- Daily Reckoning/ Deutsch - Sorrento, 13.05.2004, 07:56
Daily Reckoning/ Deutsch
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I N V E S T O R ' S D A I L Y
Der E-Mail-Dienst für Investoren, Ausgabe vom 12. Mai 2004
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* Willkommen zurück im Mittelalter
* US-Konjunkturdaten
* Lufthansa ist gegen den hohen Ã-lpreis abgesichert
* T-Online profitiert vom Neukundengeschäft
* Was soll man kaufen, wenn alles fällt?
* Ein typischer Amerikaner
* Ungleichgewichte und Beeinträchtigungen
* Über den Investor Verlag
* Empfehlen Sie"Investor's Daily" weiter
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Mittwoch, 12. Mai 2004
Willkommen zurück im Mittelalter
von Jochen Steffens
Angesichts der Vorfälle in den letzten Wochen, Folterungen im Irak,
der Hinrichtung von Soldaten durch Iraker und der jüngsten Köpfung
eines US-Bürgers durch die EL-Kaida frage ich mich: Ist diese Welt nun
ein friedlicherer Ort geworden, als sie es vor dem Irak-Krieg war?
Heute morgen habe ich dazu in den Medien einen Kommentar gehört, der
ausnahmsweise mal überaus treffend war: Willkommen zurück im
Mittelalter.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich die Berichterstattung
der letzten Wochen verfolge, muss ich mich mal wieder fragen, auf
welchem Weg befindet sich unsere Welt gerade? Ich fürchte auf keinem
guten.
Die Kluft zwischen dem Westen und dem radikalisierten Teil der
moslemischen Welt hat ihren Tiefpunkt gefunden. Nach und durch die
Foltervorwürfe haben die USA ihre letzte Karte der westlich
zivilisierten Welt verspielt. Welcher junge moslemische Mensch sollte
jetzt noch in der Lage dazu sein, zu differenzieren. Einen größeren
Gefallen hätte man den fundamentalistischen Predigern der
Terrororganisationen wirklich nicht tun können. Nach diesen Bildern
von gedemütigten Moslems, werden ihnen die todesbereiten fanatisierten
Anhänger in Scharen zulaufen.
Unsere Welt torkelt da in etwas hinein, dass meines Erachtens noch
viel Schlimmer ist als Vietnam. Denn Vietnam hatte nicht die Macht
über die westliche Wirtschaft, wie es die moslemische Welt immer noch
über den Faktor Ã-l hat. Die USA können sich nicht aus dem Irak
davonstehlen. Ein Irak, der von radikalisierten und
fundamentalistischen Führern gelenkt würde, hätte eine erheblich
destabilisierende Wirkung auf die gesamte Region. Wie lange würde es
dann noch dauern, bis sich die Bevölkerungen in den arabischen Ländern
gegen ihre Regierungen erheben?
Nein, wir sollten lieber weiter eine monetär verursachte
Konjunkturerholung mit steigenden Kursen an den Börsen feiern. Auch
wenn es langsam so ein wenig den Anschein macht, als befänden wir uns
auf einer Art neuartigen Party, die zur Abwechslung mal auf einem
brodelnden Vulkan stattfindet, der jederzeit ausbrechen kann.
Beachtlich finde ich, dass dieses Mal die Börse diese weltpolitischen
Vorgänge nicht einpreist.
Ich vermute das hat einen einfachen Hintergrund: Abstumpfung! Wir sind
durch den Irak-Krieg, durch die vielen brutalen Bilder der letzten
Jahre, seit dem 11. September, abgestumpft. Doch diese Foltervorwürfe
markieren eine Trendwende, auch wenn das offenbar kaum jemand
begreift.
Es ist nicht der erste Schritt, aber wahrscheinlich der entscheidende
Schritt in das Chaos. Die Demütigungen in den US-Gefängnissen haben
die moslemische Seele zutiefst an einer empfindlichen Stelle
getroffen. Jeder Skeptiker, jede moderate Bewegung in der moslemischen
Welt hat dadurch seine/ihre Stimme verloren. Die Auswirkungen werden
erst in wenigen Monaten, vielleicht in ein zwei Jahren zu spüren sein.
Eine ausufernde Radikalisierung wird nicht mehr zu verhindern sein,
wenn sie es überhaupt je war.
Für die Börsen bedeutet das, wir müssen uns auf eine lange Phase
weltpolitische Unsicherheit einstellen. Wir müssen uns darauf
einstellen, dass immer wieder kleinere und größere Anschläge
ausgeführt werden. Dabei möchte ich noch auf eine ganz besondere
Gefahr hinweisen. Nach den Anschlägen in Spanien, die auch politisch
einen großen Erfolg für die El-Kaida darstellten, ist es durchaus
denkbar, dass auch in den USA vor der Wahl größere Anschläge geplant
sind. Vielleicht rechnet sich die El-Kaida aus, auch die US-Wahl
beeinflussen zu können. Auf jeden Fall sollte Sie im kurzen Vorfeld
der Wahl ihr Vermögen gegen solche Eventualien absichern.
Zu den Märkten:
Der Ã-lpreis steigt weiter trotz der angekündigten Förderungserhöhung.
Und das hat die Märkte heute wieder belastet. Der Ã-lpreis könnte zum
Zünglein an der Waage werden. Er könnte die Waagschale in die Richtung
Rezession drücken. Denn auf diesem Niveau werden die Gewinne der
Firmen dahinschmelzen wie Eis in der irakischen Wüste. Natürlich
sollte es im Sommer zu einer Beruhigung der Preise kommen. Doch eine
weitere Eskalation im Irak und die steht sicherlich bevor, wird die
öffentliche Meinung in den USA schnell kippen und was wird der Ã-lpreis
machen, wenn der Druck der Ã-ffentlichkeit auf die US-Regierung (welche
es auch dann sein mag) größer wird?
Doch soweit will ich gar nicht vorgreifen. Im Moment steht im Dax die
mehrfach genannte Marke 3692 Punkte zur Disposition. Wie ich gestern
geschrieben habe, wir waren gestern im ersten Bodenversuch, ich
erwarte noch einen zweiten Rutsch. Heute zeigte sich der Dax mit einem
Minus von 1,91 % wieder deutlich schwächer.
Mittwoch, 12. Mai 2004
US-Konjunkturdaten
von Jochen Steffens
Seltsam, seltsam.
Die Importpreise sind um 0,2 % gestiegen nach zuvor revidierten 0,8 %.
Ohne Ã-l sind die Preis um 0,3 % gestiegen nach zuletzt +0,2 %.
Wieso sind die Importpreise nur derart moderat gestiegen? Natürlich
der stärkere Dollar. Aber dass die Importpreise ohne Ã-l mehr gestiegen
sind als mit Ã-l? Seltsam, seltsam
Die Exportpreise ohne landwirtschaftliche Erzeugnisse sind um 0,4 %
gestiegen. Zuletzt waren die Exportpreise (ex Agrar) um 0,6 %
geklettert.
Die Handelsbilanz enttäuschte die Erwartungen. Das hatte ich nicht
anders erwartet. Das Defizit beträgt 46,0 Mrd. US-Dollar. Erwartet
wurde ein Defizit in Höhe von 42,0 bis 43,0 Mrd. US-Dollar nach zuvor
42,1 Mrd. US-Dollar.
Im Ganzen von dieser Seite nicht den Hauch einer Beruhigung. Hm, das
könnte sich sogar stützend auswirken. Ich bin mal gespannt auf den US
Haushalt, der heute Abend veröffentlicht wird.
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Mittwoch, 12. Mai 2004
Lufthansa ist gegen den hohen Ã-lpreis abgesichert
von Jochen Steffens
Die Lufthansa konnte im traditionell schwachen ersten Quartal ihren
operativen Verlust auf 116 Mio. Euro, nach 419 Mio. Euro deutlich
reduzieren. Analysten hatten jedoch sogar mit noch einem geringeren
operativen Verlust von ca. 100 Mio. Euro gerechnet.
Der Konzerngewinn konnte aufgrund von Veräußerungsgewinnen in Höhe von
292 Mio. Euro auf 62 Mio. Euro Gewinn ansteigen, nach einem Verlust
von 356 Mio. Euro Verlust zuvor. Der Umsatz konnte hingegen um 5,2 %
auf 3,9 Mrd. Euro zulegen. Das Passagiergeschäft konnte dabei weiter
zulegen, das Frachtgeschäft, das gerne auch als Frühindikator für die
wirtschaftliche Entwicklung genommen wird, geriet jedoch unter Druck.
Beim Ausblick auf 2004 rechnet Lufthansa mit einem operativen Gewinn
zwischen 300 Mio. und 400 Mio. Euro. Gleichzeitig wies der Konzern
aber auf die Unsicherheitsfaktoren wie mögliche Terroranschläge und
die Entwicklung des Ã-lpreises hin. Allerdings sei der Konzern gegen
den hohen Ã-lpreis zum größten Teil abgesichert. Deswegen gäbe es auch
noch keinen Treibstoffzuschlag wie beim Konkurrenten British Airways.
Lufthansa verliert nach dieser Meldung 3 % auf 12,23 Euro.
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Mittwoch, 12. Mai 2004
T-Online profitiert vom Neukundengeschäft
von Jochen Steffens
T-Online, Tochter der Deutschen Telekom, konnte den operative Gewinn,
das Ergebnis vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Amortisationen,
auf 117,7 Mio. Euro nach 72,8 Mio. Euro vor Jahresfrist steigern.
Begründet wird dieser Anstieg mit einer höheren Auslastung der
Netzwerk-Kapazitäten und geringeren Verlusten der Auslandstöchter.
Nach Steuern erzielte T-Online ein Quartalsgewinn von 79,3 Mio. Euro,
nach 31,3 Mio. Euro im Vorjahresquartal. Das hat allerdings auch etwas
mit dem Wegfall von Firmenwertabschreibungen nach den neuen
Bilanzregeln IFRS zu tun.
Der Umsatz konnte um 12,7 % auf 488,8 Mio. Euro zulegen. Das ist unter
anderem auf den Kundenzuwachs bei DSL Internet-Zugängen
zurückzuführen. Im ersten Quartal konnten 280.000 Neukunden
hinzugewonnen werden, das lag deutlich über den Erwartungen.
Beim Ausblick rechnet T-Online allerdings damit, dass der hohe
Marktanteil des Konzerns von derzeit 80 % bei DSL-Anschlüssen bis zum
Jahr 2008 auf 50 bis 55 % sinken könne.
T-Online gehörte heute zeitweise zu den Tagesgewinnern und steigt um
3,4 % auf 9,12 Euro.
Mittwoch, 12. Mai 2004
Was soll man kaufen, wenn alles fällt?
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
Wenn wir vom Investor's Daily eine Tugend haben, dann ist es unsere
Bescheidenheit. Und selbst die ist unehrlich.
Denn ich gebe zu, dass meine Ignoranz grenzenlos ist. Und dennoch kann
ich nicht widerstehen, meine Einschätzungen zu diversen Dingen
abzugeben...
Meine Einschätzung ist, dass die Aktien- und Anleihenmärkte beginnen,
einzubrechen. Und auch die amerikanischen Konsumausgaben sind dabei,
zurückzugehen... und die amerikanischen Immobilienpreise folgen.
Ich dachte, dass der Wertverlust bei diesen Vermögenswerten zu einem
riesigen Kollateralschaden bei den Billionen Dollar schweren
Konsumenten- und Finanzschulden führen würde. Die Leute würden
gezwungen sein, zu verkaufen; dann würde der Wert von fast allem
fallen. So meine Überlegung.
Aber was soll man kaufen, wenn alles fällt?
Ich stellte diese Frage vor einer Gruppe von Londoner Fondsmanagern,
Volkswirten, Strategen und sonstigen Investment-Profits. Und zwar
letzten Montag, während der monatlichen Diskussionsrunde der Money
Week.
Die Antworten: Das Billige. Das Solvente. Das Produktive. Die
Peripherie.
Und überhaupt nichts!
"Wir könnten dem Ende des globalen Wirtschaftsbooms näher kommen...
auch wenn das ein merkwürdiger Boom war", begann Pelham Smithers."Der
von einem riesigen Schuldenberg begleitet wurde. Fast alle
europäischen Regierungen haben Haushaltsdefizite, die die laut dem
Maastricht-Vertrag erlaubten Grenzen überschreiten. Und in den USA
haben wir noch nie so viele Schulden gesehen."
Und jetzt steigen die Zinsen.
Ich weiß, wann diese globale Wachstumsphase enden wird: Wenn steigende
Zinssätze die Schuldenlast nicht mehr tragbar machen. Oder wenn die
Vermögenswerte, die die Schulden noch haltbar machen - private
Immobilien, Aktien, Anleihen - ihren Wert verlieren.
In Großbritannien ist es zum Volkssport geworden, sich mit dem
Immobilienmarkt zu beschäftigen - nur eine Minderheit wohnt zur Miete,
da direkt gekauft wird. Das hat dazu geführt, dass der britische
Immobilienmarkt heiß gelaufen ist. Wann wird dort der Immobilienboom
enden? Ist es bereits zu spät, um zu kaufen?
Die Bank of England hat vor ein paar Wochen die Leitzinsen um einen
Viertel Prozentpunkt erhöht, auf 4,25 %. Die Bruttorendite, die man
mit britischen Immobilien erzielen kann, ist ungefähr genauso hoch.
"Bereinigt um die notwendigen Ausgaben verliert der durchschnittliche
Immobilienbesitzer wahrscheinlich schon Geld", so James Ferguson."Er
hat es nur noch nicht realisiert."
Britische Immobilienmakler sagen, dass sie nicht genügend Häuser
finden, die sie verkaufen können. Aber Hausbesitzer sagen, dass sie
keine Käufer finden können.
"Der Crash könnte schon begonnen haben", so Ferguson weiter,"und wir
haben es schon seit Monaten nicht bemerkt."
Bei Aktien, Anleihen, Gold und Währungen merkt man das früher.
Nicht nur die Aktien sind zuletzt deutlicher zurückgekommen (der Dow
Jones fiel vorgestern unter die Marke von 10.000 Punkten), auch der
Goldpreis fiel. Auf unter 380 Dollar. Das ist deutlich unter dem Wert,
den ich als Boden gesehen hatte.
Also, was sollen Sie kaufen?
"Es hat noch nie jemand mit Aktien oder Anleihen wirklich Geld
verdient, wenn die Zinsen steigen", so Ferguson.
Was bleibt da noch übrig?
Ã-l!
Der Welt gehen nicht die Aktien aus, oder die Anleihen, oder Schulden,
oder Einschätzungen darüber, was an den Märkten passieren wird. Aber
Ã-l ist knapp. Experten glauben, dass die weltweite Erdölproduktion
ihren Zenit überschritten hat - und genau jetzt beginnen die Asiaten,
einen Geschmack für Ã-l zu entwickeln.
"Wenn wir einen langen, heißen Sommer haben werden", beobachtete
Pelham,"dann werden die Erdölaktien fast sicher fallen... aber die
Erdölpreise werden steigen."
Hier ist Eric mit mehr News:
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Mittwoch, 12. Mai 2004
Ein typischer Amerikaner
von unserem Korrespondenten Eric Fry an der Wall Street
Manhattan hat die Nicht-Investoren die letzten Tage über wirklich
absolut erfreulich behandelt... jeder Baum und jede Blume im Central
Park schien zu blühen, während Schwärme von Laptop-tragenden Yuppies
und Kinderwägen schiebende Babysitter sich in der Frühlingssonne
sonnten. Für diejenigen, die mit Aktien nichts zu tun haben, waren die
letzten beiden Tage Genießer-Tage.
Leider waren die Börsen nicht so freundlich zu den Investoren. Die
Anleihenkurse sind gefallen, was die Rendite der 10jährigen
US-Staatsanleihen auf ein neues 22-Monats-Hoch von 4,79 % steigen
ließ.
Auch das Gold konnte der gestrigen Verkaufswut nicht unbeschädigt
entgehen. Aber immerhin konnte es sich von seinen Tiefstkursen erholen
- denn zwischenzeitlich war es bis auf 371 Dollar je Feinunze
durchgesackt und schaffte es dann doch wieder auf 378 Dollar. Seit dem
11. April (als das Gold bei 433 Dollar und damit in der Nähe eines
15-Jahres-Hochs stand) hat der Goldpreis 13 % verloren.
Die Panik, die auch den Aktienmarkt zu Wochenbeginn ergriffen hatte,
schien keinen besonderen Grund zu haben. Es war eher ein Selloff, der
von allem und nichts begründet war. Die"noch nicht erfolgreiche"
amerikanische Irak-Kampagne scheint die Investoren genauso zu nerven
wie die"erheblich zu erfolgreiche" Kampagne zur Wiederbelebung der
Inflation von General Greenspan und seinen Ergebenen bei der Fed.
Steigende Zinsen sind ein Beweis für Greenspans"Erfolg" - die
Vernichtung der Deflation durch die Kultivierung der Inflation. Aber
am Aktienmarkt, wo wir jetzt eine Deflation und keine Inflation sehen,
sind sich die Investoren nicht so sicher, ob sie Greenspan auf ihren
Schultern herumtragen oder ihn teeren und federn sollten.
Die steigenden Zinsen mögen den Aktienmarkt-Investoren nicht gefallen,
aber Mr. und Mrs. Durchschnittskonsumenten kümmert das nicht. Die New
York Times hat vor kurzem die stereotype Geschichte von Philo Thompson
-28jähriger Single - gebracht, der, wie viele Amerikaner,"nicht davor
zurückschreckt, Risiken einzugehen, wenn es darum geht, ein Haus zu
kaufen." Thompson ist ein Unternehmensberater aus Denver, der sich vor
kurzem für 500.000 Dollar ein Stadthaus im Stadtteil North Cherry
Creek gekauft hat. Als er sich dieses Haus kaufte, hat da Thompson
eine Hypothek mit 30jähriger Zinsbindung gewählt, so wie es Opa
Thompson vielleicht getan hätte? Aber nein!
Thompson der Jüngere hat überhaupt kein Eigenkapital mitgebracht,
sondern 100 % des Kaufpreises mit kurzfristigen Krediten finanziert.
Die New York Times schreibt:"Um seine monatliche Belastung zu
reduzieren und um sich für eine ausreichend große Hypothek zu
qualifizieren hat er auf eine Zinsbindung verzichtet und eine Hypothek
gewählt, bei der nur Zinsen und keine Tilgungszahlungen erbringen
muss."
Das ist schön, solange die Zinsen niedrig bleiben. Aber es ist weniger
schön, wenn die Zinsen steigen.
"Leute wie Thompson könnten ausgequetscht werden, wenn die Zinsen
beginnen, zu steigen", stellt die New York Times fest. Das stimmt,
Leute wie Thompson könnten Probleme bekommen. Und dennoch macht er
sich keine Sorgen darüber."Ich bin zu jung, um Angst zu haben", sagt
er, und er setzt darauf, dass sowohl der Wert seines Hauses als auch
sein Einkommen steigen werden. Aber es ist auch möglich, dass sowohl
der Wert seines Hauses als auch seine Einkommen nicht mehr weiter
steigen werden. Und es ist sogar - theoretisch - möglich, dass sie
beide ZURÜCKGEHEN könnten.
Trotz dieser besorgniserregenden Möglichkeiten besteht der
Fed-Vorsitzende Greenspan darauf, dass die steigenden
Hypothekenschulden der privaten Haushalte kein großes Problem seien.
Teilweise deshalb, weil die Amerikaner aktuell auf dem Papier reicher
sind, als sie es auf dem Höhepunkt der Spekulationsblase zu Beginn des
Jahres 2000 waren. Dank dem boomenden amerikanischen Immobilienmarkt!
Leider bezahlen steigende Immobilienpreise keine Rechnungen; denn
Rechnungen werden mit Einkommen (oder geliehenem Geld) bezahlt. Und
wenn die Kosten für den Schuldendienst schneller als die Einkommen
steigen, dann können schlechte Dinge passieren. Wenn die Einkommen
fallen, dann müssen Leute, die wenig Bargeld haben, versuchen, sich
mehr Geld zu leihen, um flüssig zu bleiben. Aber was ist, wenn solche
Möchtegern-Schuldner ihre Häuser schon zu 100 % beliehen haben, und
außerdem alle Dispokredite schon voll ausgereizt sind? Dann sind
Pleite und Zwangsversteigerung eine althergebrachte Option.
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Mittwoch, 12. Mai 2004
Ungleichgewichte und Beeinträchtigungen
von Dr. Kurt Richebächer
Wenn man versucht, die weiteren wirtschaftlichen Aussichten der USA
einzuschätzen, dann sollte man zunächst einmal über die Gründe
nachdenken, die eine stärkere und gesündere Erholung verhindert haben
- obwohl die Fed und die Bush-Administration ja schon eine so
aggressive Geld- und Fiskalpolitik durchgeführt haben, wie sie die
Welt noch nicht gesehen hat.
Für die meisten amerikanischen Volkswirte ist"ausreichend leicht
verfügbares Geld" eine unbedingt unfehlbare Medizin. Die wenigen
Momente der Geschichte, in denen rekordniedrige Zinsen hartnäckig
nicht wirkten - wie vor kurzem in Japan oder in den USA während der
Weltwirtschaftskrise - werden mit dem Argument zurückgewiesen, dass
dort die"Zentralbanken nicht schnell genug handelten".
Während der gesamten Nachkriegsperiode war es typisch, dass
Volkswirtschaften in einer Rezession sich schnell erholten, sobald die
Zentralbanken die Geldpolitik lockerten (Senkung der Leitzinsen,
Senkung der Mindestreservesätze,...). Aber für mich war das nie ein
Beweis für die Unfehlbarkeit dieser Geldpolitik. Denn alle Rezessionen
der Nachkriegszeit hatten ihre Ursache in der monetären Verknappung -
da war es nur natürlich, dass die Volkswirtschaften prompt
durchstarteten, als die Zentralbanken den Fuß vom Bremspedal nahmen.
Aber heute ist die Situation radikal anders. Denn das erste Mal in der
Nachkriegszeit ist die US-Wirtschaft in eine Rezession gefallen,
obwohl die Geldmenge und die Kredite stark gewachsen sind. Es waren
also keine monetäre Verknappung, die den Boom im Jahr 2000 beendete
Deshalb ist es hart zu sehen, warum eine Politik des leichten Geldes
die Kur sein sollte.
Es ist sicherlich wichtiger, die wirklichen Gründe für die schlechte
wirtschaftliche Performance der US-Wirtschaft in den letzten Jahren zu
identifizieren. Im Jahr 2003 verkündeten führende Fed-Mitglieder, dass
die US-Wirtschaft hauptsächlich unter einem"unwillkommenen Rückgang
der Inflationsrate" leiden würde (so Fed-Gouverneur Ben Bernanke am
23. Juli 2003 in San Diego).
Wenn man bedenkt, dass die US-Wirtschaft zuvor dank des schnellsten
Wachstums bei Geldmenge und Krediten einen Boom gesehen hatte, dann
wird klar, dass dies eine absurde Schlussfolgerung war. Aber einige
Fed-Mitglieder schafften es, mit der Deflationsangst, die sie erweckt
hatten, die Renditen an den Anleihenmärkten nach unten zu reden.
Aber was hatte die US-Wirtschaft im Jahr 2000 wirklich in die Krise
gebracht? Kurz gesagt: Einige Jahre von noch nie da gewesenen
Kreditexzessen. Ich weiß, dass es für viele Menschen undenkbar ist.
Aber es ist ein berüchtigter historischer Fakt, dass ernsten
Depressionen immer eine Politik des extrem leichten Geldes und
außerordentliche Kreditexzesse vorausgingen. Eine Politik des knappen
Geldes kann zu leicht geändert werden, um Grund für eine tiefere Krise
zu sein. Ironischerweise waren es immer niedrige Inflationsraten, die
die Zentralbanken zu einer exzessiven Kreditexpansion fehlgeleitet
haben.
Aber es gibt auch andere wichtige Ungleichgewichte, die völlig
ignoriert werden. Eins davon ist die gewaltige Lücke, die sich in den
USA zwischen der praktisch stagnierenden Güterproduktion und der
sprunghaft steigenden Nachfrage (gemessen an den
Einzelhandelsumsätzen) auftut. Während die Nachfrage von Rekord zu
Rekord steigt, läuft da die industrielle amerikanische Produktion, die
eigentlich einen Großteil der Produkte, die in den Geschäften verkauft
werden, liefern sollte, hinterher. Die sich vergrößernde Differenz
spiegelt sich natürlich im steigenden amerikanischen
Handelsbilanzdefizit wieder.
Seit mehr als 2 Jahren hält die Fed die Leitzinsen bei 1 %. Dieser
Wert liegt unter der Inflationsrate. Aber anstatt das
Wirtschaftswachstum direkt zu fördern, hat das stark steigende Kurse
bei fast allen großen Anlageklassen stimuliert. Die wiederum haben die
Konsumausgaben beflügelt. Steigende Immobilienpreise und die erhöhte
Fähigkeit und Bereitschaft der Hausbesitzer, bestehende Hypotheken zu
erhöhen, sind - angesichts minimaler privater Ersparnisse - die
Antriebskräfte für die Wirtschaft und für die Börsen geworden.
Die derzeit wichtigste Frage ist natürlich, ob diese ultra-leichte
Geldpolitik und die mit ihr zusammenhängende Preisentwicklung bei den
Vermögenswerten das Fundament für eine normale, sich selbst tragende
wirtschaftliche Erholung gelegt hat.
Viel Glück, Dr. Greenspan.
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