekleidet mit hellem Hemd, grauem Pullover, grauer Jacke und Krawatte. Bis er später dann einschlief.
Nervöses Treiben
Man könne sich noch so gut vorbereiten auf den Horror, der einen erwarten würde, hatte Pol Marchal, der Vater eines Mädchens, vor dem Prozess gesagt, aber dann wäre man doch hilflos seinen Emotionen ausgeliefert. Umso härter traf ihn die von Marc Dutroux zur Schau gestellte Gleichgültigkeit. Für die Eltern sei es unerträglich, sagte Marchals Anwalt Paul Quirynen, dass das Gericht Dutroux so lange habe schlafen lassen.
Vermutlich hatte der Richter das Verhalten des Angeklagten gar nicht bemerkt. Denn das getönte Glas, das Dutroux, seine Ex-Frau Michelle Martin, seinen Handlanger Michel Lelievre und den möglichen Drahtzieher Michel Nihoul vor Attentaten schützen soll, dieses Panzerglas behindert nicht nur die Sicht auf die vier Angeklagten.
Zumindest an diesem ersten Prozesstag schuf es auch eine seltsame Distanz, die durch das nervöse Treiben vor der Scheibe verstärkt wurde. Die Auswahl der zwölf Geschworenen und ihrer Stellvertreter erinnerte an Zeiten, als Rechtssprechung noch auf dem Marktplatz stattfand. 180 Bürger aus der Kleinstadt Arlon und ihrer Umgebung, ausgelost aus den Einwohnerlisten, standen im kahlen Gerichtssaal vor Richter Stephane Goux, der sie auf ihre Eignung zu prüfen hatte. Seit Monaten schon hatten sich die Gespräche in den Cafés und Geschäften von Arlon um diese Auswahl gedreht."Man kann sich nicht weigern", sagte beispielsweise der Friseurgeselle Maurice,"aber man kann immer abgelehnt werden." Wer besonders raffiniert sein wollte, hatte schon vor einiger Zeit einen Aufruf zur Unterstützung der Opfer Dutroux unterschrieben und galt damit als befangen. Richter Stephane Goux sortierte sie zuerst aus. Fast alle anderen suchten fieberhaft nach Gründen, warum sie nicht in Frage kämen, zwei bis drei Monate lang als Geschworene dem Prozess beizuwohnen.
"Ich kann so viel Verantwortung nicht tragen", sagte eine ältere Frau frei heraus."Ich schaff das nicht." Andere brachten berufliche Hindernisse vor oder machten familiäre Gründe geltend. Alle wurden sie mit Namen genannt und werden nun mit ihrer wahren oder vorgeschobenen Ausrede in der Zeitung stehen. Gegen Mittag waren zwei Drittel der Kandidaten ausgeschieden, am Nachmittag wurde unter den Verbliebenen das Los gezogen.
Für Dutroux war es vermutlich unerheblich, welche der Arloner Bürger über seine Strafe entscheiden werden. Er kennt so gut wie niemanden in dieser Gegend nahe der luxemburgischen Grenze. Er kommt aus dem Raum Charleroi, dem abgewirtschafteten Industrierevier im Nordwesten des Landes. Dort pflegte er Beziehungen zu einflussreichen Leuten, zu Polizisten und Justizbeamten, auf die er sich bis zu seiner Festnahme vor siebeneinhalb Jahren offensichtlich verlassen konnte. Staatsanwalt Michel Bourlet ist überzeugt, dass Dutroux die Mädchen monatelang in seinem Keller verstecken und quälen konnte, weil die Behörden absichtlich wegsahen: 600 Zeugen sollen in den kommenden zwei bis drei Monaten Licht in dieses Dunkel bringen. Und die Frage klären, ob es diese Hintermänner tatsächlich gab.
Stunden vor Prozessbeginn hatte Dutroux die Spekulationen noch einmal angeheizt: Der zwielichtige Nihoul sei der wahre Drahtzieher der Entführungen gewesen, ließ er in einem Brief an eine Fernsehstation wissen. Der frühere Sexclubbesitzer habe ihm ein Geschäft mit entführten Mädchen angeboten.
Ein Galgen vor dem Gericht
Am Ende des ersten Prozesstages vereidigte Richter Stephane Goux sechs Frauen und sechs Männer, die voraussichtlich im Mai das Urteil über Dutroux, Martin, Lelievre und Nihoul sprechen werden.
Ein empörter Bürger wollte bereits zu Prozessbeginn demonstrieren, welche Strafe Dutroux in seinen Augen verdient. Er hatte versucht, vor dem Gerichtsgebäude einen Galgen aufzustellen. Polizeibeamte nahmen ihn fest. Die Todesstrafe war in Belgien im Juli 1996 abgeschafft worden. Einen Monat bevor Marc Dutroux verhaftet wurde.
<ul> ~ http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/_html/index.html</ul>

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