- @Baldur - Dein Thema - rocca, 24.03.2004, 14:18
- Re: @Baldur - Dein Thema - vergessen. Hier kömmts her - rocca, 24.03.2004, 14:22
- Das ist geronnenes gesellschaftliches Bewusstsein - Schimpfen zwecklos - kingsolomon, 24.03.2004, 15:43
@Baldur - Dein Thema
-->Ob Bürokratie, Steuern oder Bildungsmisere - Innovationsbremsen gibt es in Deutschland reichlich
Peter Kirnich
BERLIN, 23. März. Fast 2 200 Gesetze und knapp 47 000 Einzelvorschriften hat ein deutscher Unternehmer heute zu zu beachten. Ohne Hilfe von Experten ist der Paragrafendschungel nicht mehr zu durchdringen. Junge Gründer können immer seltener Kapital auftreiben. Wurde eine Technologie teuer entwickelt, fehlt nicht selten die Risikobereitschaft, sie auch in die Praxis umzusetzen. Die Zahl der Innovationsbremsen in Deutschland ist hoch. Eine kleine Auswahl:
Bürokratie: Allein die Bürokratie kostet jeden mittelständischen Betrieb im Schnitt 46 000 Euro im Jahr; der Zeitaufwand beträgt bei Unternehmen mit bis zu neun Beschäftigten 64 Stunden pro Jahr. Nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln ließen sich durch den Abbau bürokratischer Hemmnisse in den nächsten fünf bis zehn Jahren in Deutschland bis zu 300 000 neue Arbeitsplätze schaffen.
Monopole: Monopolstrukturen behindern den Wettbewerb und sind deshalb innovationsfeindlich. Noch immer gibt es in Deutschland Märkte (unter anderem Post, Schiene, Telekom, Strom- und Gasversorgung), die offen oder verdeckt monopolisiert sind, wodurch junge, innovative Firmen nicht zum Zuge kommen. Beispiel Schienenverkehr: Dort dominiert die Deutsche Bahn noch immer mit einem Marktanteil von weit über 90 Prozent. Beispiel Briefverkehr: Dort spielt die Deutsche Post noch immer eine maßgebliche Rolle.
Risikoscheu: Innovationen erfordern Experimente. Sie dürfen nicht an Tabus scheitern. Unternehmer müssen sich heute die Freiheit nehmen, Dinge zu denken, zu diskutieren und gegebenenfalls zu realisieren, die sie für Morgen und Übermorgen benötigen. Wer Risiken restlos ausschalten will, stellt die Basis jeder Innovation in Frage. In die Transrapid-Technologie wurden in den vergangenen 30 Jahren Milliarden an Steuergeldern investiert, doch bis heute gibt es noch keine kommerziell betriebene Magnetbahn in Deutschland.
Fachkräfte-Abwanderung: 15 Prozent aller promovierten Naturwissenschaftler verlassen Deutschland. Deutschlands beste Hochschule nimmt international lediglich Platz 48 ein.
Zulassungsverfahren: Innovationsstrategien erfordern Leitvisionen. Die Pharmabranche ist eine der wertschöpfungsintensivsten Branchen. In der Medizintechnik liegt Deutschland vorn, die deutsche Ernährungsforschung findet höchste internationale Beachtung. Doch das deutsche Gesundheitssystem wirkt vielfach innovationsfeindlich, die Pharmabranche verliert durch langjährige Zulassungsverfahren an Boden, die Biotechnologie gewinnt zu mühsam an Akzeptanz. Seit drei Jahren ist zudem die Umsetzung der EU-Biopatentrichtlinie in Deutschland durch die Bundesregierung überfällig.
Staatsausgaben: Gemessen am Durchschnitt in der Europäischen Union müsste die Bundesregierung drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in Forschung und Entwicklung investieren, tatsächlich sind es knapp 2,5 Prozent. Dafür wird der Steinkohlebergbau von 2006 bis 2012 mit rund 17 Milliarden Euro subventioniert.
Technologiebarrieren: Der Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist unzureichend. Im Jahre 2002 kamen 400 Patentanmeldungen beim Deutschen Patentamt aus Hochschulen. Die neu eingerichteten Patentverwertungsagenturen für die Wissenschaft können hier nur sehr begrenzt Abhilfe schaffen, indem sie Eigenerfindungen der Wissenschaft im Nachhinein vermarkten. Dringender sind Forschungskooperationen und Forschungsaufträge.
Bildungsmisere: Gute Bildung wird immer teurer. Gleichzeitig wird angesichts knapper öffentlicher Mittel auch in diesem Bereich gespart. Die Amortisation von Bildungsinvestitionen, fordern Experten, muss deshalb stärker zu einem Anliegen der Bürger selber werden. Kostenbeiträge der Studenten sollten reguläre Finanzierungsquelle der Hochschulen werden. Allerdings wird die Investition in die Bildung auf lange Zeit auch eine öffentliche Angelegenheit bleiben.
Ausbildungsinhalte: Die Berufsausbildung ist noch all zu oft an Erfordernissen der Vergangenheit anstatt an den Anforderungen von morgen orientiert. Die Berufsbilder müssen weiterentwickelt und dem Strukturwandel angepasst werden.
Kapitalmangel: Deutschland benötigt mehr Unternehmensgründungen, die auch Bestand haben. Dazu sind neben einer guten Vorbereitung der Gründer (Business Plan) ein nicht abschreckendes rechtliches und steuerliches Umfeld und neue Modelle der Risikokapitalfinanzierung nötig. Nur elf Prozent des Beteiligungskapitals von 2,6 Milliarden Euro von Mitgliedsfirmen des Bundesverbands deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften sind an Start-up-Unternehmen gegangen.
Subventionen: Langfristige staatliche Subventionen verzerren den Wettbewerb und blockieren Innovationen. Beispiele sind die Steuerbefreiung von Flugbenzin, die Subventionierung der Steinkohle, Steuerermäßigungen für Schiffs- und Agrardiesel oder auch die Steuerbegünstigung für die Atomwirtschaft durch Rückstellungen. Subventionen und Steuervergünstigungen sollte es nur als Anschub für neue Technologien geben.

gesamter Thread: