- Die Mängeliste der neuen Beitrittsländer: Es gibt"Blaue Briefe" von der EU - Luigi Avanti, 11.03.2004, 10:02
Die Mängeliste der neuen Beitrittsländer: Es gibt"Blaue Briefe" von der EU
-->guten Tag,
ich habe gestern folgenden Bericht aufgegabelt, der sich m.E. lohnt,hier wiedergegeben zu werden.Quelle: WELT am Mittwoch.
L.A.
<font size="5">Die Mängelliste</font>
Das EU-Parlament legt den Bericht zur Lage in den Beitrittsländern vor
Brüssel - Am 1. Mai erhöht sich die Zahl der Einwohner in der Europäischen Union um 75 Millionen - obwohl die zehn Beitrittsländer dann aber 20 Prozent der EU-Bevölkerung stellen, erwirtschaften sie nur fünf Prozent der Wirtschaftsleistung.
Ã-konomen erwarten, dass die EU-Debütanten zum Teil Jahrzehnte benötigen werden, um den Lebensstandard der EU heute zu erreichen.
Doch auf dem Weg zu den EU-Standards gibt es noch eine Reihe anderer, gravierender Hindernisse: Das Europäische Parlament in Straßburg will an diesem Mittwoch eine Mängelliste vorlegen, die der WELT vorliegt. Ganz oben steht dabei die Bekämpfung der Korruption in mehreren Beitrittsländern sowie massive Probleme bei der Lebensmittelsicherheit.
"Mit Bedauern" stellt das Parlament fest, dass es noch immer"große ungelöste Probleme" bei der Angleichung an das EU-Rechtssystem gibt. So seien viele Verwaltungen der Beitrittsländer noch nicht in der Lage, eine"korrekte Durchführung des EU-Rechts" sicherzustellen; das bedeute unter anderem, dass Agrarbeihilfen in diesen Staaten nicht ausgezahlt werden könnten.
Zu dem gebe die weit verbreitete Korruption im öffentlichen Sektor Anlass zu"ernsthafter Besorgnis". Dieses Problem treffe vor allem auf Lettland, Litauen, Ungarn, Polen und die Slowakei zu. Bestechung führe in einigen Ländern zu einem"Prestigeverlust der politischen Klasse" sowie zu"sozialem Unbehagen" in der Bevölkerung.
Erhebliche Bedenken haben die Parlamentarier auch in Hinblick auf die Sicherheit von Lebensmittel, die von den neuen in die alten EU-Länder importiert werden. So existierten"anhaltende Mängel" bei den tierärztlichen Kontrollen. Nur geringere Fortschritte seien etwa im Veterinärrecht zu sehen - besonders bei der BSE-Risikoprävention und bei der Entsorgung tierischer Abfälle. Bei der direkten oder lokalen Vermarktung müssten die Hygienevorschriften, die in der EU gelten, angewendet werden, was bisher häufig nicht so sei.
Erst kürzlich hatte auch EU-Verbraucherkommissar David Byrne deutlich auf diese Missstände hingewiesen. Das Parlament unterstreicht in seiner Vorlage, dass die Einfuhr von Lebensmittel von der EU-Kommission notfalls gestoppt werden könne, sollte die Sicherheit der Nahrungsmittel gefährdet sein.
In seinem Bericht geht das Parlament auch auf große Probleme in einzelnen Ländern ein: Die tschechische Regierung fordern die Parlamentarier auf, den"besorgniserregenden" Menschen- und Kinderhandel an der deutsch-tschechischen Grenze wirksam zu bekämpfen. Auch in Lettland sei der Menschenhandel eine Bedrohung; das Thema werde von der Regierung nur mit"niedriger Priorität" bekämpft. Korruption sei in Lettland sogar derart verbreitet, das das"Erscheinungsbild des Staates im Ausland und das Vertrauen im Inland weiterhin eingetrübt" sei.
Bestechung ist nach Ansicht der Parlamentarier auch in Ungarn ein großes Problem: die Regierung müsse die Machenschaften und die Veruntreuung öffentlichen Geldes wirksamer bekämpfen.
Soziale Probleme macht das Europäische Parlament etwa in Estland aus - dort müsse das EU-Recht bei der Gleichbehandlung von Frauen und Männern"unverzüglich" umgesetzt werden. In Zypern - das hofft, sich wiederzuvereinigen und den Beitritt bis zum 1. Mai noch zu schaffen - kritisieren die Abgeordneten die"Einschüchterung der Presse" und fordern das Land auf, die Sicherheit der Journalisten herzustellen.
Auch die Subventionspraxis nimmt das Parlament ins Visier. Indirekt spricht es die Beihilfen für die Stahlindustrie in Polen an. Die Slowakei wird aufgefordert, die Stahlsubventionen zu verringern. Wie es in Brüssel ergänzend heißt, stellen slowakische Stahlwerke weitaus mehr Stahl her, als sie es der Vereinbarung mit der Kommission entsprechend dürften. Derzeit erwägt Brüssel sogar ein Beihilfeverfahren gegen das Land, wenn es am 1. Mai der EU beitritt.
Den Beitrittsländern droht auch an anderer Stelle ein Streit mit der Europäischen Kommission. Eine Reihe von Ländern überschreitet bei der Neuverschuldung die im Stabilitätspakt vereinbarte Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Noch im Mai sollen die EU-Neulinge Berichte über ihre Budgets vorlegen. Beobachter glauben indes nicht daran, dass die Kommission die Beitrittsländer mit einem Defizitverfahren belegen wird. Erst wenn ein Land auf Dauer keine Anstrengung zur Konsolidierung vorweist, könnte es zu einer entsprechenden Klage durch Währungskommissar Pedro Solbes kommen. Zuvor werde es allerdings"Blaue Briefe" geben.
Solange die Länder die Kriterien des Vertrages von Maastricht nicht erfüllen, können sie auch nicht der Euro-Zone beitreten. Ã-konomen glauben, dass noch mehrere Jahre vergehen werden, bis eines der Beitrittsländer den Euro einführen kann. Frühestens 2007 könnten die ersten Länder der Euro-Zone angehören; nach Ansicht von Volkswirten gehören die drei baltischen Republiken sowie Slowenien derzeit zu den aussichtsreichsten Kandidaten.
Erst 2009 stünden Ungarn und voraussichtlich Slowenien an. Polen und Tschechien wird frühestens für 2010 Hoffnung gemacht.
Die Europäische Zentralbank (EZB) will von Fall zu Fall entscheiden, ob ein Land reif für die Gemeinschaftswährung ist. Erst am Wochenende hatte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet erklärt, dass alte wie neue Länder an den Stabilitätspakt gebunden seien, und dass dieser weder gelockert, noch um zusätzliche Kriterien erweitert werde.
Ein Überblick der Beitrittsländer in kompremierter Form
Polen
Mit einer Arbeitslosenquote von 20 Prozent ist Polen das Schlusslicht in der erweiterten EU. Trotz starken Exportwachstums und wirtschaftlicher Erholung entstanden kaum neue Jobs. 2004 und 2005 soll die Wirtschaft um jeweils vier Prozent wachsen - angekurbelt durch starken Handel, steigenden Konsum und zunehmende Produktivität. Ã-konomen des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsforschung (WIIW) sagen, die Voraussetzungen - niedrige Zinsen, ein funktionierendes Bankensystem - seien gut. Sie bemängeln den administrativen Nachholbedarf.
Tschechien
Das Bruttoinlandsprodukt des Landes ist in der zweiten Hälfte 2003 bereits kontinuierlich gewachsen. Ã-konomen rechnen damit, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um mehr als drei Prozent, 2005 um bis zu vier Prozent wachsen könnte. Tschechien wird eine steigende internationale Wettbewerbsfähigkeit bescheinigt; die Arbeitslosenquote ist mit 8,1 Prozent im Vergleich zu anderen Beitrittsländern vergleichsweise gering. Die Inflationsrate liegt nahe Null, dürfte aber in diesem Jahr leicht ansteigen. Tschechien will bis zum Jahr 2010 den Euro einführen.
Ungarn
Das Land ist auf dem Wachstumspfad: 2004 soll die Wirtschaft um 3,3 und 2005 um 3,9 Prozent wachsen. Mit acht Prozent ist die Arbeitslosenquote moderat, allerdings ist die Inflation mit geschätzten 6,5 Prozent relativ hoch. Sorgen bereitet europäischen Ã-konomen die Schwäche der Währung, dem Forint. Verfolge Ungarns sozial-liberale Regierung nicht die gleiche wachstumsfördernde Wirtschaftspolitik wie ihre Vorgänger, sei die Konjunktur und das Vertrauen der Märkte gefährdet, heißt es. Ungarn will 2009 den Euro einführen.
Estland
Das Land steuert einen stabilen Wachstumskurs - das Bruttoinlandsprodukt dürfte in diesem Jahr um 5,0 und 2005 um 5,5 Prozent steigen, sagen die Konjunkturforscher vom RWI in Essen. Die Arbeitslosenquote könnte im gleichen Zeitraum von derzeit 11,0 auf dann 9,6 Prozent sinken. Ursache für diese Entwicklung sind zahlreiche ausländische Direktinvestitionen. Ã-konomen zeigen sich zwar über das derzeitige Leistungsbilanzdefizit besorgt, sind aber zuversichtlich, dass die Regierung dieses Problem mit einer restriktiveren Steuerpolitik angehen wird.
Lettland
Lettland hat vor allem mit einem gravierenden regionalen Gefälle bei der Arbeitslosigkeit zu kämpfen, gerade auf dem Land sind viele Menschen ohne Beschäftigung. In der landesweiten Statistik taucht dieses Problem nicht auf - die Quote soll von derzeit 12,0 auf 11,5 Prozent im kommenden Jahr sinken. Von den starken Wirtschaftswachstumsraten, allein 2003 waren es 7,4 Prozent, wird sich Lettland wohl verabschieden. Das RWI rechnet aber immer noch mit 5,5 Prozent in diesem und 5,8 Prozent im kommenden Jahr.
Slowenien
Nach einem durchschnittlichen Wachstum von 3,8 Prozent in den vergangenen fünf Jahren ist die Wirtschaft des Landes 2003 nur noch um 2,2 Prozent gestiegen. Die Industrieproduktion stagniert, der Handel verläuft schleppend; Slowenien importiert mehr, als es ausführt. Volkswirte rechnen damit, dass die Schwächephase noch eine Weile anhält - sie erwarten ein Wachstum von 3,4 (2004) und 3,5 Prozent (2005). Am Arbeitsmarkt soll der positive Trend weitergehen, die Arbeitslosenquote im kommenden Jahr von 6,3 auf 6,0 Prozent sinken.
Slowakei
Das Land gilt mit seinen Reformen als eines der fortschrittlichsten der EU-Debütanten. Die Wirtschaft soll um 4,0 Prozent (2004) und 5,0 Prozent (2005) wachsen. Derzeit stagniert allerdings die private Nachfrage, außerdem ist die Arbeitslosigkeit mit einer Quote von 14 Prozent relativ hoch. Die Slowakei hat ein ehrgeiziges Ziel: Sie will schon 2008 den Euro einführen. Um dies zu erreichen, muss das Land sein öffentliches Defizit noch deutlich senken - die Quote liegt derzeit bei 5,0 Prozent und wird in diesem Jahr nach Ansicht von Experten eher steigen als sinken.
Malta und Zypern
Die Mittelmeer-Insel Malta wird mit 400 000 Einwohnern das kleinste Land der EU sein. Mit einem Wachstum von 0,7 Prozent bildete das Land nach Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat im vergangenen Jahr das Schlusslicht der Gemeinschaft; 2004 soll die Wirtschaft aber dann schon um 2,8 und 2005 sogar um 3,4 Prozent wachsen. Derzeit beträgt die Arbeitslosenquote 8,2 Prozent. In Zypern wird die Wirtschaft in diesem Jahr vermutlich um 3,4 Prozent wachsen. Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass das Bruttoinlandsprodukt im kommenden Jahr um weitere 3,8 Prozent zulegen wird. Die Arbeitslosigkeit Zyperns ist im EU-Vergleich niedrig. Sie beträgt derzeit 4,4 Prozent
Litauen
Litauen war einst das Beitrittsland mit der langsamsten wirtschaftlichen Entwicklung; nun gehört es zu den dynamischsten. So legte das Bruttoinlandsprodukt allein im ersten Quartal 2003 um 9,4 Prozent zu. Im Gesamtjahr wuchs die Wirtschaft um 8,1 Prozent. Dieser Boom kühlt sich zwar ab, doch noch immer erwarten Volkswirte 2004 und 2005 jeweils 6,5 Prozent Zuwachs. Auch Litauen profitiert von ausländischen Investitionen, hat aber mit einer relativ hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen: Die Rate soll von heute 11,5 Prozent bis zum kommenden Jahr auf 10,3 Prozent leicht abnehmen
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