- Immer wieder neu, immer wieder gut: WAS IST DER ZINS? - Lullaby, 19.11.2000, 17:59
- Re: Immer wieder neu, immer wieder gut: WAS IST DER ZINS? - Utopia, 19.11.2000, 21:24
- Re: Wieso nicht perfekt?- - Georg, 19.11.2000, 23:30
- Bisch jetzt au undr die Käpsele ganga? Heilix Blächle! Et schlecht! (owT) - Rumpelstilzchen, 19.11.2000, 22:36
- Re: Bisch jetzt au undr die Käpsele ganga? Ja, bin ubiquitär ;-) (owT) - Lullaby, 19.11.2000, 22:46
- Einige kleine Antworten - HG, 20.11.2000, 09:26
- Re: Einige kleine Antworten - Ja, Zins ist n i e m a l s"Preis" für Geld! - dottore, 20.11.2000, 13:53
- WAS IST DER ZINS? - eine vorweggenommene Strafe? - Hardy, 20.11.2000, 10:02
- Re: Immer wieder neu, immer wieder gut: WAS IST DER ZINS? - Utopia, 19.11.2000, 21:24
Immer wieder neu, immer wieder gut: WAS IST DER ZINS?
1. In den Standardlehrbüchern der Ã-konomie wird der Zins als"Preis" für Geld und/oder Kapital definiert. Das ist Unfug, da ich mir
mit dem Zins ja kein Geld oder Kapital"kaufe".
2. Geld und/oder Kapital gibt es nicht netto. Beides ist zweimal verbucht. Angefangen vom Bargeld, das die Notenbank ausgibt (dort
als Passivposten verbucht) bis hin zur Staatsverschuldung, die bei den Bürgern bekanntlich ein Aktivposten ist (Bunds, Bonds usw.).
So dass man sagen kann: Je höher die öffentlichen Schulden, umso reicher das Land. Jedenfalls seine Bürger.
3. Heute ergibt sich der Zins (die Sätze der Notenbanken ausgenommen) durch Angebot und Nachfrage nach bereits umlaufenden
(vorhandenen) Titeln. Will keiner mehr Bonds haben, fällt ihr Kurs, entsprechend steigt die Rendite und entsprechend steigt auch der
Zins, den ein Kreditnehmer für fresh money bieten muss, um es zu bekommen.
4. Aber warum gibt es den Zins überhaupt? Der Zins setzt das Kontrahieren eines Schuldverhätnisses voraus. Ohne Schulden also kein
Zins. Jede Zinserklärung muss also tief zurückgehen in die Geschichte und die Frage beantworten, warum es überhaupt zur
Kontrahierung von Schuldverhältnissen gekommen ist.
5. Was lehrt uns die Geschichte? Die ersten Kontrakte sind als Warenschulden überliefert (babylonische Tontafeln usw.). Wie kommt
es zu Warenschulden? Weil der Kreditnehmer die Ware nicht hat, der Kreditgeber sie aber hat und sich davon trennen kann. Trennt er
sich nicht von der Ware, kommt es zu keinem Kontrakt - egal wie laut der potentielle Kreditnehmer jammert.
6. Würde sich der Kreditnehmer von seiner Ware trennen, wenn er ein Risiko befürchten müsste, sie nicht wiederzusehen? NEIN. Der
Zins kann niemals eine Risikoprämie sein. Denn entweder ich bin sicher, die Ware zurückzuerhalten oder ich habe Sicherheiten, die
mich beim Ausfall der Rückzahlung (-lieferung) entschädigen würden. Daher erscheint in der Geschichte mit dem Zins immer ein
Eigentumstitel, der mir überschrieben wird, als Sicherheit.
7. Solche Sicherheiten sind historisch Eigentum an Grund und Boden oder an Menschen (die berüchtigte Schuldknechtschaft, siehe
Bibel, das Buch NEHEMIAH). Zins setzt also nicht nur Schulden, sondern auch Eigentum voraus. Beides entsteht gleichzeitig (wie
Heinsohn/Steiger in ihrem großen Werk detailliert beschrieben haben).
8. Wie erklären wir die Höhe des Zinses? Die einzige Erklärung, die ich - für den historischen Start-up - gefunden habe ist die:
Mann A hat in Periode t eine Mißernte und braucht dringend Saatgetreide, um in Periode t + 1 weiterleben zu können. Mann B hat
Saatgetreide, das er abgeben könnte. Warum gibt er es A nicht unverzinslich? Ganz einfach: Weil sich der Preis für Saatgetreide in t +
1 verändert haben wird, und zwar nach unten. Denn A wird in t + 1 eine gute Ernte einfahren, wie alle anderen auch, das Getreide ist
nicht mehr so knapp wie in t, also billiger.
Wir rechnen: In t besteht ein Verhältnis 1 Sack Getreide = 100 Shekel. In Periode t + 1 lautet es 1 Sack = 80 Shekel. Damit B für
diesen Preisverfall (Überschuss-Situation) entschädigt wird, muss er 20 Shekel als Zusatzleistung ("Zins") einfordern. Das wird jeder
verstehen, denn warum sollte er sich durch den Leihvorgang verschlechtern? Er will post festum nur gleich gut dastehen wie ante.
Wer die Warenmärkte betrachtet, sieht (z.B. Schweinezyklus) immer wieder dieses Auf und Ab der Preise.
Dies alles erklärt auch das Phänomen: Hohe Preise = hohe Zinsen. Da es keinen"Zins" als solchen gibt, ist der hohe"Preis für Geld"
nichts anderes als der Ausgleich für den alsbald wieder sinkenden Preis für Waren, um die es immer und letztlich geht.
Und nie vergessen: Niemand leiht sich Geld, um es sich anzuschauen, sondern um es auszugeben - entweder um Schulden abzulösen
(die sich ihrerseits auf Waren- bzw. Konsumvorgänge) zurückführen lassen oder um sich gleich eine Ware zu besorgen.
Könnten alle Menschen unendlich lange warten, gäbe es keinen Zins, auch klar. Der Zins ist also nur ein Ausgleich für
unterschiedliche zeitliche Präferenzen: der eine braucht etwas sofort, der andere später. Wer es sofort braucht, muss den anderen
aber dafür entschädigen, dass er später etwas zurückerhält (Tilgung), was dann weniger wert sein könnte oder nach aller Erfahrung
tatsächlich ist (gemessen in anderen Waren, incl. Edelmetall, woraus denn Münzen wurden usw. usw.).
Das derzeit zu beobachtende allgemeine Hocbbuchen von Schulden / Guthaben ist ein völlig anderes Thema, das nichts mit dem Zins,
sondern damit zu tun hat, dass Schulden nicht mehr vollstreckt werden (können) und man sie deshalb einfach e-funktional in die Höhe
schiessen lässt.
Dass diese Schulden und damit die gleich hohen Guthaben crashen werden, ist selbstverständlich und wir sollten uns schon jetzt warm
anziehen - denn die dann folgende deflationäre Depression wird ungeheuerlich werden (historische Beispiele kann ich zu Dutzenden
liefern, angefangen bei den alten Ägyptern, wo die Menschen sogar die Mumien ihrer Vorfahren verfändeten, um sich Liquidität zu
beschaffen).
Hat was. Gell?
Gruß
L. (das inzwischen zum großen Vowi-Crack heranreift und noch viele überraschen wird)
<center>
<HR>
</center>

gesamter Thread: