- Siemens (Spiegel): Zu blöd zum Bau von Straßenbahnen? - LenzHannover, 16.03.2004, 03:35
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Siemens (Spiegel): Zu blöd zum Bau von Straßenbahnen?
-->SPIEGEL ONLINE - 15. März 2004, 20:12
Risse im Dach, Siemens legt weltweit Straßenbahnen lahm
In mehreren Straßenbahn-Wagons des Siemens-Konzerns sind verdächtige Risse aufgetaucht. Siemens rät inzwischen Kunden weltweit, ältere Trams stillzulegen. In Potsdam gilt schon ein Notfahrplan - und der Lokalpolitiker rufen nach Schadenersatz.
München/Potsdam - Nachdem bekannt geworden war, dass einige Abteilwagen der von Siemens hergestellten"Combino"-Straßenbahnen Risse im Dach aufwiesen, teste der Konzern die Modelltypen"bereits seit Anfang Januar sehr eingehend", bestätigte eine Siemens-Sprecherin auf Nachfrage am Montag.
Die Tests hätten ergeben, dass"bei bestimmten Abnutzungserscheinungen ein Szenario eintreten könnte, dessen Folgen wir nicht mehr exakt vorausberechnen konnten", so die Sprecherin. Bei Kollisionen ließe sich nicht mehr einwandfrei vorhersagen, wie betroffene Waggons reagieren. Die Konsequenz sei eine"für beide Seiten sehr unangenehme Situation", so Siemens weiter.
Von Amsterdam über Hiroshima bis Melbourne
Von der Stillegungs-Empfehlung sind hauptsächlich deutsche Städte betroffen. Die Fahrzeuge wurden auch in Deutschland gebaut. Der Combino war im vergangenen Jahr dem Unternehmen zufolge mit mehr als 600 bestellten Fahrzeugen die erfolgreichste modulare Niederflurstraßenbahn der Welt. 17 Städte auf drei Kontinenten setzten den Combino ein, darunter Amsterdam, Erfurt, Hiroshima, Melbourne, Bern und Basel.
Die Entscheidung, ob die Straßenbahnbetreiber ihre Combino-Züge tatsächlich aus dem Netz nehmen oder nicht, obliege ihnen. Siemens empfiehlt dies aber für Fahrzeuge mit Laufleistungen oberhalb von 120.000 Kilometern. Obwohl die Züge nach DIN-Norm gefertigt waren und die Rissschäden von Siemens als"nicht sicherheitsrelevant" eingestuft wurden, habe man"alle Kunden" informiert - bereits am vergangenen Freitag. Bisher sei kein einziger Fall von Gefährdung in der Praxis aufgetreten. Mobile Prüfteams von Siemens seien vor Ort, um mögliche Schäden zu überprüfen.
Potsdam:"Werden alle Kosten weiterleiten"
Wie hoch die Kosten für die Prüf- und möglicherweise die Reparaturaktionen ausfallen könnten, sei noch nicht berechnet worden, hießt es vom Konzern. Zurzeit gehe es vordringlich darum,"das Problem schnell in den Griff zu bekommen."
Die Stadt Potsdam hat nach der Rückrufaktion bereits Schadenersatzforderungen an Siemens angekündigt."Wir werden alle entstehenden Kosten, beispielsweise für zusätzliche Busse und Instandsetzungsarbeiten in Nachtschichten genau auflisten und an den Konzern weiterleiten", sagte der Finanzbeigeordnete Burkhard Exner der Nachrichtenagentur dpa.
Der Verkehrsbetrieb Potsdam (ViP) haben alle 16 Combino-Trams aus dem Verkehr genommen und einen Notfahrplan erstellt. Es könne nicht angehen, dass Straßenbahnen geliefert worden sind, die bei einer Laufleistung von über 120.000 Kilometern nicht funktionsfähig seien, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) dem Sender Antenne Brandenburg. Er wollte rechtliche Schritte nicht ausschließen.
Hilferuf nach Berlin
Laut Exner, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der ViP ist, geht es vorrangig darum, den Fahrplan im vollen Umfang wieder zu erfüllen."Wir eruieren derzeit, wo wir zusätzliche Straßenbahnen her bekommen." Eine Variante wären die Berliner Verkehrsbetriebe."Aber der Einsatz von Trams aus Berlin kann nicht von heute auf morgen erfolgen, weil Umrüstungen erforderlich sind", so Exner.
"Die Fahrgäste müssen derzeit mit volleren Bahnen und Verspätungen rechnen", bedauerte ViP-Geschäftsführer Martin Weis, nach dessen Worten Siemens in jedem Fall für die finanziellen Schäden aufkommen muss.
Kann das Alu-Dach auf Fahrgäste stürzen?
Hintergrund für die Rückrufaktion sind nach Siemens-Darstellung"Zweifel an der Dauerfestigkeit des Wagenkastens". Nach Presseberichten besteht die Gefahr, dass das Aluminiumdach reißen und auf die Fahrgäste stürzen könnte. Dazu konnte Weis keine Angaben machen."Ob eine reale Gefahr bestand, wissen wir noch nicht." Als Skandal bezeichnete Potsdams CDU-Vorsitzender Wieland Niekisch die Rückrufaktion. Die Verantwortung für dieses"technische und sicher auch finanzielle Fiasko" müsse konkret geklärt werden.
Nach Auskunft von Weis sind am Montag zu Beginn des Berufsverkehrs elf Fahrten ausgefallen, die Straßenbahnen seien bis zu 140 Prozent besetzt gewesen."Von Chaos im Nahverkehr kann aber keine Rede sein."
Während sonst 32 von insgesamt 43 zur Verfügung stehenden Trams - neben Combinos auch Tatras - in Potsdam im Einsatz seien, sind es laut Weis derzeit 27. Allerdings:"Damit sind alle Bahnen unterwegs. Reserven haben wir keine, Instandsetzungsarbeiten wären nicht möglich." Potsdam verfügt laut ViP über ein Liniennetz von 30 Kilometern.
Zweifel an der Vergabepraxis
Der Kauf der Combino-Straßenbahnen hatte seinerzeit für viel Wirbel gesorgt. So soll die Stadt Potsdam gegen geltendes Vergaberecht verstoßen haben, indem sie Kritikern zufolge bei der Bestellung 1996 den Anbieter Siemens einseitig bevorteilte. Damals ging es um die Lieferung von 48 Straßenbahnen bis 2008 im Wert von rund 150 Millionen Mark.
Schon am Freitag hatten die Basler Verkehrs-Betriebe (BVB) mitgeteilt, die gesamte Flotte der 28 Basler Combino-Niederflurbahnen aus technischen Gründen still legen zu wollen. Im vergangenen Sommer waren an den Combino-Trams der BVB im Bereich der Portalbögen zwischen den einzelnen Fahrzeugteilen Risse aufgetreten. Diese wurden im Rahmen der Garantie repariert - auf Kosten von Siemens.
<ul> ~ http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,290776,00.html ">Diesmal war Euklid nicht schneller:-)</ul>

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