- @Euklid und andere Häuserbau-Fachleute (ot) - manolo, 06.03.2004, 11:30
- Re: @Euklid und andere Häuserbau-Fachleute (ot) - Euklid, 06.03.2004, 14:03
- hmmm... mkT - igelei, 07.03.2004, 13:39
- Re: @Euklid und andere Häuserbau-Fachleute (ot) - Euklid, 06.03.2004, 14:03
@Euklid und andere Häuserbau-Fachleute (ot)
--><font size="4">Erdbebensicher - auf Lehm gebaut </font>
Kasseler Architekturprofessor schwört auf das"Material der Armen" und tritt den Theorien zur Erdbebenkatastrophe von Bam entgegen
Kassel - Mehr als 30 000 Menschenleben hat das verheerende Erdbeben gekostet, das am zweiten Weihnachtstag den Südosten Irans und die Stadt Bam erschütterte. Die für ein Beben der Stärke 6,3 ungewöhnlich hohe Opferzahl wurde vor allem mit der Bausubstanz in Bam erklärt: Fast alle Häuser bestanden aus Lehm. Gernot Minke, Architekturprofessor aus Kassel, behauptet nach zahlreichen Experimenten mit dem natürlichen Baustoff: Die Katastrophe von Bam wurde nicht durch das Material verursacht, sondern durch die Bauweise.
Seit mehr als 20 Jahren befasst sich Minke mit der erdbebensicheren Konstruktion von Lehmbauten. Die Vorzüge des Baustoffs liegen auf der Hand: Lehm ist fast überall in großen Mengen vorhanden, es ist günstig und ausgesprochen flexibel. Und an sich auch stabil, wie historische Bauten zeigen: In Jemen gibt es eine Moschee mit einem 38 Meter hohen Minarett aus Lehm sowie eine ganze Stadt mit bis zu neunstöckigen Häusern. Und ein fünfgeschossiges Lehmhaus steht seit bald 200 Jahren in Deutschland: 1828 wurde es in Weilburg an der Lahn errichtet.
In Argentinien gebe es alte Lehmhäuser, die seit drei Jahrhunderten allen Erdstößen standhielten - länger als Ziegelhäuser ringsherum, berichtet Minke. Allerdings hatten die alten Gebäude massive, dicke Mauern."So baut heute niemand mehr", sagt der Architekt. Deshalb untersucht das Forschungslabor für Experimentelles Bauen (FEB) der Uni Kassel, wie auch leichtere Lehmkonstruktionen erdbebensicher gemacht werden können. Mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit hat das FEB bereits Musterhäuser in Bolivien, Chile, Ecuador und Guatemala errichtet.
Die Grundidee: Die Lehmwände werden mit einfachen Stützelementen verstärkt. Das sind Winkel und T-förmige Bauteile, ebenfalls aus Lehm gestampft, aber dank ihrer Form wesentlich standfester als eine einfache Wand. Zusätzlich werden in die Wände Holz- oder Bambusstäbe eingezogen. Oben drauf kommen Ringbalken aus Stahlbeton oder Holz.
Das Dach wird nicht auf die Mauern aufgelegt, sondern auf Stelzen, die mindestens einen halben Meter von der Wand entfernt stehen."Bei einem Erdbeben hat das Dach eine andere Schwingungsfrequenz als die Wand", erklärt Minke. Ein fest mit den Mauern verbundenes Dach würde also zusätzlich an den Wänden zerren - durch die Stelzenkonstruktion können die Baukörper unabhängig von einander schwingen.
Um die Spannungen noch weiter zu reduzieren, wurden in die Musterhäuser Sollbruchstellen eingebaut: Zwischen einzelnen Wandelementen wurde eine zwei Zentimeter breite Fuge gelassen und mit elastischerem Lehm verschmiert. Im Falle eines Erdbebens sollte die Wand dann an dieser schwachen, aber leicht zu reparierenden Stelle brechen und damit schlimmeren Schaden abwenden."Wie die Knautschzone beim Auto", sagt der Wissenschaftler.
Das von Minke 1978 errichtete Musterhaus in Guatemala überstand seinen Erdbebentest, noch ehe es fertig war: Während der Bauarbeiten brachte ein Erdstoß die Wand einer nahe gelegenen Kirche zum Einsturz. Die Wände des noch nicht überdachten Lehmhauses hätten um zehn Zentimeter hin- und hergeschwankt, aber gehalten, berichtet Minke.
Dennoch blieb das Projekt, das der Architekt im Rahmen einer Gastprofessur zusammen mit guatemaltekischen Studenten durchführte, bislang ohne Nachahmer. Es sei immer das gleiche Problem, sagt Minke:"Alle waren begeistert, aber den lokalen Architekten waren wir zu billig." Die Materialkosten für ein Lehmhaus mit 52 qm Wohnraum beliefen sich auf 500 bis 600 Dollar.
Auch in anderen Entwicklungsländern sei es schwierig, Unterstützer zu finden:"Lehm gilt dort als Material der Armen." Rund um die Andenstadt Mendoza in Argentinien sei der Baustoff offiziell sogar verboten, 80 Prozent der Bevölkerung benutzten ihn aber trotzdem, weil sie sich nichts anderes leisten könnten - nur eben ohne professionelle Unterstützung.
In Deutschland dagegen ist Minke mit Lehmbauten erfolgreich: Aus Gesundheits- und Umweltschutzgründen interessieren sich immer mehr Menschen für den atmungsaktiven Lehm, der ein trockenes Raumklima verhindert und damit Erkältungskrankheiten und Allergien vorbeugt. Der Architekt selbst wohnt in einem von begrünten Kuppeln überwölbten Lehmhaus. Von seinem"Lehmbau-Handbuch" wurden bereits 18 000 Exemplare verkauft.
Ob seine Dienste auch in Iran erwünscht sind, weiß der Professor noch nicht. Nach dem Erdbeben in Bam bot er zusammen mit zwei Kollegen dem zuständigen Ministerium an, Workshops zum erdbebensicheren Bauen zu geben - auf die Antwort wartet er noch. [b]AP

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