- Warten auf den Big Bang - wie lange eigentlich? - silvereagle, 25.03.2004, 00:40
- Re: Warten auf den Big Bang - wie lange eigentlich? - Gundel, 25.03.2004, 04:50
- Re: Eigene Unsterblichkeit - netter Lapsus, oder etwa nicht?:-) (o.Text) - Pudelbirne, 25.03.2004, 05:24
- oh, Mist. Ja, hast Recht, sorry. Denk Dir das"un" einfach weg.:-) (o.Text) - Gundel, 25.03.2004, 05:43
- Re: Eigene Unsterblichkeit - netter Lapsus, oder etwa nicht?:-) (o.Text) - Pudelbirne, 25.03.2004, 05:24
- Re: Warten auf den Big Bang - wie lange eigentlich? - ausgezeichnete Gedanken - nereus, 25.03.2004, 07:56
- Re: Aufgrund solcher Beiträge schätze ich das Forum. Vielen Dank! (o.Text) - JLL, 25.03.2004, 08:36
- Manches ist durchaus eingetroffen - Yak, 25.03.2004, 13:33
- Re: Warten auf den Big Bang - wie lange eigentlich? - Gundel, 25.03.2004, 04:50
Warten auf den Big Bang - wie lange eigentlich?
-->Weltuntergangsphantasien gehören zur menschlichen Gesellschaft, wie das Salz in die Suppe. Von Martin Luther bis Bhagwan, von den Davidianern bis zu den Zeugen Jehovas: Man ist und war sich über wenig einig. Aber, dass die Welt bald untergeht, darüber bestand - und besteht - kein Zweifel.
In ähnlicher Form kann man diese lange Tradition des irrationalen Fatalismus auch heute, ja tagtäglich, wahrnehmen. Während die einen vom baldigen Umweltkollaps alp-träumen, wahlweise in der „Sahara-in-Mitteleuropa-Variante“ oder auch mit der Vorstellung einer neuen Eiszeit, sind andere davon überzeugt, dass die Wirtschaft unserer Gesellschaft in sich zusammenbrechen werde und auf ihrem Weg nach unten gleich die ganze Zivilisation mit sich reißt (letzteres allerdings nur in der „Hardcoreversion“). Wiederum andere sehen einen neuen (eigentlich alten) Riesenplaneten am Horizont auftauchen, der auf unserer Erde buchstäblich alles auf den Kopf stellen wird. Undundund...
Entwarnung?
Um dies gleich vorweg klarzustellen: Es soll nicht Aufgabe dieses Artikels sein, generelle Entwarnung zu geben. Denn schließlich besteht - wie immer - durchaus Grund zur Sorge. Natürlich läuft vieles nicht optimal. Hand aufs Herz: Was läuft überhaupt jemals optimal? Wenn wir eines mit Sicherheit sagen können, dann das: In der langen Geschichte der Menschheit hat es so was wie ein „Optimum“ niemals gegeben, und wenn doch, dann relativierte es sich sofort selbst: Nichts, wo nicht eine weitere Steigerung oder Verbesserung möglich bzw. denkbar wird, wenn der entsprechende, angestrebte Zustand erreicht wird. Oder auch - zur Abwechslung - wieder etwas völlig anderes. Etwas, das niemand vorhersah.
Aber vielleicht ist die Sache mit der Entwarnung gar nicht so verkehrt: Denn immerhin hat sich jede einzelne der bisher aufgestellten Untergangstheorien noch als völlig unhaltbar, ja geradezu völliger Nonsens herausgestellt. Man denke nur an die Prognosen über das Waldsterben oder einen kommenden globalen Atomkrieg, um zwei weitere Beispiele anzuführen, die den meisten von uns noch in Erinnerung sein sollten. Freilich: Diese Apokalypso-Szenarien traten allesamt nicht ab, ohne vorher bei nicht zu wenigen Individuen, Familien und manchmal sogar ganzen Gesellschaften beträchtlichen Schaden anzurichten. Aber halt: Den Schaden haben ja nicht die Untergangsprophetien angerichtet - es waren vielmehr die Menschen selbst, die daran glaubten. Self-fulfilling-prophecy heißt das wohl...
Gemeinsamkeiten
So unterschiedlich die jeweiligen Proponenten der jeweiligen Theorie kommenden Unheils auch sein mögen, ja, so heftig sie sich mitunter sogar verbal oder gar körperlich bekämpfen, es gibt dennoch einige exakte Parallelen zwischen ihnen. Dazu gehört wohl in aller erster Linie, dass der Untergang eine „ausgemachte Sache“ sei, dass da die „Eisenbahn drüber fährt“, und im Grunde niemand etwas dagegen machen könne. Und wenn doch, dann sind die jeweiligen „Patentrezepte“ derartig praxisfremde Kopfgeburten, dass an so was wie ihre reale Umsetzung schon von Anfang an nicht zu denken ist. Ob nun das Einstellen der meisten sogenannten CO2-Emissionen, die Einführung eines „im Überfluss vorhandenen“ neuen Geldes (welches alleine ob dieser Eigenschaft bereits völlig wertlos wäre) oder auch gleich die Abschaffung der Staaten (freilich ohne einen Hinweis, wie es danach konkret weitergehen soll), bis hin zur Empfehlung, alle Assets zu versilbern und nur noch Bargeld zu halten, am besten unter der eigenen Matratze: All diese „Lösungen“ haben gemein, dass wohl erst ihre flächendeckende Durchführung zu untergangsähnlichen Zuständen führen würde.
Eine psychologische Erklärung?
Wie bereits gesagt, scheint es sich bei diesem Phänomen keineswegs um eine moderne Erscheinung zu handeln. Und erneut Hand aufs Herz: Wer ist schon jederzeit völlig frei von einem gewissen Fatalismus, das (Un-)Wohlergehen der eigenen Umwelt betreffend? Wie einfach ist es doch, sich (eine Prise) Zuspruch und damit Anerkennung zu holen, wenn man sich zum aktuellen Zeitgeschehen mit den Worten äußert: „Da kannma halt nix machen.“ Oder „Das geht doch sowieso alles den Bach runter.“ Oder „Die werden sich noch wundern.“
Was bewegt so viele Leute, in diesen Chor des Jammerns und Lamentierens miteinzusteigen? Und sich dabei am Ende sogar noch irgendwie wohl zu fühlen?
Eine mögliche Antwort wäre, dass dies die (in den allermeisten Fällen) unbewusste Reaktion auf die (harte) Erkenntnis sein könnte, eben selbst nicht unsterblich zu sein. Eine Art Resignation ob der Gewisshaftigkeit der eigenen Unvollkommenheit? Ausfluss der bedrückenden Realisierung, dass auch die eigene Existenz eine endliche ist?
Wenn das so ist, dann wäre es doch nur „gerecht“, wenn dann auch alles andere verschwinden würde, abdanken und untergehen, auf Nimmerwiedersehen. Und dann vielleicht noch so rechtzeitig, dass man es noch selbst miterleben kann, bevor das eigene Ende naht? Wer würde es nicht reizvoll finden, den Untergang der Titanic aus der ersten Reihe und fußfrei miterleben zu dürfen?
Welchen Schuh man sich dafür anzieht, ist dann wohl völlig sekundär. Es gibt - wie bereits erwähnt - eine breite Auswahl von gängigen Modellen zur Verfügung. Tatsächlich war das Sortiment dank moderner Medien wie Internet usw. nie so reichhaltig. Da findet sich wirklich für jeden die optimale Passform, um auf der „Rolltreppe abwärts“ festen Tritt zu haben.
Ein Kontraindikator?
Wenn wir aber schon nach Theorien für den weiten Nährboden apokalyptischer Fantasien suchen, dann wäre es wohl etwas billig, sich schon mit einer einzigen möglichen Erklärung zufriedenzugeben. Schon deshalb, als monokausale Gebilde bei so komplexen, gesellschaftsübergreifenden Themen wie diesem den Schönheitsfehler haben, eben aufgrund ihres Alleingültigkeitsanspruchs schlichtweg in die Irre zu führen...
Wie bereits erwähnt, hat offenbar jede Zeit ihre gängigen Vorstellungen vom baldigen Untergang. Ja, es scheint sogar so zu sein, dass mit fortschreitendem, technischem Fortschritt (und den damit einhergehenden Problemen) sowohl Quantität als auch Qualität der Untergangstheoritis beständig zunehmen. Man könnte daraus folgern, dass sich ohne entsprechendes Problembewusstsein keine so konkreten Zukunftsängste bilden können. Paranoia hat ja bekanntlich den unbestreitbaren Vorteil, dass man sich nicht so leicht überraschen lässt. Man sieht der Gefahr ins Auge, ohne sie zu ignorieren. Das ist eine Eigenschaft, die wohl ganz wesentlich zum beständigen Überleben der Spezies Mensch beigetragen hat. Um Probleme zu lösen, muss man sich ihrer erst einmal gewiss werden. Und sie ernst nehmen.
Wenn sich also viele Menschen der gegenwärtigen Herausforderungen bewusst sind, dann werden sich wohl immer einige finden, die bereit sind, etwas zu unternehmen. Menschen, die - z.B. nach einer ersten Schockreaktion - konstruktiv tätig werden, um das Beste aus der gegebenen Situation zu machen. Für sich - und in der Folge selbstverständlich für andere, die z.B. in der Demokratie diese Menschen mit der Macht ausstatten, ihre Ideen mit entsprechender Unterstützung in die Tat umzusetzen. So schwer ist es ja nun wirklich nicht, die Signale zu vernehmen...
Um demnach endlich auf des Pudels Kern zu kommen: Vielleicht sind diese Apokalypsen-Visionen keine Krankheitsymptome einer untergehenden Spezies, sondern in Wahrheit prächtige Blüten einer Gesellschaft, die sich auf dem Höhepunkt ihrer bisherigen Entwicklung befindet - und nicht auf ihrem Niedergang. Immer mehr Menschen beschäftigen sich mit wirklich wichtigen Dingen, die um sie herum passieren - was sollte daran schlecht sein? Wer weiß, vielleicht müsste man sich viel mehr Sorgen machen, wenn alle ständig nur noch im siebten Himmel schweben würden? Ausgelassene Partystimmung allerorts würde wohl viel besser auf die Titanic passen, oder? Dann wäre die gegenwärtig zu verzeichnende Hysterie mancherorts in Wahrheit der beste Kontraindikator dafür, dass die Gesellschaft ihre Probleme nicht meistern könnte, oder gar kein Interesse daran bestünde.
Zudem ist es ein bekanntes Paradoxon, dass die Spannungen innerhalb einer Gemeinschaft (z.B. innerhalb einer Familie oder in einem Verein) umso eher zunehmen, als es den darin befindlichen Personen (materiell) äußerst gut geht. Denn geht’s der Familie schlecht, hat man sozusagen ein gemeinsames, schweres Problem zu bewältigen, dann halten alle zusammen und stehen füreinander ein, ohne dass es dazu großer Führungsgeschicke bedürfte... Übertragen auf eine Gesellschaft heißt das, dass nicht etwa wirtschaftliches Siechtum der einzige materielle Grund zum Auswandern sein muss. Es kann auch das ziemlich genaue Gegenteil sein. Wer könnte ernsthaft behaupten, dass es den Menschen z.B. in der BRD heute insgesamt schlechter ginge als etwa 1980 oder 1990? Auf der anderen Seite war 1945 Auswanderung praktisch für niemanden ein großes Thema, obwohl wirklich aller (materieller) Grund dafür gegeben war. Der Krieg hatte zusammengeschweißt, und wer wollte da schon der Heimat den Rücken kehren?
Fazit
Wie man es auch dreht und wendet, bei Lichte betrachtet besteht kein Grund zu voreiligem Gehorsam einer Geschichte gegenüber, die noch gar nicht geschrieben wurde. Das (persönliche) Ende ist für die allermeisten von uns noch in weiter Ferne, es gibt bis dahin noch so viel zu erleben, das man nicht missen oder leichtfertig aufs Spiel setzen sollte. Natürlich muss auch Platz vorhanden sein, sich selbst gegenseitig das Leben schwer zu machen und den jeweils Anderen einen schmerzvollen Untergang zu prophezeien, aber man kann es auch übertreiben. Und selbstverständlich kann man es auch ganz, ganz anders machen...
Lösungen müssen aus dem Inneren kommen, um auch wirklich zu passen. Ebenso entwickelt sich der Ausweg erst im und durch das Labyrinth selbst. Also gewissermaßen die Kraft, die zwar gerne mal das Böse will, aber dann doch das Gute schafft...
Morgen ist ein neuer Tag.
Gruß, silvereagle

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