- Daily Reckoning/ Deutsch - Sorrento, 04.05.2004, 19:42
- Re: Daily Reckoning/ Deutsch - Vielen dank dafür! (o.Text) - yatri, 04.05.2004, 19:54
Daily Reckoning/ Deutsch
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I N V E S T O R ' S D A I L Y
Der E-Mail-Dienst für Investoren, Ausgabe vom 4. Mai 2004
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* Daytrading oder die Katze und der Ball
* KarstadtQuelle verzeichnet erneut Umsatzrückgang
* Continental mit Zahlen und Wandelanleihe
* China und die USA
* Warren Buffett hat gesprochen
* Es wird noch viel schlimmer werden
* Einige traurige Geschichten
* Über den Investor Verlag
* Empfehlen Sie"Investor's Daily" weiter
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Dienstag, 4. Mai 2004
Daytrading oder die Katze und der Ball
von Jochen Steffens
Angesichts der seltsamen Spielchen im Future heute morgen muss ich einmal mehr das Tierreich bemühen.
Der Dax verhält sich zum Future wie eine Katze, die mit einem Ball spielt. Der Ball ist dabei der Future-Dax. Rollt der Future weg, jagt der Dax hinterher. Nur, das Problem - die Katze denkt, sie würde mit dem Ball spielen und merkt gar nicht, dass das Herrchen den Ball mit einer Schnur vor ihrer Nase hin und her zieht.
Dieses Herrchen könnte nur ein kapitalkräftige Marktteilnehmer sein. Stellen Sie sich also einmal vor, Sie verfügen über viel Geld - über sehr viel Geld. Es wäre für Sie kein Problem den Future 40-50 Punkte in diese oder jene Richtung zu ziehen. Gerade im Dax-Future bräuchten Sie an schwachen Tagen nicht einmal sonderlich viel Kapital dazu (besonders wenn es über die Ami Future versucht wird).
Nun erkennen Sie, dass die Vorgaben für den heutigen Tag negativ sind (ich erläutere es einmal an diesem Beispiel"negative Vorgaben", da es einfacher ist, es gilt aber genauso umgekehrt, wie heute morgen, wenn die Vorgaben"leicht positiv" sind). Die Amis hätten also uneinheitlich negativ geschlossen, die Japaner (die heute noch Feiertag hatten) hätten leicht im Minus geschlossen - perfekt. Sie lassen den Future, den Ball, zunächst alleine, ohne zu intervenieren, nach unten leicht ins Minus laufen. Der Dax, die Katze, kommt hinterher gewetzt.
Irgendwann merken Sie, dass den Verkäufern im Future die Luft ausgeht. Sie wissen, dass jetzt einige Short sind, sich aber insgesamt etwas unsicher in ihren Positionen fühlen. Nun kaufen Sie Future-Positionen und zwingen zunächst den Future und damit auch den Markt ins Plus.
Die Shorties werden nervöser. Sie wissen aus Erfahrung, bei einer bestimmten Marke, wenn die Verluste zu groß werden, werden die sowieso schon ängstlichen Anleger panisch und verkaufen ihre eben aufgebauten Short-Positionen. Das merken Sie spätestens daran, dass Kaufdruck aufkommt (die Shorties kaufen ihre Short-Positionen zurück).
Diesen Kaufdruck nutzen Sie, um einen Teil ihrer Position, den Sie gerade weiter unten gekauft haben, nun zu verkaufen (ein netter Gewinn). Das tun Sie bis der Kaufdruck nachlässt, wahrscheinlich haben Sie dann ein Drittel ihre Position, die Sie unten gekauft haben, um den Markt hoch zu kaufen, verkauft. Die nervösen Shorties sind zu diesem Zeitpunkt aus dem Markt.
Jetzt kommt der zweite Streich. Sie wollen auch noch die stärkeren Hände zum Zurückkaufen ihre Shortpositionen zwingen und kaufen den Markt noch einmal hoch, am Besten über eine Widerstandszone hinaus. Sobald diese wichtige Widerstandszone nach oben aufgelöst ist, werden auch die"stärkeren Hände" nervös und kaufen ebenfalls ihre Positionen zurück.
In diesen Kaufdruck verkaufen Sie das zweite Drittel ihrer Position. Das letzte Drittel schmeißen Sie daraufhin einfach auf den Markt. Damit drücken Sie zwar den Kurs, aber es reicht immer noch, um einen fetten Gewinn einzufahren.
Okay, um dieses Spiel so zu spielen, müssten Sie schon über sehr viel Geld verfügen. Wenn das der Fall wäre, dann wären solche Tage wie heute, eine einfache Möglichkeit viel Geld zu verdienen, auf sehr sichere Art und Weise. Zumal Sie sich darauf verlassen könnten, dass andere kapitalkräftige Marktteilnehmer ein ähnliches Spiel spielen werden. So werden die Schafe, wie die Kleinanleger"liebevoll" von den Institutionellen genannt werden, hin und her getrieben, wie die Katze, die dem Ball hinterherjagt.
Nun denken Sie sicherlich, wie soll, wenn so etwas möglich wäre, denn ein Kleinanleger gegen solche Praktiken ankommen? Die Hauptaufgabe müsste dann beim Intraday-Traden (darum geht es in diesem Spiel) darin liegen, zu erkennen, wie ein kapitalkräftiger Marktteilnehmen von der aktuellen Situation am besten profitieren könnte.
Das einzige, was Sie dann tun müssten, ist demnach, sich entsprechend zu positionieren. Stellen Sie sich also vor, Sie seien dieser Anleger (Es ist dabei völlig egal, ob es einen solchen Marktteilnehmer wirklich gibt, es funktioniert trotzdem) und tauchen in den Fahrtwind der Institutionellen. Schauen Sie also nie auf den Ball, sondern nur auf die Hand, die diesen Ball führt. Natürlich wird das dazu führen, dass Sie meistens das genaue Gegenteil von dem tun, was ihr Traderherz in diesem Moment denkt und fühlt.
Doch, wenn Sie nur auf Ihr Traderherz hören, werden Sie schnell zu der Katze, die meint einen Ball zu jagen, obwohl sie eigentlich selbst vom Ball gejagt wird. Und so erklärt sich auch, warum gerade im Intraday-Bereich so viele Trader mehr als 70 % ihrer Trades versemmeln und dann ihrerseits die Welt nicht mehr verstehen.
Zur Börse:
Ansonsten war heute an der Nachrichtenfront nicht viel los. Michael Vaupel vom Trader's Daily schrieb, die Nachricht des Tages sei, dass Japan im April damit aufgehört habe, an den Devisenmärkten zu Gunsten des Dollars zu intervenieren. Ich würde dem weniger Bedeutung beimessen, da es klar ist, dass sie nur interveniert, wenn der Dollar schwach ist. Warum sollte sie eine stärker werdenden Dollar noch mehr stützen?
Angesichts der Zinserhöhungsängste hatte sich der Dollar positiv entwickelt, eine Intervention tat nicht Not. Trotzdem reichte diese Nachricht offenbar aus, den Euro über die 1,20 Dollar zu heben und auch dem Goldpreis ein wenig auf die Beine zu helfen. So gesehen war es dann doch wieder, eine"interessante" Nachricht.
Im Moment wartet ein müder lustloser Handel auf die Kommentare von Old Greeny. Morgen dann die neusten News zur Fed-Sitzung und die Reaktion der Märkte.
Dienstag, 4. Mai 2004
KarstadtQuelle verzeichnet erneut Umsatzrückgang
von Jochen Steffens
Manchmal ist das Leben schon lustig. Eben wurde ich von einem großen Versandhaus angerufen, dessen Namen ich natürlich nicht nennen will. Ich wurde gefragt, ob ich denn den neuen Katalog schon bekommen hätte, was ich verneinte. Trotzdem wurde mir das Angebot gemacht, wenn ich nun direkt bestellen würde (ich frage mich wie ohne Katalog) würde ich einen 10 Euro Gutschein einlösen können (den ich gar nicht habe). Zusätzlich würde das Versandhaus noch die Kosten für den Versand übernehmen.
Ich musste grinsen, denn ich hatte kurz zuvor diese Meldung gelesen:
Europas größter Warenhaus- und Versandhandelskonzern KarstadtQuelle hat im ersten Quartal weniger umgesetzt. So ging der Umsatz bis Ende März um 4,4 % auf 3,52 Mrd. Euro zurück. Besonders schwach seien die Monate Januar und Februar gewesen. Der Verlust beim bereinigten Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Firmenwertabschreibungen (Ebta) stieg von zuvor 148 Mio. auf 171 Mio. Euro.
Begründet wurden diese schlechten Zahlen mit der Schwäche im deutschen Einzelhandel, die unverändert anhalte. Zusätzlich belastend wirkt sich dabei der intensive Preiswettbewerb aus. (Vielleicht auch Gutscheine und Portoerstattungen?) KarstadtQuelle rechnet damit, dass die gesamte Branche im ersten Quartal einen Umsatzrückgang von 0,9 % erleidet erlitten hat. Der Versandhandel ist diesmal sogar mit einem Rückgang von 5,1 % stärker betroffen, als der Einzelhandel mit einem Rückgang von 3,9 %. (Und daran musste ich denken, als ich eben angerufen wurde.) Eine genauere Prognose für das Gesamtjahr hat KarstadtQuelle wegen der konjunkturellen Unwägbarkeiten noch nicht abgegeben.
KarstadtQuelle (ISIN DE0006275001) verliert 4,01 % auf 17,24 Euro.
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Dienstag, 4. Mai 2004
Continental mit Zahlen und Wandelanleihe
von Jochen Steffens
Geschickt, direkt mit guten Zahlen eine Wandelanleihe in Höhe von 350 Mio. Euro und einer Laufzeit von 7 Jahren anzukündigen.
Das Konzernergebnis Ebit stieg im ersten Quartal um knapp 35 % auf 246,7 Mio. Euro. Analysten hatten im Schnitt nur mit 211 Mio. Euro gerechnet. Der Umsatz stieg unter Berücksichtigung der Währungskurseffekte und Konsolidierungen um 5,8 % auf 2,99 Mrd. Euro. Nach Steuern kletterte das Konzernergebnis um über 48,2 % auf 129,5 Mio. Euro, nach 87,4 Mio. Euro im Vorjahr. Das Ergebnis pro Aktie verbesserte sich damit auf 0,96 Euro.
Beim Ausblick auf 2004 bekräftigte der Konzern die Erwartung eines steigenden Umsatzes und eines höheren operativen Ergebnisses. Allerdings werden da die Restrukturierungskosten in den USA ausgeklammert. Diese wurden auf bis zu 200 Mio. Dollar beziffert.
Continental will den Autozulieferer Phoenix für knapp 230 Mio. Euro übernehmen um diesen mit der Tochter ContiTech zu verschmelzen.
Die Wandelanleihe wird damit begründet, dass damit die langfristige Wachstumsstrategie des Automobilzulieferers unterstützt werden soll.
Continental (ISIN DE0005439004) steigt um 0,46 % auf 36,90 Euro an.
Dienstag, 4. Mai 2004
China und die USA
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
Früher unterstützten die USA den Rest der Welt. Sie produzierten viel und konsumierten wenig. Seit Mitte der 1980er tun die USA das Gegenteil: Sie konsumieren viel und produzieren wenig, relativ gesehen.
Irgendjemand muss das produzieren, was die Amerikaner konsumieren. Es gibt viele Nationen, die positive Handelsbilanzen haben, aber die wichtigste dieser Nationen ist China. Die Chinesen produzieren jede Menge und sie konsumieren wenig. Die Differenz davon - oder zumindestder größte Teil dieser Differenz - wird nach Amerika verschickt.
Ich halte kurz inne um diese Ironie zu genießen: Die reichste kapitalistische Nation der Welt wird vom größten und ärmsten kommunistischen Land unterstützt.
Aber heute ist es nicht diese Ironie, die mich interessiert, sondern Betrug. Die amerikanischen Zentralbanker stimulieren die Nachfrage - zum Beispiel mit künstlich niedrigen Zinssätzen -, um die US-Wirtschaft zu beflügeln. Die erhöhte Nachfrage soll die Produktion und den Arbeitsmarkt stimulieren. Das tut sie auch, aber nicht in den USA, sondern in China. Die in China billig hergestellten Güter sind die Schnäppchen, die die Amerikaner im Wal-Mart finden. Es sind die Chinesen, die mit wunden Händen von der Arbeit nach Hause kommen; sie haben die Kleider genäht, die Amerika trägt. Sie haben die kleinen Schräubchen gedreht, die die Gameboys zusammenhalten. Sie haben die Sohlen auf die Schuhe geklebt, die die Amerikaner tragen, wenn sie in die Einkaufszentren gehen, um noch mehr chinesische Güter zu kaufen.
Es sind auch diese chinesischen Finger, die das Geld zählen, das ihnen von den Amerikanern geschickt wird. Dieses Geld haben die Amerikaner erhalten, indem sie die Hypotheken auf ihre Häuser erhöht haben.
Sowohl die Amerikaner als auch die Chinesen glauben, dass ihre Volkswirtschaften durch diesen wirtschaftlichen Verkehr bereichert werden. Aber das stimmt nur bei einer von beiden.
Die Löhne in Amerika stagnieren real gesehen seit 30 Jahren. In China sind sie um Faktor 25 gestiegen. Man erhöht seinen Reichtum schließlich nicht durch Konsum, sondern durch Produktion.
Letzte Woche fragte ich mich hier im Investor's Daily, wie ein Anstieg der Immobilienpreise jemanden reicher machen kann. Was für ein zusätzlicher Wert ist denn dadurch produziert worden? Ok, man kann mehr Schulden aufnehmen, wenn man ein Haus besitzt. Aber die Fähigkeit, sich zu verschulden, ist nicht das Gleiche wie reale Kaufkraft. Anders als wirklich verdientes Geld muss man Schulden irgendwann zurückzahlen. Wenn ein Mann 100 Euro mehr verdient, dann kann er auch 100 Euro mehr ausgeben. Aber ein Mann kann sich 1 Million Euro leihen, und der reale Netto-Zuwachs seiner möglichen Konsumausgaben ist im Zeitablauf Null - denn er muss diese Million zurückzahlen.
Ein Kaufmann kann nicht unterscheiden, ob ein Euro ein geliehener Euro ist oder nicht - und normalerweise ist ihm das auch egal. Er nimmt den Euro so oder so an. Die Chinesen haben auch gedacht, dass die Amerikaner Geld zum Ausgeben hätten. Sie strengten sich an, um mit der Nachfrage mithalten zu können - und dabei haben die Chinesen neue Rekorde in der Geschichte der Industrialisierung aufgestellt.
Die Unternehmens-Investitionen sind in China im letzten Jahr um 27 % gestiegen. In den ersten zwei Monaten des Jahres stiegen so sogar um beeindruckende 53 %. Besucher berichten, dass sie so etwas noch nie gesehen haben. Es gibt so viele Baukräne wie Nadeln in einem Nadelkissen. Überall, wo man hingeht, hört man den Lärm von Baustellen... und man sieht den Staub von rapidem Wachstum.
Was passiert, wenn China merkt, dass die Nachfrage aus den USA so falsch ist wie die Währung, in der sie abgerechnet wird?
Ich weiß es nicht... aber mit jedem Tag rücken wir näher an die Auflösung dieser Frage heran.
Hier ist Addison mit mehr News:
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Dienstag, 4. Mai 2004
Warren Buffett hat gesprochen
von unserem Korrespondenten Addison Wiggin
"Da die US-Wirtschaft in den letzten drei Quartalen gegenüber dem Vorjahreswert um insgesamt 5,5 % gewachsen ist, ist ein Leitzins von 1 % ein Witz", so Stephen Roach, bekannter Pessimist bei Morgan Stanley.
"Vor einem Jahr implementierte die Fed eine 'Notfall'-Politik, um auf die große Deflationsbedrohung zu reagieren - eine Bedrohung, der ich sehr positiv gegenüber stand. Damals tat die Fed zur richtigen Zeit das Richtige. Aber jetzt ist der Notfall vorüber - was dafür spricht, dass es jetzt höchste Zeit dafür ist, die Notfall-Politik aufzugeben."
Hier beim Investor's Daily haben wir uns oft gefragt, wie mehr Schulden, mehr Konsum und weniger Sparen die Lösung sein können für... hm... mehr Schulden,mehr Konsum und weniger Sparen. Aber ich persönlich glaubte dann manchmal, dass ich einfach zu viele Weinflaschen geleert hatte, um die Genies in Washington verstehen zu können.
Zuletzt habe ich mich aber über eine ganze Reihe von neuen Problemen gewundert: Die"zentralen Planer" versuchen nicht nur, die Spekulationsblase am Aktienmarkt wieder auferstehen zu lassen... jetzt scheinen sie sich den rapide steigenden Rohstoffpreisen zuwenden zu wollen, indem sie vielleicht die Spekulationsblase am Immobilienmarkt platzen lassen.
Spekulationsblasen sind nichts Neues, auch für Alan Greenspan nicht. Was neu ist, dass ist die Tiefe und das Ausmaß der derzeitigen Spekulationsblase - denn so etwas hat es noch nicht gegeben. Und wer soll uns durch das unbekannte Land, das vor uns liegt, führen? Ein Team, das im Dunklen herumtappt, das eine kurzsichtige Politik verfolgt, in der es keinen Platz für Fehler, menschliches Handeln oder sonstiges Unvorhergesehenes gibt. Der Mensch ist dann am schwächsten, wenn er denkt, dass er weiß, was er tut. Um diese Theorie in Aktion zu sehen, muss man sich heute nur Alan Greenspan's Rede anhören (Anmerkung: Diesen Beitrag habe ich vor der Fed-Sitzung geschrieben).
Die Fed denkt, dass sie die Leitzinsen nutzen kann, um das amerikanische Bruttoinlandsprodukt, den Dollar, den Arbeitsmarkt und verschiedene Spekulationsblasen kontrollieren zu können. Und alles gleichzeitig. Was gibt der Fed die Arroganz, so etwas anzunehmen? Ein 20jähriger Bullenmarkt hat zu Größenwahn geführt...
Und noch besorgniserregender ist, dass die Fed die Daten falsch zu interpretieren scheint. Das Wall Street Journal schreibt dazu:"... ein großer Teil des Rückgangs der Inflationsrate zwischen 2001 und 2003 ist dem unüblichen Verhalten der Mieten und Gebrauchtwagenpreise zu verdanken, was indirekt durch nie niedrigen Zinsen verursacht wurde." Wenn das so ist, dann meint eine Studie der Fed von Atlanta:
"Die Fed hat vielleicht auf einen falschen Alarm geantwortet, als sie die Zinsen auf den tiefsten Stand seit 4 Jahrzehnten senkte und sie dort aus Deflationsangst ließ."
Wenn die Studie der Atlanta-Fed korrekt ist - in Bezug darauf, dass die Deflations-Angst übertrieben war - dann sind die Implikationen tödlich ernst. Die Inflationsrate könnte aktuell deutlich höher sein, als die offiziellen Zahlen uns weismachen wollen... oder vielleicht auch nicht. Woher sollen wir das wissen? Aber wenn die Fed die Zinsen wieder erhöhen wird, dann könnte sich das"unübliche Verhalten" bei Mieten und Gebrauchtwagenpreisen umdrehen, was die Inflationsrate noch höher steigen lassen könnte...
Warren Buffet sprach letzten Samstag auf der jährlichen Hauptversammlung seiner Investment-Gesellschaft Berkshire Hathaway. Auch er ist der Ansicht, dass sich die amerikanische Inflationsrate erhöhen wird."Inflation ist real gesehen der Feind des Investors", so seine zutreffende Einschätzung. Warren Buffett bezeichnete die oft gehörte Empfehlung, 60 % in Aktien und 40 % in Anleihen zu investieren, als"Unsinn". Stattdessen riet er seinem Publikum, in allen Anlagekategorien nach Schnäppchen zu suchen.
Und wo könnten diese Schnäppchen zu finden sein? Wenn Sie den Investor's Daily schon länger lesen, dann wissen Sie, welche Investments wir aktuell bevorzugen. Warren Buffett kauft ausländische Währungen ("ausländisch" aus seiner Sicht als Amerikaner), und er erhöht seine Wette gegen den Dollar"mehr als ein bisschen", wie uns Chuck Butler von der Everbank mitteilt.
Außerdem warnte Buffett sein Publikum davor, dass"Sie irgendwann in den nächsten 10 Jahren ein großes Problem haben werden, das durch die Aktivitäten mit Derivaten entweder begründet oder verstärkt werden wird". Auf wen er besonders verwies? Auf niemand anderes als auf den Hauptakteur im sich abzeichnenden Drama des US-Immobilienmarktes:
Freddie Mac, die riesige US-Hypothekenbank.
Das"Orakel von Omaha" (Warren Buffett) bezeichnete Freddie Mac als ein Beispiel für eine Organisation, die unfähig ist, mit der Komplexität dieser Finanzmarkt-Instrumente klar zu kommen. Man dachte, dass Enron ein Skandal war... warten Sie ab, bis der Billionen-Dollar schwere US-Hypothekenmarkt durch steigende Zinsen und Probleme von Freddie Mac und Fannie Mae kieloben treiben wird.
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Dienstag, 4. Mai 2004
Es wird noch viel schlimmer werden
von unserem Korrespondenten Bill Bonner, derzeit in London
*** Letzten Freitag traf ich mich mit Dr. Kurt Richebächer.
Ich hatte mich gefragt, ob die bevorstehende Finanzkrise der USA so schlimm werden wird, wie ich es mir vorstelle. Kurt beantwortete meine Frage direkt:
"Sie wird noch viel schlimmer werden."
"Die Sache ist, dass niemand weiß, was wirklich passieren wird. Wir haben so eine Situation mit so extremen Exzessen nie zuvor gesehen. Wir wissen nicht genau, wie sich das lösen wird. Aber was mir Sorgen macht, ist, dass man bei so schlechten Exzessen Ergebnisse hält, die man nicht erwartet."
Die Exzesse, auf die Kurt verwies, sind zahlreich. Wir diskutieren sie ja hier im Investor's Daily regelmäßig. Billionen Dollar Hypotheken... Schulden auf Rekordniveau... die japanische Unterstützung für den US-Anleihenmarkt... es gibt so viele absurde Elemente, da ist es schwer sich zu entscheiden, worüber man zuerst lacht.
"Die ganze Konsumentenwirtschaft in den USA hängt jetzt davon ab, dass die Zinsen für neue Hypotheken niedriger sind als die für alte Hypotheken (damit sich die Umschuldung lohnt und neue Mittel für den Konsum frei werden). Die Leute brauchen einen Grund zur Refinanzierung. Aber wie lang können die neuen Zinssätze noch niedriger sein als die alten? Im Zeitablauf werden die heutigen neuen Zinsen die alten Zinsen von Morgen."
"Ich verfolge den Goldpreis nicht wirklich, aber auch hier habe ich Sorgen. Wenn die Leute Bargeld brauchen, dann werden sie alles verkaufen - selbst Gold."
"Und wenn ich 'die Leute' sage, dann meine ich auch Finanzinstitutionen. Wie LTCM (der Hedgefonds, dessen Pleite einen mittleren Finanzskandal auslöste, der mit Mühe von den Banken eingedämmt werden konnte) haben sie Billionen Dollar in verschiedene Derivate-Positionen gesteckt... viele von ihnen sind deshalb mit hohem Hebel von niedrigen Zinsen abhängig... mit wenig realem Kapital hinter sich. Wenn die Zinsen steigen, dann werden diese Sicherheiten schnell weg sein. Dann werden sie gezwungen sein, zu verkaufen."
"Es wird schlimmer sein als das, was die Leute erwarten. Viel schlimmer."
Und als er das sagte, da hob Dr. Richebächer seinen Gehstock mit Silbergriff in einer Geste, von der ich nicht wusste, wie ich sie interpretieren sollte. Und er lächelte.
***"Wissen Sie, das ist ein lustiges Geschäft", sagte mir vorgestern eine niederländische Frau, die bei der jährlichen Gartenschau im Château de Beauregard Pflanzen verkaufte."Ich habe reiche Leute gesehen - ich meine wirklich reiche Leute - die in ihren Privatjets angeflogen kamen, nur um eine bestimmte Tulpe oder eine andere Pflanze zu kaufen. Die Leute können auf seltene Pflanzen ganz versessen sein. Besonders im Frühling."
"Aber die wirklich reichen Leute sind sehr freundlich. Sehr bescheiden... sie verhalten sich wie normale Menschen."
"Es sind die Leute, die reich, aber nicht ganz so reich sind, die wirklich nerven. Die fühlen sich so, als ob sie zeigen müssten, wie wichtig sie sind. Deshalb behandeln die einen schlechten, so als ob schlechte Manieren eine Auszeichnung wären. Das ist wirklich absurd und traurig."
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Dienstag, 4. Mai 2004
Einige traurige Geschichten
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
Meiner Ansicht nach wird die Auswirkung der Zinspolitik der Fed auf die Gesamtwirtschaft eindeutig überschätzt. Das zeigen z.B. einige traurige Geschichte, die kurz nach dem Platzen der Hightech-Spekulationsblase im Internet die Runde machten. Eine der traurigsten Geschichten kam aus Philadelphia und handelte von Warren"Pete" Musser, der während der Internet-Manie einer der aggressivsten Wall Street Promoter gewesen war.
Musser war kein Depp. Der 73jährige Investor hatte eine der erfolgreichsten Internet-Holdings der USA aufgebaut - mit so bekannten Unternehmen wie ICG, VerticalNet und U.S. Interactive. Dafür hatte er eine Weile gebraucht. Seine Firma hatte er bereits Jahrzehnte zuvor gegründet, und er kannte sein Business gut."Die Jungs hätten es eigentlich besser wissen müssen", meint Howard Butcher IV, ein Investor, der dem Internet-Boom immer kritisch gegenüber gestanden hat."Ich hätte gedacht, dass er als super-versierter Promoter seine Aktien rechtzeitig ablädt, um sich damit eine goldene Nase zu verdienen, anstelle jetzt mit Schulden dazusitzen."
Musser erlag jedoch der Fehleinschätzung, der alle Aktien-Promotor (vielleicht sogar Alan Greenspan) verfallen. Er begann, an den von ihm (mit)inszenierten Hype selbst zu glauben. Natürlich zu seinem eigenen Nachteil. Er war schließlich gezwungen, 80 % seines Aktienbestands zu verkaufen, um eine konventionelle Nachschusspflicht bedienen zu können. Die Aktien, die im März 2000 noch 738 Millionen US$ wert waren, brachten ihm beim Verkauf gerade noch einen Erlös von 100 Millionen US$. Für Musser war es also schon zu spät, während die Finanzpresse rund um den Globus weiter kolportierte, dass Greenspan kurz davor sei, den Kapitalmärkten Beistand zu leisten.
Auch die Aktienanleger hingen weiter dem Glauben an, dass Greenspan noch über die große Put-Option verfügen würde, die sie vor Verlusten bewahren könnte. Aber hatte er die wirklich noch? Konnte ein Wechsel der geldpolitischen Vorzeichen die Mussers dieser Welt wirklich retten? Oder waren ihre Investments derart selbstmörderisch und hoffnungslos, dass sie vor der Selbstzerstörung auf keinen Fall bewahrt werden konnten? Im Finanzgewerbe gibt es smartes und dummes Geld, und dann auch noch Geld, das derart geistesschwach ist, dass es regelrecht nach seiner Vernichtung schreit.
Pets.Com gab 179 US$ für den Kauf eines jeden Hundefutter-Kunden aus. Als die Gesellschaft Kiel oben schwamm, was war da noch zu retten? Wie hätte ein Wechsel der Zinspolitik die Millionen zurückbringen können, die zum Fenster hinaus geworfen worden waren? Genauso TheStreet.com: Die Gesellschaft verlor in den ersten neun Monaten des Jahres 2000 37 Millionen US$ - umgerechnet auf jeden zahlenden Kunden waren das 400 US$ pro Nase. Daraufhin kündigte TheStreet.com die Schließung seiner britischen Büros und die Entlassung von 20 % seiner Mitarbeiter an, um die Suche nach einem möglicherweise erfolgreichen Business-Modell noch eine Weile fortsetzen zu können. Wie hätte hier ein niedrigerer Leitzins der Fed den Investoren dabei helfen können, die verlorenen 37 Millionen US$ wieder zu sehen? Und wie, fragt man sich, hätten niedrigere Zinsen die 100 Milliarden US$ zurückbringen können, die AOL/Time Warner im Jahr 2002 versenkt hatte?
Eine Senkung der Leitzinsen macht ja Schuldner nicht auf einen Schlag wieder kreditwürdiger. Niemand, absolut niemand wäre scharf darauf gewesen, Gesellschaften wie TheStreet.com oder Amazon selbst nach einer Zinssenkung Geld auszuleihen. Weil jemand, der mehr ausleiht als er sich eigentlich leisten kann - und das Geld dann auch noch für überkandidelten Konsum anstelle von produktiven Investitionen ausgibt - auch bei niedrigeren Zinsen von niemand mit frischem Geld versorgt wird. Er muss erst mal seine finanziellen Hausaufgaben machen - und das geht eben nicht, indem er sich noch mehr Geld leiht.
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