- The Daily Reckoning - Pearl Of The Adriatic (Sven Loren) - Firmian, 24.03.2004, 01:10
- Dt. Fassung - Firmian, 24.03.2004, 20:41
Dt. Fassung
-->Flirten und das Ende der Welt
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
Ich war vor ein paar Wochen mit einer Frau zum Abendessen verabredet.
Während wir uns unterhielten, bemerkte ich, dass sie Tränen in den
Augen hatte. Ich hatte ihr erklärt, warum ich damit rechne, dass wir
bald das Ende der Welt sehen werden. Normalerweise führt mein Palaver
zu höflichem Lächeln oder unhöflichem Gähnen. Es ist selten, dass
meine Zuhörer komplett zusammenbrechen. Klugerweise nehmen die Leute
das nicht ernst. Und klugerweise nehme ich selbst das nicht ernst.
Denn was macht das schon wirklich aus, wenn die Immobilienpreise um
20 % fallen würden? Würde da der Abfluss nicht mehr funktionieren?
Würde die Farbe plötzlich von den Wänden fallen? Wäre dieses Haus
weniger komfortabel oder weniger hässlich?
Und was soll es schon, wenn eine Microsoft-Aktie nur noch 10 Dollar
kosten würde (und ich denke, dass das der Fall sein wird) statt 25
Dollar? Wird die Gesellschaft weniger Geld verdienen oder weniger
Produkte verkaufen? Werden dadurch die Microsoft-Angestellten hungern
oder die Vorstandsmitglieder fett werden?
Nein. Das einzige Problem ist, dass die Leute sich Geld geliehen
haben, mit diesen Dingen als Sicherheit. Und wenn die Welt endet - ich
meine, wenn der große Kreditzyklus im Keller sein wird - dann werden
die Kredite zurückgefordert, abgeschrieben, diskontiert oder sie
werden einfach als faule Kredite in den Bilanzen stehen. Die
Vermögensanlagen, die beliehen worden sind, können sehr plötzlich im
Preis fallen, und die Leute werden sich verkehrt herum wieder finden.
Sie werden dann mehr Schulden für ihr Auto haben, als das Auto wert
ist. Die Hypotheken werden den Preis ihres Hauses übertreffen. Und
insgesamt werden ihre Schulden größer als ihr Vermögen sein.
Aber wo ist der Schaden? In meinem Buch - das bald in Deutsch
erscheinen wird - nenne ich das eine"softe Rezession". Die ist soft,
weil die Welt heute viel reicher ist, als sie es während der"harten"
Rezession der 1930er war. Die Leute in Amerika stehen heute nicht kurz
davor, hungern zu müssen. Stattdessen stehen sie kurz vor der
Fettleibigkeit. Ein bisschen"den Gürtel enger schnallen" würde ihnen
gut tun.
Und nebenbei gesagt - die Märkte sind nicht dazu da, um Kapital zu
verteilen - wie es die Ã-konomen vorgeben -, sondern dazu, um Tugenden
zu lehren. In diesem Sinne sind Bärenmärkte und Rezessionen wie der
Kater am Morgen nach einem Abend mit zuviel Alkohol. Ohne diesen Kater
würde man jeden Abend zuviel trinken.
Der Mensch, der sich übernommen hat, muss lernen... er muss lernen,
wieder eine angemessene Einstellung zu haben. Das Unternehmen, das
sich übernommen hat, muss sich wieder fangen... oder Pleite gehen.
Der Investor, der zuviel gezahlt hat, muss seinen Fehler realisieren.
Wenn es keine Periode der"Korrektur" gäbe, dann würden die Leute
nichts lernen... und sie würden die Fehler ihr ganzes Leben lang
wieder und wieder begehen.
Keine Angst, liebe(r) Leser(in)... der kommende Abschwung wird gut
sein. Aber das bedeutet nicht, dass er erfreulich sein wird.
Korrekturen sind nur nützlich, wenn sie schmerzhaft sind. Das war der
Grund, warum ich mich über die amerikanische"Rezession" des Jahres
2001 beschwert habe; sie war nicht schmerzvoll genug, um ein
wirklicher Gewinn zu sein. Die Leute lernten nichts aus ihr;
stattdessen taten sie in den USA weiterhin das, was sie auch vorher
getan hatten - sie verschuldeten sich, sogar noch rücksichtsloser als
zuvor. Dieses Mal... früher oder später... wird die fröhliche
Unbekümmertheit wahrscheinlich einer schmerzlichen Klugheit
weichen... und sich dann in reine Verzweiflung verwandeln.
Es gibt Korrekturen und Enttäuschungen... Herzen werden gebrochen...
überall im Leben.
Meine Worte gingen bei meiner Gesprächspartnerin dennoch ins eine Ohr
rein - und aus dem anderen Ohr wieder raus. Ihre feuchten Augen
wandten sich ab, und ihrem Ehemann zu... der auf der anderen Seite
des Tisches saß, in einer engagierten Konversation. Sie schien meiner
leichten Konversation nicht zu folgen; sie muss bewegendere eigene
Gedanken gehabt haben. Beschränkt wie ich bin, konnte ich nicht
herausfinden, was das für Gedanken waren.
Ihr Ehemann, ein Mann um die 50, hatte ein Gesicht wie ein Doktor aus
einer Fernsehserie... zuversichtlich und sehr schön, mit weißem Haar
und dunkler, gebräunter Haut. Er hatte eine verbindliche und
würdevolle Art, und eine Stimme, die sehr markant war. Er muss für das
weibliche Geschlecht sehr anziehend sein.
Seine Frau hingegen war im Alter nicht schöner geworden. Sie war schön
pummelig geworden... und sie sah so aus, als ob sie eine nette
Großmutter hergeben würde. Es muss lange her gewesen sein, dass ein
Mann ihr den Hof gemacht hat. Jetzt, wo ihr Ehemann mit einer
jüngeren, deutlich attraktiveren Frau flirtete, war es unmöglich, auch
mit ihr zu flirten. Sie konnte sich einfach nicht konzentrieren.
Aber Moment Mal... das ist doch meine Frau Elizabeth, mit der dieser
Typ flirtet...!
Währenddessen...
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Mittwoch, 24. März 2004
Mit Kind in einem französischen Krankenhaus
von unserem Korrespondenten Addison Wiggin in Paris
Da gibt es eine Gesellschaft in China, die Toilettenpapier
herstellt... sich dann eine IT-Tochter zulegt... und dann an die
Börse geht. Und gleich am ersten Handelstag steigt der Kurs dieser
Aktie um 97 %!
Naja, zumindest das Toilettenpapier hat einen Funktionswert. Diese
Gesellschaft trägt dazu bei, dass sich in China eine Spekulationsblase
entwickelt. Ein Leser wies mich darauf hin, dass ich auch einen
anderen Fall einer solchen"Hype-Aktie" erwähnen sollte: Am 24. Januar
2004 hat die Gesellschaft Barrington Foods International
"umstrukturiert", und sie änderte ihren Nahmen in U.S. Canadian
Minerals.
"Jetzt, wo sich ein Nahrungsmittelkonzern in eine Goldmine
verwandelte", fragt er,"sind wir da nicht schon uns selbst voraus?"
Nun, ich will antworten. Und hinzufügen, dass die Goldminenaktien
genauso volatil sein können - seit der Goldpreis die Marke von 400
Dollar überschritten hat - wie die Technologieaktien der Nasdaq. Aber
zumindest hat der zugrunde liegende Wertgegenstand, das Gold, eine
reale Qualität. Und sieht auch richtig gut aus.
Themenwechsel - ich hoffe, Sie werden mir vergeben. Denn meinen
heutigen Tag verbrachte ich mit der französischen Bürokratie. Heute
Morgen stellte ich fest, dass mein Erstgeborener nicht hören konnte.
Unnütz zu sagen, dass ich in Panik verfiel und mit ihm sofort ins
Necker-Kinderkrankenhaus fuhr. Obwohl wir da bereits schon mehrere
Male gewesen waren, bestand die Frau hinter dem Empfangsschalter
darauf, dass ich ihn nochmals registrieren müsste. Denn als sie die
Informationen eingegeben hatte, da hatte sie den Namen meines Kindes
falsch geschrieben, und eine falsche Adresse eingegeben. Wenn ich noch
einmal ins Necker-Kinderkrankenhaus muss, dann werde ich eine Liste
mit Namen mitnehmen, unter der ich mein Kind registrieren lassen kann.
Nach der Registrierung musste ich das alles noch einmal wiederholen -
an einem Schreibtisch direkt dahinter. Diese Frau hatte Sticker, die
sie direkt auf Registrierungskarten, Umschläge und andere Papierstücke
klebte... und währenddessen murmelte sie etwas vor sich hin
(wahrscheinlich war das an mich gerichtet), in einem starken
ausländischen Akzent von unbekannter Herkunft. Ich denke, sie forderte
uns dazu auf, im Warteraum Platz zu nehmen, wo jede Menge schreiender
Kinder warteten. Dort warteten wir und warteten. Und warteten.
Während wir warteten, sah ich dennoch das Genie hinter der ganzen
Organisation. Ich zählte 12 administrative Angestellte. Besonders eine
hatte den anspruchsvollen Job, Dokumente abzustempeln. Mehr tat sie
nicht. Und wenn es keine Dokumente zum Abstempeln gab, dann machte sie
sich schön, sie lackierte ihre Fingernägel und so weiter. Sie war
hübsch, deshalb regte mich das nicht auf. Bis zu diesem Augenblick
hatte ich nicht verstanden, was passierte. Aber plötzlich sah ich es:
Das ist der Grund, warum es in Paris so viele erstaunlich attraktive
Frauen gibt. Sie werden bezahlt, während sie sich schön machen können.
Als sich einer der wenigen sichtbaren Doktoren endlich die Ohren
meines Sohnes ansah, da stellte sich heraus, dass er eine
Nebenhöhlen-Entzündung hatte. Er verschrieb drei verschiedene
Dokumente, und nach insgesamt 5 Minuten war die Untersuchung beendet.
So aufschlussreich diese Szene war... und so glücklich ich war, dass
mein Sohn relativ gesund war... dieser heutige Tag war eigentlich
komplett verschwendet. Natürlich müssen Sie jetzt darunter leiden.
Denn für den Marktbericht hatte ich keine Zeit mehr.
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Mittwoch, 24. März 2004
Schulden und Terror
von unserem Korrespondenten Bill Bonner, derzeit in London
***"Was ist das Problem mit den weinerlichen amerikanischen Wählern?"
fragt Robert Kuttner im Boston Globe."Bei Umfragen sagen sie
weiterhin, dass sie denken, dass Amerika 'auf dem falschen Weg' sei.
Aber lesen die keine Statistiken? Wissen die nicht, dass die
Arbeitslosenquote bei angenehmen 5,6 % liegt, dass es fast keine
Inflation gibt und dass die Wirtschaft sehr schön wächst, mit etwa 4 %
pro Jahr?"
Ah ha... ich habe eine Antwort. Diese Zahlen lügen. Die
Inflationszahlen werden durch zahlreiche Anpassungen und Tricksereien
niedriger gehalten, als sie wirklich sind. Bildung, Gesundheit,
Immobilien - alles, was nicht aus China importiert werden kann -
steigt schneller im Preis, als das die Inflationszahlen anzeigen.
Aber das größere Problem ist, dass sich die Amerikaner immer tiefer
ins Schuldenloch eingraben, während die Wirtschaft"wächst". Sie geben
mehr aus, als sie verdienen... und für den typischen blinden Ã-konomen
sieht das wie"Wachstum" aus. Und das macht die Wähler weinerlich;
denn sie haben eine harte Zeit, während sie versuchen, mit ihrer
wachsenden Schuldenlast klarzukommen.
Kuttner bemerkt auch, dass Familien ihre Kinder viel länger finanziell
unterstützen müssen, als dies früher einmal der Fall war.
*** Die Zeitung"Village Voice" erklärt, warum auch hinter diesem
Trend Schulden stehen:
"Der durchschnittliche College-Absolvent in den USA tritt nach seinem
Abschluss nicht in eine Welt der unbegrenzten Möglichkeiten ein;
stattdessen hat er bereits Schulden von mindestens 20.000 Dollar, den
Studentenkrediten und Kreditkarten sei Dank. Und dann beginnt der
Schneeball-Effekt: Die wünschenswertesten Jobs bieten oft zu niedrige
Löhne, denn einen großen Teil des Gehalts muss der Berufsanfänger für
seine Schulden aufwenden. Und andere Jobs sind für die reserviert, die
erst einmal ein unbezahltes Praktikum absolvieren..."
"Die amerikanischen Arbeitgeber sind immer widerwilliger, wenn es um
die Übernahme von Gesundheitskosten gibt, weshalb sie lieber ein paar
Hundert Dollar im Jahr - oder sogar 2.000 Dollar oder mehr - an den
Arbeitgeber auszahlen, wenn sich dieser privat versichert. Und obwohl
es günstiger als je zuvor ist, sich ein eigenes Haus oder eine eigene
Wohnung zu leisten, (...) bleiben die Mieten in den Regionen, in
denen es die besten Jobs gibt, himmelhoch..."
"Und ihr bereits hoher Schuldenstand verhindert, dass die
Berufsanfänger die günstigsten Hypotheken erhalten, und oft enden sie
in den Fängen von nicht so guten Gläubigern. Durchschnittlich hat ein
Amerikaner, der gerade seinen Universitätsabschluss hinter sich
gebracht hat, Schulden von 45.900 Dollar; seit 1997 ist der Median
dieses Wertes um 72 % gestiegen. (Und die meisten Schulden haben
Leute, die gerade ihren Doktor gemacht haben... die stehen mit
103.855 Dollar in der Kreide). Wenn man dann noch einen kleinen
Bungalow kauft, dann hat man schnell eine Viertelmillion Dollar
Schulden - die Zinsen noch gar nicht mitgerechnet."
*** Letzte Woche war der 1. Jahrestag von Amerikas Krieg gegen den
Irak. Ist die Welt seitdem wirklich sicherer geworden, fragte ich
mich? Wenn ja, dann haben die Zeitungen das verpasst...
"Statt die USA sicherer gegenüber Angriffen zu machen... hat der
Irak-Krieg sie sogar verletzlicher gemacht, weil anti-amerikanische
Gefühle geschürt wurden und militärische Ressourcen von der Jagd nach
Al Qaeda abgezogen wurden", so der International Herald Tribune
gestern. Diese Zeitung bezog sich auf Richard Clarke, einen ehemals
hohen amerikanischen Beamten im Kampf gegen den Terrorismus, der
gerade ein neues Buch veröffentlich hat:"Against All Enemies: Inside
America's War on Terror".
Mehr als 500 Amerikaner sind im Irak-Krieg getötet worden... die
meisten von ihnen erst nachdem der Krieg offiziell beendet worden war.
Auf Seiten des Gegners sollen über 20.000 gestorben sein, laut der
französischen Zeitung"Liberation".
Vor dem Krieg kümmerte sich Saddam Hussein wie jeder Diktatur um seine
eigenen Angelegenheiten - er folterte seine Untertanen und zerstörte
seine Wirtschaft. Jetzt zerstört Amerika seine eigene Wirtschaft...
es leiht sich Milliarden Dollar, um eine"Nation zu bilden" und um
"die Frauen zu fördern", laut Thomas Friedman. Aber fast jeder Tag
bringt neue Rückschläge - Bombenanschläge, Mord, Terrorattacken. Und
was soll man laut Friedman von der New York Times erwarten? Er meint,
dass der Irakkrieg ein großes Projekt war..."revolutionär" und
erhebend, in jedem Aspekt... aber die Bush-Administration hat dieses
Projekt um den Erfolg gebracht, weil sie nicht noch mehr Truppen
geschickt hat und nicht noch mehr Geld ausgegeben hat. Friedman
glaubt, dass man viele Soldaten braucht, um eine Zivilgesellschaft
aufzubauen.
Das Problem mit dem Krieg gegen den Terror ist, dass der Feind so oft
wechselt. Zuletzt gab es einen terrormäßigen Angriff auf einen
Gelähmten - einen Mann, der so behindert war, dass er noch nicht
einmal verkehrswidrig die Straße überqueren konnte, vom Begehen eines
Mordes ganz zu schweigen. Der Mann verbrachte die letzten 55 Jahre in
einem Rollstuhl, unfähig, seine Arme oder Beine zu bewegen. Ich muss
den Prozess verpasst haben, aber die Israelis haben ihn offensichtlich
in Abwesenheit zum Tode verurteilt... und das Urteil in Gaza
vollstreckt.

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