- @Theo Stuss: Chasaren - JeFra, 20.03.2004, 08:45
- Re: Jiddisch stammt von der Mosel her - Theo Stuss, 20.03.2004, 09:06
- Re: Jiddisch stammt von der Mosel her - JeFra, 20.03.2004, 10:19
- Re: Wir wissen doch fast nichts von diesen Chasaren - Theo Stuss, 20.03.2004, 12:23
- Re: Wir wissen doch fast nichts von diesen Chasaren - JeFra, 20.03.2004, 15:48
- Re: Man dem Problem nur durch genetische Analysen beikommen,... - Theo Stuss, 20.03.2004, 16:04
- Re: Man dem Problem nur durch genetische Analysen beikommen,... - JeFra, 21.03.2004, 08:31
- Re: Wir wissen doch fast nichts von diesen Chasaren - bernor, 20.03.2004, 18:07
- Re: Man dem Problem nur durch genetische Analysen beikommen,... - Theo Stuss, 20.03.2004, 16:04
- Re: Wir wissen doch fast nichts von diesen Chasaren - JeFra, 20.03.2004, 15:48
- Re: Wir wissen doch fast nichts von diesen Chasaren - Theo Stuss, 20.03.2004, 12:23
- Re: Jiddisch stammt von der Mosel her - JeFra, 20.03.2004, 10:19
- Re: Jiddisch stammt von der Mosel her - Theo Stuss, 20.03.2004, 09:06
Re: Jiddisch stammt von der Mosel her
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Auf jeden Fall ist Jiddisch ein deutsches Idiom mit einigen Hebraismen und Slawismen und ähnelt nach meinemOhr, das sich täuschen kann, phonetisch stark dem Luxemburgischen, was kein Zufall ist, denn beides stammt von der Mosel.
Dazu kann ich nichts sagen, weil mir dazu die Detailkenntnis der deutschen Dialekte fehlt. Ich verstehe zwar beispielsweise die plattdeutschen Nachrichten, die Sie ins Forum gestellt haben, aber könnte einen Sprecher nicht mit einiger Sicherheit einem der Dialekte zuordnen. Jedenfalls abgesehen davon, daß ich meinen eigenen thüringischen Dialekt erkenne und Bayrisch von Plattdeutsch unterscheiden kann. Koestler beruft sich für seine Betrachtungen über das Jiddische auf Mieses, der die Sprache und ihren Wortschatz anscheinend genauer untersucht hat. Ich glaube, Untersuchungen des Vokabulars sind auf jeden Fall aufschlußreicher als das allgemeine Klangbild der Sprache, daß sich ja ändern kann.
Eine wirklich starke chasarische Bevölkerungsgruppe innerhalb des Judentums hätte unweigerlich zu einem Erhalt der Sprache geführt und es nicht einzusehen, warum chasarische Juden das Jiddisch der aus Westdeutschland eingewanderten Juden übernommen haben sollen.... Das Argument hat was für sich...
Koestler erklärt sich die Übernahme eines deutschen Dialektes durch die Chasaren mit der ausgezeichneten ökonomischen Stellung der Deutschen in Polen unter Kasimir dem Großen. Was das linguistische Argument generell angeht, schreibt er noch (aaO Kapitel 7):
It is difficult to see how historians could ignore the evidence for the Khazar migration into Poland on the grounds that more than half a millennium later they speak a different language..Incidentally, the descendants of the biblical Tribes are the classic example of linguistic adaptability. First they spoke Hebrew; in the Babylonian exile, Chaldean; at the time of Jesus, Aramaic; in Alexandria, Greek; in Spain, Arabic, but later Ladino - a Spanish-Hebrew mixture, written in Hebrew characters, the Sephardi equivalent of Yiddish; and so it goes on. They preserved their religious identity, but changed languages at their convenience.
Daß die Karäer eine Ausnahme machen, erklärt er sich wie folgt:
Characteristically, the only sector among the Khazarian Jews in Poland which resisted both the spiritual and worldly temptations offered by the German language were the Karaites, who rejected both rabbinical learning and material enrichment. Thus they never took to Yiddish. According to the first all-Russian census in 1897, there were 12894 Karaite Jews living in the Tsarist Empire (which, of course, included Poland). Of these 9666 gave Turkish as their mother tongue (i.e., presumably their original Khazar dialect), 2632 spoke Russian, and only 383 spoke Yiddish..The Karaite sect, however, represents the exception rather than the rule.
Halten Sie es für richtig, daß die jüdischen Gemeinden in den Niederlanden sephardischen Ursprungs sind? Wenn ja, haben diese Juden das von Koestler erwähnte Ladino (Hebräisch-Spanische Kreolensprache) als Muttersprache bewahrt, oder sind sie nach einiger Zeit auf Niederländisch umgestiegen? Franco hat jedenfalls für die niederländischen Juden nichts unternommen, im Gegensatz zu den Ladino-Juden in Griechenland.
Ich könnte den Argumenten Koestlers noch hinzufügen, daß die Einwanderung der Chasaren nach Osteuropa in mehreren Wellen erfolgt sein soll. Außerdem ist nicht klar, inwieweit das Chasarenreich überhaupt sprachlich homogen war. Jedenfalls haben wenigstens zwei jüdische Turksprachen, nämlich das Karaimische und das Krimtschakische, bis ins 20. Jhdt überlebt, und früher gab es vielleicht mehr davon. Laut Koestler sollen manche Chasaren sich erst den Ungarn angeschlossen haben, um dann über den an Ungarn grenzenden Teil Ã-sterreichs nach Osteuropa zu ziehen. Aus allen diesen Gründen sollte man erwarten, daß die nach Osteuropa eingewanderten Chasaren stark differierende Dialekte gesprochen haben und sich vielleicht nur über das Hebräische verständigen konnten. Das dürfte die weitgehende Übernahme einer Fremdsprache mit starker sozioökonomischer Position gefördert haben, abgesehen eben von kleinen, isolierten Sekten mit relativ einheitlicher Herkunft.
... und Koestler war Journalist und Autor, aber kein Geschichtswissenschaftler.
Kann schon sein, aber es gibt offenbar Geschichtswissenschaftler, die dasselbe glauben. Man muß auch sehen, daß das Thema aus durchsichtigen politischen Gründen etwas tabuisiert zu sein scheint. Glauben Sie allen Ernstes, daß die paar westdeutschen Judengemeinden mehr Einwanderer nach Osteuropa geschickt haben als das große Chasarenreich? Wenn es stimmt, daß es größere jüdische Gemeinden nur in Worms, Mainz und Speyer gab und diese jeweils 1000-2000 Köpfe stark waren, dann wird dieser Teil Deutschlands höchstens einige tausend jüdische Einwanderer (wahrscheinlicher: nur einige 100) nach Osteuropa geschickt haben. Und aus dem zerschlagenen Chasarenreich (ein Großreich, das die gesamte Kaukasusgegend dominierte!) werden sich zehntausende, wenn nicht hunderttausende Juden nach Osteuropa gerettet haben. Oder wie sehen Sie das. Glauben Sie, daß nur ganz wenige Chasaren überlebt haben? Oder daß die überlebenden Chasaren größtenteils nicht nach Osteuropa gegangen sind?
Gruß,
JeFra

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