- Wie konnte Bayern den Staatsbankrott abwenden? - dottore, 15.05.2004, 17:47
- Re: Das mit Bremen ist nicht nett. Hat es doch die höchste Millionärsdichte. (o.Text) - Easy, 15.05.2004, 18:10
- Re: Das mit Bremen ist nicht nett. Hat es doch die höchste Millionärsdichte. (o.Text) - Boyplunger, 15.05.2004, 23:46
- Wie die Finnen, Schweden und Dänen ihren Staatshaushalt saniert haben - Helmut, 16.05.2004, 11:33
- Re: Wie die Finnen, Schweden und Dänen ihren Staatshaushalt saniert haben - dottore, 16.05.2004, 14:26
- Re: der Staat geht dennoch nicht bankrott - Fremdwort, 16.05.2004, 17:54
- Re: Und ob! - dottore, 16.05.2004, 19:06
- Re: dringend Begriffe klären! - Fremdwort, 16.05.2004, 21:04
- Re: Meine sind völlig klar - dottore, 17.05.2004, 12:19
- Re: nein, verwendest sie anders, aus idealistischer Sicht - Fremdwort, 17.05.2004, 14:35
- Re: Meine sind völlig klar - dottore, 17.05.2004, 12:19
- Re: dringend Begriffe klären! - Fremdwort, 16.05.2004, 21:04
- Re: Und ob! - dottore, 16.05.2004, 19:06
- Re: der Staat geht dennoch nicht bankrott - Fremdwort, 16.05.2004, 17:54
- Re: Wie die Finnen, Schweden und Dänen ihren Staatshaushalt saniert haben - dottore, 16.05.2004, 14:26
- Re: Das mit Bremen ist nicht nett. Hat es doch die höchste Millionärsdichte. (o.Text) - Easy, 15.05.2004, 18:10
Wie konnte Bayern den Staatsbankrott abwenden?
-->Hi,
die Finanzlage Bayerns hatte sich 1790 ff. immens verschlechtert. Das Land, erst Kurfürstentum, dann Königreich, wandelte laufend am Rand des Bankrotts. Ohne mit Einzelheiten zu langweilen (dazu gibt es die Monographie von Ullmann 1986) sind einige Highlights erwähnenswert:
- die Pro-Kopf-Verschuldung verdoppelte sich bis 1817/18 von 15 auf 30 fl.
- es musste alle Varianten der Schuldenaufnahme durchgespielt und der Überschuldung durchlitten werden, u.a. musste auf dem Höhepunkt der Krise der Fiskus für 585.000 Kasseneinnahmen Obligationen über 1,3 Mio begeben (Verlust 55 %), es wurden Wechsel geritten, Lotterie-Anleihen begeben, kurzfristig (allerdings in Maßen) Staatspapiergeld, der Staat musste Obligationen als Steuerzahlung akzeptieren, es kam zu Ausschreitungen an den öffentlichen Kassen, usw.
Aus dem Finanzdepartement war zu hören:
"Kein Staat darf ebensowenig als ein Privatmann gedulden, dass die jährlichen Kurrenteinnahmen von den Kurrentausgaben überstiegen werden, und wenn man vollends auf den unglücklichen Gedanken verfällt, Kurrentdefizite durch Anleihen und Schulden zu decken, dann rennt er mit riesigen Schritten in den Abgrund des Verderbens, dann lösen sich alle Bande der Ordnung auf, dann benimmt er sich durch solch eine der ganzen gesunden Vernunft widerstehenden Haushaltung aller Mittel seinen Wohlstand zu verbessern - alle Quellen mehrerer Einnahmen werden verstellt, weil er nicht mehr imstande ist, die allergeringste Auslage auf deren Erhöhung zu machen -, die von Tag zu Tag anwachsenden Zinsen rauben ihm sogar jene Mittel, mit welchen er sein alleräußerstes Bedürfnis fortschleppen könnte."
Also just, wie wir es heute wieder mal erleben.
Dennoch kam Bayern vom Haken, wenn auch wirklich knapp. Wie das? Und ginge es heute auch so?
1. Es trat Gebiete und die dort domizilierten Schulden ab (an Ã-sterreich, das legte seinerseits 1811 seinen bekannten Staatsbankrott hin). Die BRD oder einzelne Bundesländer (Bremen, Saar, Osten) abtreten? An wen?
2. Es konnte die Pensionslasten deutlich senken, da viele Pensionäre starben (vor allem jene aus den übernommenen geistlichen Territorien). Bei uns steigen die Pensionslasten erst noch so richtig an. Von den Renten ganz zu schweigen.
3. Das Heer konnte redimensioniert werden, als Napoleon besiegt war. Wir sind bei den diesbezüglichen Kürzungen schon ziemlich am Ende. Von den steigenden Kosten des"Kriegs gegen den Terrorismus" ganz zu schweigen.
4. Domänen bzw. Kirchen und Klöster inkl. Inhalt wurden en masse verkauft. Mit dieser Art von"Tafelsilber" ist es heute nicht weit her (T-Aktien, Buba-Gold usw. reichen bei weitem nicht und hülfen außerdem nur ein Mal).
5. Man erhielt neue Gebiete (und Steuerquellen) zugeschlagen, dabei einige schuldenfreie, so dass keine Schulden mit übernommen werden mussten. Was die BRD zuletzt"übernommen" hatte und mit welchen immer noch unklakulierbaren Konsequenzen, ist bekannt.
6. Die"alten" Hauptgläubiger (Kirche und Stiftungen) konnten schlank enteignet werden. Das geht bei Privatgläubigern (inkl. Banken, Fonds, Versicherungen) heute nicht mehr.
7. Die Staatsschuldentilgungskommission wurde in Bankrott geschickt. Solche Zahlungseinstellungen von"Sondervermögen" heute unvorstellbar.
8. Frankreich, das sich per Staatsbankrott 1788 plus Revolution plus Assignaten-Inflation entschuldet hatte und überdies unter Napoleon reichlichst rauben konnte, zahlte Kontributionen. Ach wär das schön, wenn die BRD heute von irgendjemand so etwas bekäme - bloß wer könnte es sein?
9. Verbesserte Verschuldungs- (= Liquiditätsbeschaffungs)möglichkeit durch den neu entstehenden"allgemeinen Kapitalmarkt" (bis dahin war man auf einzelne Finanziers angewiesen). Heute längst weltweit etabliert, sogar auf den Fidschi-Inseln können deutsche Anleihen gekauft werden.
10. Straffung und Zusammenlegung der Verwaltung. Solche"Ent-Föderalisierung" Richtung Zentralstaat trotz aller Föderalisierungsreform-Bestrebungen heute Wunschdenken. Dafür sorgen schon Bsirske & der deutsche Beamtenbund.
Im Wesentlichen hatte Bayern damals Glück gehabt (Kriegsglück) und das, was es letztlich vom Haken geholt hatte (die Entstehung eines"unpersönlichen" Kapitalmarkts) ist heute ausgereizt. Was damals möglich war (Ullmann:"Verrechtlichung, Zentralisierung, Unifizierung, Fundierung und Kommerzialisierung") ist heute bei der Staatsverschuldung gang und gäbe.
Die Zinsbelastung gemessen an den Einnahmen konnte damals bei 12 % stabilisiert werden. Leider schaut das heute anders aus.
Das als Dessert zur jüngsten Darstellung der bundesdeutschen"Finanzlage" + schönen Gruß zum Wochenende!

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