- Immer mehr EU-Staaten in der Schuldenfalle - tuni, 28.04.2004, 17:50
Immer mehr EU-Staaten in der Schuldenfalle
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http://www.nzz.ch/2004/04/28/wi/page-newzzDTLELXON-12.html
Wegen übermässiger Neuverschuldung leitete die EU-Kommission in Brüssel am Mittwoch Defizitverfahren gegen die Niederlande und Grossbritannien ein. Italien soll einen «Blauen Brief» erhalten, der vor der Verletzung des Euro-Stabilitätspakts warnt. Vor dem Europäischen Gerichtshof wird unterdessen die Klage der EU-Kommission wegen der Schonung Deutschlands und Frankreichs verhandelt.
(ap) Nach jahrelanger wirtschaftlicher Stagnation tappen immer mehr EU-Staaten in die Schuldenfalle. In Brüssel fand der neue EU-Währungskommissar Joaquin Almunia deutliche Worte zu Italien. Die Haushaltspläne hätten auf einer «zu optimistischen Konjunkturprognose» beruht.
Rom kündigt Widerstand an
Laut jüngster EU-Prognose wies das Land 2003 zwar noch eine Neuverschuldung von nur 2,4 Prozent auf. Das öffentliche Defizit wird danach aber 2004 auf 3,2 und 2005 sogar auf 4,0 Prozent steigen, sollte sich die Finanzpolitik nicht ändern. Erlaubt sind nach dem Stabilitätspakt maximal drei Prozent des Bruttoinlandprodukts.Die EU-Kommission empfahl deshalb, eine Frühwarnung nach Rom zu schicken, damit die Regierung entsprechende Konsolidierungsschritte einleitet. Er hoffe, dass die EU-Finanzminister der Empfehlung der Kommission folgen werde. Die Regierung in Rom hat aber bereits angekündigt, sich dem «Blauen Brief» im Ministerrat widersetzen zu wollen.
Niederlande und Grossbritannien
Für die Niederlande hat die EU-Kommission 2003 in ihrer Frühjahrsprognose ein öffentliches Defizit von 3,2 Prozent festgestellt. Almunia sagte, die Neuverschuldung des Landes sei Folge der «schwierigen wirtschaftlichen Lage». Die Regierung in Den Haag habe aber bereits Schritte angekündigt, um das Defizit um 0,6 Prozent abzubauen. Auch Grossbritannien wies 2003 erstmals eine Neuverschuldung von mehr als drei Prozent auf. Das Land gehört der Eurozone zwar nicht an, hat sich aber zur Haushaltskonsolidierung verpflichtet. Allerdings ist die Lage laut Almunia nicht dramatisch. Grossbritannien werde den Pakt voraussichtlich in diesem Jahr wieder einhalten.
Zugleich empfahl die Kommission, das Defizitverfahren gegen Portugal zu beenden, da die Neuverschuldung 2002 und 2003 unter der Drei-Prozent-Marke lag.
Finanzminister verklagt
Die Verfahren gegen Deutschland und Frankreich hatten die EU-Finanzminister im November 2003 ausgesetzt. Der damalige Währungskommissar Pedro Solbes, mittlerweile spanischer Finanzminister, sah darin einen Verstoss gegen den Stabilitätspakt und verklagte den Rat der Finanzminister vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).
In der Verhandlung am Mittwoch trugen Rechtsexperten der Kommission und des Rates ihre Argumente vor. Mit einer Entscheidung des Gerichts wird in einigen Wochen gerechnet. Nach der jüngsten EU-Prognose wird Deutschland dieses Ziel einhalten, während Frankreich auch 2005 gegen den Pakt verstossen wird.
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