- Berliner Bankenkrise: 'ja, wo iss'n nu' die Kohle?' - zani, 05.03.2004, 16:47
- Re: Vielen Dank für den Beitrag: Es ist wichtig, dass die Diskussion darüber.... - Svenni, 05.03.2004, 19:52
Re: Vielen Dank für den Beitrag: Es ist wichtig, dass die Diskussion darüber....
-->.....nicht versiegt!!!! Etliche Berliner Politiker, aber auch jede Menge Bundespolitiker, sowie"angesehene" Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Kultur und Sport sind mit ihrem Geld in diesen Mafia-Fonds investiert. Deshalb wird es schwer, die Bank in die Insolvenz gehen zu lassen. So ist das in unserer feinen Gesellschaft. Ich hoffe immer noch darauf, dass irgendwann einem von den Gaunern das schlechte Gewissen plagt und diesen akribisch geplanten Betrugsplan offenlegt und zugibt!
>Guten Abend
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>SUEDDEUTSCHE
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> Wirtschaft
> 04.03.2004 17:05 Uhr
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>Berliner Bankenkrise
>"Ja, wo iss’n nu’ die Kohle?"
>Keiner der Verantwortlichen im Skandal um die Berliner Bankgesellschaft weiß was, und natürlich hat auch keiner was veranlasst — der harte Kampf der Ermittler in einem Fall, der die Stadt Berlin bis zu acht Milliarden Euro kosten könnte.
>Von Marcus Jauer
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> Am Abend in einem Seminarraum der Universität inmitten der Stadt. An der Tafel steht eine Ã-konomin. Eine kleine Frau, die freundlich lächelt und eine einfache Frage stellt.
>Sie fragt: „Was ist eine Bank?“ Dann schaut sie in die Runde. Vor ihr sitzen dreißig Leute an einem Hufeisentisch. Junge und alte. Studenten, Rentner, Arbeiter, Künstler. Einige haben Zeitungsausschnitte dabei, einige Stift und Papier. Es ist eng, es fehlen Stühle. Zwei Männer sitzen auf dem Boden.
>„Sie verleiht Geld“, sagt einer. „Und was noch?“, fragt die Ã-konomin. „Sparbücher“, ruft jemand. Eine Bank verleihe also Geld und nehme Geld an, sagt die Ã-konomin. „Wie kann sie da pleite gehen?“
>Die Leute schauen erwartungsvoll. Sie gehören zur Initiative „Berliner Bankenskandal“. Einige von ihnen könnten eine Antwort gebrauchen. Sie haben 37.000 Unterschriften gesammelt, dass jetzt endlich „Schluss mit dem Berliner Bankenskandal“ sein soll. Da wäre es natürlich nicht schlecht, wenn man wüsste, wie es überhaupt dazu kam.
>Die Ã-konomin hat ein Haus an die Tafel gemalt, das kauft die Bank. Dann verkauft sie es an ihre Tochter und die verkauft es an einen Immobilienfonds der Bank. Jedesmal wird das Haus teurer, jedesmal macht die Bank Gewinn.
>„Ist das verstanden?“, fragt die Ã-konomin. „Aber das Haus ist doch nicht so viel wert“, sagt jemand. Die Ã-konomin antwortet: „Das ist nicht der Punkt.“
>Der Punkt ist, die Bank braucht Geld. Das bekommt sie, wenn Kunden Anteile des Fonds kaufen. Damit sie das tun, garantiert die Bank, dass Miete fließt, sagen wir für zwanzig Jahre. Mit dem Geld ihrer Kunden legt die Bank dann neue Fonds auf und holt noch mehr Geld rein.
>„Ja, aber wo iss’n nu’ die Kohle“, fragt einer. „Moment“, sagt die Ã-konomin.
>Sollte das Haus keine Miete abwerfen, weil zum Beispiel der gesamte Immobilienmarkt zusammengebrochen ist, stört das die Bank erstmal kaum. Zur Zeit hat sie Geld und kann die Garantie bezahlen. So verschiebt sie das Risiko in die Zukunft.
>Dort häuft es sich an. Wenn kein ökonomisches Wunder geschieht, weil das Haus, sagen wir, ein Plattenbau in Leipzig ist, entsteht irgendwann Verlust.
>Die Ã-konomin redet zwei Stunden. Danach schwebt wenigstens eine Ahnung davon im Raum, dass hier irgendeine riesige Sauerei gelaufen sein muss.
>Monströser Schaden
>Vor zehn Jahren gründete das Land Berlin die Bankgesellschaft. Eine Hauptstadtbank, geboren aus der Euphorie der Nachwende.
>Berlin behielt die Mehrheit der Anteile. Die Bank expandierte und wurde Marktführer bei Immobilienfonds. Mit ihrem Geld entstanden die Fassaden des Aufschwungs. Acht Jahre später war sie fast pleite. Ohne die Absicherung der Fondsgarantien wäre sie geschlossen worden. Berlin musste absichern.
>In dieser Woche gibt es erstmals einen Prozess zum Skandal. Es sind nur zwei Nebenfiguren, die vor dem Berliner Landgericht stehen. Man wirft ihnen Betrug in Höhe von 800.000 Euro vor.
>Wenn es schlimm kommt für das Land, verliert es an den Geschäften der Bank tausendmal mehr. Acht Milliarden Euro. Davon könnte Berlin fast zwanzig Jahre lang seine Kultur bezahlen. Opern, Theater, Museen, Bibliotheken. Zwanzig Jahre. Oder zwanzig Jahre eben nicht.
>Der Stadt wird ein monströser Schaden entstehen. Die Frage ist nur, ob man die, die ihn verursacht haben, bestrafen kann. Das fragen sich die Bürgerinitiative, der Untersuchungsausschuss des Parlaments und die Staatsanwaltschaft. Und je nachdem, wohin man geht, bekommt man verschiedene Antworten.
>Am Tor der Polizeidirektion steht ein VW Bully, Baujahr ’91, die Scheiben mit dunkler Folie beklebt. Er ist das Fahrzeug der Ermittlungsgruppe Bankgesellschaft. Der Polizist darin bringt einen zu einem großen Gebäude, in einen Aufenthaltsraum, in dem Claus-Peter Wulff wartet, Leitender Oberstaatsanwalt. Wulff sagt: „Zuerst zu den Akten!“
>In einer Halle, die früher einmal eine Kleiderkammer war, stehen siebzehn riesige Eisenregale mit Tausenden von Ordnern. Davor sitzen Polizisten, Staatsanwälte und Wirtschaftsreferenten, etwa 40 Leute. Das ist Wulffs Mannschaft.
>Die Bank gehört Berlin...
>Als die Staatsanwälte im Herbst 2001 mit Ermittlungen gegen die Bank begannen, wurde ihnen bald klar, dass sie mit ihr zusammenarbeiten mussten.
>Inzwischen gab es einen neuen Vorstand, der war bereit, Akten herauszugeben. Es hätte sonst Monate gedauert, bis sie gewusst hätten, was sie beschlagnahmen sollen in einem Konzern mit 112 Tochterfirmen und 16.000 Mitarbeitern.
>Also fragen sie: Wie viele Akten gibt es zu so einem Fonds? Die Bank sagt: Etwa 600. Sie verspricht, sie zusammenzustellen. Plötzlich ruft sie an und sagt: Wir haben uns geirrt. Es sind zehnmal so viel.
>Auf die Art kamen die Staatsanwälte zu 5700 Aktenordnern, von denen sich der größte Teil in der Kleiderkammer stapelt. Eineinhalb Jahre lang haben sie hier nur gesessen und gelesen und in eine Datenbank eingetragen.
>Hinter der Kleiderkammer gibt es einen Raum, da steht ein grauer Kasten. Ein Server, auf dem vier Millionen Dateien gespeichert sind.
>Es ist unmöglich, alles Material zu lesen, dann zu überlegen, was der Vorwurf sein könnte, und dann nochmal zu lesen. Man muss vorher wissen, was man sucht.
>Wulff sagt: „Am einfachsten wäre es, wir fänden ein Papier, in dem die Banker beschlossen haben, ihre Bank zu ruinieren.“ Nur so ein Papier finden sie nicht.
>Es ist ja nicht so, dass die Banker sich das Geld eingesackt hätte. Sie brauchten es, um über die Fonds das große Rad zu drehen. Ihre Bank wurde größer, sie immer wichtiger.
>Nur das Rad konnten sie nicht mehr stoppen. Aber nicht jeder Größenwahn ist strafbar. Geht ein Geschäft schief, kann das passieren. Geht es aber vorsätzlich schief, wäre es Untreue.
>„Nicht alles ist schon kriminell, nur weil der Schaden hoch ist“, sagt Wulff.
>Die meisten Beschuldigten erklären, keiner könne etwas dafür, dass der Immobilienmarkt zusammengebrochen ist. Viele hätten geglaubt, dass Berlin mal sechs Millionen Einwohner haben würde. Wer sage denn, dass das nicht noch passiert?
>„Es ist schwer, unternehmerische Entscheidungen mit der Elle des Strafrechts zu messen“, sagt ein Staatsanwalt.
>Und selbst wenn er etwas findet. Untreue verjährt nach fünf Jahren. Für vieles, was die Staatsanwälte hätten untersuchen können, war es schon zu spät, als sie anfingen. Für manches in den Akten wird es vielleicht jetzt gerade zu spät.
>Wulff verlässt die Kleiderkammer und geht in den Aufenthaltsraum zurück. Ein kleiner, energischer Mann, Anfang sechzig. Er spricht schnell und in Abkürzungen, „damit nicht noch was verjährt“. Er hat schon gegen Schalk-Golodkowski ermittelt, aber das war nicht zu vergleichen.
>Das Verfahren um die Bank ist das größte in der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik. Nur wirkt es manchmal, als wüssten dies nur die Beschuldigten. Sie verpflichten Anwälte, die für einen Haftprüfungstermin bis zu 50.000 Euro verlangen. Wulff hat nicht einmal ein Diensthandy. Wenigstens sind die Laptops vor einiger Zeit gekommen.
>124 Verfahren wurden eingeleitet, 78 sind erledigt, sieben Anklagen geschrieben. Die größten Prozesse werden wohl dieses Jahr beginnen. „Aber auch wenn wir alles geleistet haben, was möglich ist“, sagt ein Staatsanwalt am Ende, „die Bürger werden unzufrieden sein.“ Mit dem Satz steigt man wieder in den Bully.
>Als Anfang 2001 erste Verluste bei der Bank auftauchten, sprang das Land Berlin mit vier Milliarden Mark ein. Ein Untersuchungsausschuss wurde eingesetzt. Danach zerbrach die Große Koalition, es gab Neuwahlen. Der Untersuchungsausschuss aber arbeitet noch immer.
>...aber das Parlament darf nicht hineinschauen
>Ein Freitagmorgen im Abgeordnetenhaus. Im Raum 113 sucht ein Mann, der früher in der Kreditabteilung einer Tochter der Bank gearbeitet hat. Es geht darum, ob er wusste, dass die Immobilien weniger wert waren als die Kredite. „Das ist mir nicht bekannt“, sagt er.
>Es befragt ihn eine Frau aus der Fraktion der Bündnisgrünen. Sie hat Akten vor sich liegen und einen Teller mit Möhren. „Aber Sie waren doch verantwortlich“, sagt sie. „Ja, sorry“, sagt er, „wenn ich’s nicht weiß, kann ich es nicht verhindern.“ Die Frau blättert in den Akten. „Und wer hat es dann veranlasst?“, fragt sie. „Das weiß ich nicht“, sagt er.
>Da fragt Barbara Oesterheld den jungen Mann noch, ob er denn Alzheimer hat. Aber darauf antwortet er auch nicht.
>Später sitzt sie in ihrem Büro, das wie mit Aktenordnern tapeziert ist. Eine kleine Frau mit rauer Stimme, die mit den Begriffen Kreditwesengesetz, Andienungsrecht, Nießbrauch, Objektgesellschaft und Freistellungserklärung jongliert.
>Seit drei Jahren untersucht sie die Bank. Sie ist baupolitische Sprecherin. Wenn sie sich früher mit Immobilien beschäftigt hat, dann weil es um eine Hausbesetzung ging oder um sozialverträgliches Umsiedeln von Plattenbaumietern. Aber nicht um Milliardenkredite.
>Als der Ausschuss die Vorstände und Aufsichtsräte der Bank vorlud, mussten sich seine Mitglieder anhören, sie hätten ja keine Ahnung von Wirtschaft
>Also ging Barbara Oesterheld auf Immobilienkongresse, um sich schlau zu machen.
>Hinweisen statt beweisen
>Sie war verblüfft, was alles rechtlich zulässig ist. Außerdem hatte sie den Eindruck, dass dort alle wussten, was los war mit der Bank. Nur sie nicht.
>Tagelang las sie im Bunker des Abgeordnetenhauses in den vertraulichen Unterlagen der Bank. Tagelang blätterte sie in der Kleiderkammer in den Aktenordnern der Staatsanwaltschaft.
>Doch der Ausschuss bekommt nicht alle Akten der Justiz. Wenn er etwas kopieren möchte, muss er es kennzeichnen. Dann prüft es eine Kanzlei der Bank, ob es nicht zu vertraulich ist. Wenn ja, wird nicht kopiert. Dann muss der Ausschuss begründen, warum er das Papier trotzdem braucht. So geht es hin und her.
>„Es ärgert mich“, sagt Barbara Oesterheld, „die Bank gehört Berlin.“ Aber das Parlament darf nicht hineingucken. Sie weiß inzwischen trotzdem genug, um die Vorstände noch einmal vorzuladen.
>Vielleicht sagen sie wieder nichts. Vielleicht fehlt wieder eine Akte, die man ihnen hätte vorhalten können. Aber sie werden kommen müssen. Und dann kommt die Presse und schreibt darüber.
>„Was diese Leute der Gesellschaft angetan haben, dieses Verhalten“, sagt Barbara Oesterheld, „das muss geächtet werden. Es kann nicht sein, dass sie Milliarden verlieren und davonkommen.“
>Ende des Jahres will der Ausschuss die Arbeit beenden. Der Bericht ist schon jetzt 300 Seiten lang. Wer ihn liest, wird sehen, dass so ein Ausschuss gegenüber der Justiz im Vorteil ist.
>Natürlich holt auch er das Geld nicht zurück. Aber er kann Versagen benennen, auch wenn es nicht kriminell ist oder schon verjährt. Er muss nicht beweisen, er kann hinweisen. Was er nicht kann, ist verurteilen.
>Es ist spät geworden im Seminarraum an der Universität. „Ist das verstanden?“ fragt die Ã-konomin. Jemand sagt: „Nö.“
>"Ã-konomisch-politisch-juristisch-administrative Komplizenschaft"
>An einem der abgewetzten Tische sitzt Peter Grottian, er sieht müde aus. Er ist Anfang sechzig, ein schwerer Mann in einer Strickjacke, die Brille am Bändchen. Seit vier Stunden reden sie jetzt nun.
>Grottian ist Professor für Politik, er ist einer der wenigen, die verstehen, worin der Skandal besteht. Aber er will, dass es alle verstehen, egal wie lange es dauert. Sie sind die Initiative gegen den Bankenskandal. Sie sind seine Mannschaft.
>Die Initiative gründete sich im Sommer 2002, einige Zeit, nachdem sich Berlin dazu entschlossen hatte, für die Verluste aus dem Immobiliengeschäft seiner Bank einzustehen.
>Eine ihrer ersten Aktionen war ein Spaziergang durch Grunewald, zu den Villen der Bankvorstände. Fast 1000 Menschen standen damals vor dem Haus von Klaus Landowsky.
>Vor Monaten starteten sie ein Volksbegehren für die Insolvenz der Bank, weil sie glauben, dass das für Berlin billiger wird, als für Verluste zu haften. Aber der Senat wies die 37.000 Unterschriften ab, weil sich das Begehren auf den Haushalt auswirke, und das dürfe es nicht. Also ziehen sie jetzt vor das Verfassungsgericht.
>„Man muss was vom Zaun brechen“, sagt Grottian, „wir haben keinen Apparat, wir müssen auch mal provozieren.“
>Grottian hat da Erfahrung. 1984 hat er an der Freien Universität, an der er lehrt, versucht, einen Beamtenstreik gegen den Nato-Doppelbeschluss vom Zaun zu brechen.
>Letztes Jahr hat er Studenten zum Schwarzfahren aufgefordert, damit das Sozialticket wieder eingeführt wird. Das ist so sein Spektrum. Seine Stelle an der Universität hat er geteilt, so bleibt ihm jedes zweite Jahr Zeit für Aktionen.
>„Man kann das für naiv halten“, sagt Grottian, „aber ich habe nicht die Sozialwissenschaftler-Pose, alles vorher zu wissen. Man kann ja erfolgreich scheitern.“
>Vor einem Monat haben sie versucht, eine Anzeige in Berliner Tageszeitungen unterzubringen. Darauf standen die Namen einiger Banker und deren Pensionen. Summen bis zu 19.000 Euro im Monat. Banker, die von ihrer eigenen Bank auf Schadensersatz verklagt worden waren. Trotzdem haben sich die Zeitungen nicht getraut, die Anzeige zu drucken.
>„Ich glaube nicht an Verschwörung“, sagt Grottian, „aber es gibt bei dem Skandal eine ökonomisch-politisch-juristisch-administrative Komplizenschaft.“
>Am Ende beschließt die Initiative, was sie zu dem Prozess vor dem Landgericht vom Zaun brechen will. Sie verabreden Transparente, Flugblätter und eine Speakers Corner. Sie rechnen mit 300 Leuten. Als der Prozess beginnt, sind 25 da.
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