- Daily Reckoning/ Deutsche Fassung - Sorrento, 25.05.2004, 21:10
Daily Reckoning/ Deutsche Fassung
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I N V E S T O R ' S D A I L Y
Der E-Mail-Dienst für Investoren, Ausgabe vom 25. Mai 2004
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* Spekulationen, Theorien und gewagte Thesen - alles was das
Investorenherz begehrt
* US-Konjunkturdaten
* Ifo-Index und Auslandsnachfrage
* Vodafone steigert Gewinn erwartungsgemäß - Aktie fällt
* Alan Greenspan und die silberne Bowle-Schüssel
* Eine langweilige Woche an der Wall Street
* Gold, Bilanzen und der Irak
* Die Tugend der Unergründlichkeit
* Über den Investor Verlag
* Empfehlen Sie"Investor's Daily" weiter
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Dienstag, 25. Mai 2004
Spekulationen, Theorien und gewagte Thesen - alles was das
Investorenherz begehrt
von Jochen Steffens
Allerlei Spekulation höre ich in den Medien zu dem Thema, warum der
Ã-lpreis derart hoch steht. Die geopolitische Unsicherheit, die
bevorstehende Urlaubssaison und der gestiegene Rohölbedarf von China
und Indien werden genannt. Das geht bis hin zu der Meinung, die Opec
könne nicht mehr genug fördern, um den gestiegenen Ã-lbedarf zu decken.
Warten wir einfach ab, was vor der US-Wahl passiert. Wahrscheinlich
werden die gleichen Analysten viele Gründe dafür finden, warum der
Ã-lpreis dann plötzlich sinkt. Wir wissen, in dem Moment wo der Ã-lpreis
vor der Wahl einbricht, was der wahre Grund für den aktuellen Anstieg
gewesen ist: Wahlkampftaktik. Bis dahin ist es bloße Theorie.
Aber mit dieser Theorie im Hinterkopf verwundert es mich nicht, dass
die Opec derart zögerlich damit ist, die Förderquoten anzuheben.
Offenbar wissen auch sie, dass der Ã-lpreis fundamental eigentlich
übertrieben hoch ist.
Es ist so sicher, wie das Amen in der Kirche, dass die Bevölkerung in
den USA Bush nicht wiederwählen wird, wenn sie auch noch vor der
US-Wahl für Benzin so viel Geld bezahlen müssen. Da sind die Amis
eigen. Allein wenn man dann an die guten Beziehungen von Bush zur
Ã-lindustrie denkt, wird einem klar sein, dass etwas mit den
Benzinpreisen passieren muss. Zumal diese Industrie, diese
amerikanischen Ã-lbosse nur eins im Sinn haben, dass Bush weitere 4
Jahre an der Macht bleibt.
So gerne gerade die deutsche Presse Bush bereits als Wahlverlierer
sehen will, so sehr sie seinen Untergang jetzt schon vorwegschreiben,
so wenig bin ich davon überzeugt. Hier werden Begründungen angebracht,
dass noch nie ein Präsident eine zweite Wahlzeit gewonnen hätte,
nachdem er zuvor so schlechte Umfrageergebnisse vorzuweisen hatte. Das
etwas noch nie so war, heißt nicht, dass es nie so sein wird. Manchmal
leben Totgesagte einfach länger, obwohl ich nicht weiß, ob die USA aus
ökonomischer Sicht eine zweite Amtszeit Bush überleben wird.
Erst heute ist mir wieder aufgefallen, wie geschickt es ist, die Macht
im Irak bereits Ende Juni an die Übergangsregierung im Irak zu
übergeben. Weit vor der Wahl. Deswegen wird wohl auch an diesem Termin
nicht gerüttelt. Das könnte den Wahlausgang gefährden.
Gestern hat Präsident Bush einen 5 Punkte Plan vorgestellt mit dem er
für Demokratie und Freiheit im Irak sorgen will. Man kann diesen 5
Punkte Plan in den Themenbereich Wahlkampf eingliedern und muss nicht
sonderlich darauf eingehen. Ich fand allerdings einige Passagen
durchaus interessant. Besonders die, in denen Bush indirekt über die
Folgen eines Scheiterns redete.
Wenn die Tyrannei in den Irak zurückkehre, so drückte es Bush aus
(soll heißen, wenn wir im Irak scheitern), wäre es ein einmaliger Sieg
für die Terroristen und ein Grund für die Mörder sich zu freuen.
Dieser Sieg würde die Terroristen noch wagemutiger machen, das würde
zu mehr Bombenanschlägen, mehr Enthauptungen und mehr Morden an
Unschuldigen in der zivilisierten Welt führen. Recht hat er. Genau das
würde passieren. Und deswegen wird die USA auch noch für lange Zeit
ihre Soldaten im Irak lassen müssen. Da wird auch die Übergabe der
Souveränität an die irakische Übergangsregierung nichts helfen.
Ausgelassen hat er, welche Folgen ein Abzug der amerikanischen Truppen
für die gesamte Region, damit für den Ã-lpreis und damit für die
Weltwirtschaft hätte. Man will schließlich nicht unnötig Panik
verbreiten. Dann sagte er noch einen interessanten Satz. Er sagte,
dass das Versagen der Freiheit nur den Beginn von Unheil und Gewalt
bedeutet. Ob man diesen Satz kommentieren muss?
Der Ã-lpreis ist wieder auf Rekordniveau gestiegen, weil die Opec
angedeutet hat, dass sie durchaus auch für längere Zeit einen Ã-lpreis
über 30 Dollar akzeptieren könne. Analysten befürchten nun, dass
eventuell am 3. Juni bei der Opec-Konferenz beschlossen werden könnte,
die Ã-lpreisspanne, die bisher zwischen 22 und 28 Dollar liegt, auf
einen oberen Wert über 30 Dollar auszuweiten. Die Folge: Der Ã-lpreis
explodierte wieder.
Der Dax zeigte sich heute aufgrund des wieder gestiegenen Ã-lpreises
deutlich schwächer. Wie gesagt, im Moment gibt der Ã-lpreis den Takt an
den Börsen an.
Silber hat nun die 6 Dollar Marke (Hoch 6,12 Dollar) überwunden. Sagen
Sie nicht, ich hätte nicht genug drauf hingewiesen. Doch nach wie vor
gilt die 6,30 Dollar Marke als entscheidend. Der Euro steigt aufgrund
der Ã-lpreisexplosion (der Dollar wird schwächer) und hat heute seinen
Abwärtstrend, der seit Anfang des Jahres besteht, nach oben verlassen.
Wenn nicht eine drohende Zinserhöhung in den USA anstehen würden,
würde ich nun einen Einstieg in den Euro überlegen. Und Gold bequemte
sich heute auch wieder im Hoch über die 390er Marke. Ich stimme da mit
Bill Bonner überein und frage mich, ob das nun der Boden beim Gold
war...
Ein weitere gewagte These lesen Sie bei den US-Konjunkturdaten:
Dienstag, 25. Mai 2004
US-Konjunkturdaten
von Jochen Steffens
Um 16.00 Uhr wurde die Zahl zu den Verkäufen bestehender Häuser für
April 2004 veröffentlicht. Diese Zahl ist auf 6,64 Mio. gestiegen.
Erwartet wurden 6,40 bis 6,45 Mio. Hausverkäufe nach zuvor 6,48 Mio.
Der Immobilienmarkt scheint also noch weiter zu brummen.
Der Index zum Verbrauchervertrauend des Conference Borads für Mai 2004
konnte leicht auf 93,2 Zähler zulegen. Erwartet wurde der Index bei
93,0 bis 94,0 nach zuvor 93,0 (revidiert von 92,9). Damit ist es etwas
weniger gestiegen als der Schnitt der Erwartungen von 93,5 Punkten.
Das könnte die Märkte leicht beflügeln.
Der hohe Ã-lpreis und die in letzter Zeit schlechteren Konjunkturdaten,
sollten eigentlich die Zinserhöhungsangst, die direkt hinter der Angst
vor dem hohen Ã-lpreis steht, zeitlich weiter nach hinten
verschieben...
Vielleicht ist doch etwas an dem Gerücht dran, dass die US-Zinsen erst
im Herbst steigen werden. Es würde passen. Vielleicht werden die
Zinsen kurz vor der Wahl in einen deutlich fallenden Ã-lpreis erhöht.
Dann noch ein Kommentar der Fed, dass man nun nach einem Zinsschritt
von vielleicht sogar 0,5 Basispunkten erst einmal"längere Zeit"
wieder abwarten werde. Ich kann mir vorstellen was dann passiert: die
Märkte explodieren. Das ist jedoch bisher nichts weiter, als eine sehr
gewagte These - aber eine interessante!
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Dienstag, 25. Mai 2004
Ifo-Index und Auslandsnachfrage
von Jochen Steffens
Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist zwar im Mai leicht gesunken, lag
jedoch mit einem Wert von 96,1 Punkten in den Erwartungen. Im Vormonat
hatte der Ifo-Geschäftsklima bei 96,3 Punkten gelegen.
Einige Analysten zeigten sich trotzdem positiv gestimmt, da zwar die
Beurteilung der aktuellen Lage schlechter ausgefallen ist, sich jedoch
die Erwartungen der Unternehmen für die nächsten 6 Monate verbesserte.
Das interessante daran ist, das diese Verbesserung trotz des hohen
Ã-lpreises eingetreten ist.
Dazu passt die gestern vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte
Zahl zur Nachfrage aus dem Ausland. So ist der Export um 4,6 % zum
Vorquartal gestiegen. Das BIP in Deutschland wuchs in Folge der
gestiegenen Exporte um 0,4 %: Das ist das stärkste Wachstum seit drei
Jahren. Die Binnenkonjunktur bleibt jedoch nach wie vor schwach.
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Dienstag, 25. Mai 2004
Vodafone steigert Gewinn erwartungsgemäß - Aktie fällt
von Jochen Steffens
Der weltgrößte Mobilfunkkonzern Vodafone konnte seinen Kundenstamm in
dem im März zu Ende gegangenen Geschäftsjahr um 13,7 Millionen Nutzer
auf weltweit 133,4 Millionen steigern. Der Umsatz legte um gut 10 %
auf 33,6 Mrd. Pfund zu. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und
Abschreibungen (Ebitda) kletterte um 13 % auf 12,64 Mrd. Pfund. Damit
wurden die Erwartungen leicht verfehlt.
Vodafone will nun trotz der geplanten vollständigen Übernahme seiner
japanischen Töchter, auch das Aktienrückkauf-Programm weiter
aufstocken. Daneben ist auch noch eine Dividendenerhöhung geplant.
Das Nettoergebnis wird erneut durch die Zukäufe der zurückliegenden
Jahre, mit deren Hilfe Vodafone binnen kurzer Zeit zum Weltmarktführer
aufgestiegen ist, belastet. Abschreibungen auf Firmenwerte führten zu
einem Nettoverlust von 4,23 Milliarden Pfund. Vodafone hat somit
bislang mehr als 40 Mrd. Pfund auf diese Zukäufe abgeschrieben.
Vodafone verliert 6,3 % auf 127 Pfund.
Dienstag, 25. Mai 2004
Alan Greenspan und die silberne Bowle-Schüssel
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
Bis jetzt halt William McChesney Martin den Rekord als längster
Fed-Vorsitzender. Wenn Alan Greenspan bis zum Ende seiner nächsten
Amtszeit überlebt, dann wird er Martin übertroffen haben.
Aber Greenspan hat Martin bereits auf mehrere Arten übertroffen.
Martin hat die Fed als Spielverderber betrachtet. Immer dann, wenn die
Dinge aus dem Ruder liefen, dann hatte die Fed seiner Ansicht nach
"Die Punsch-Bowle wegzutragen".
Sein Nachfolger Paul Volcker trug die Punsch-Bowle in den frühen
1980ern weg, und er setzte praktisch die gesamte Volkswirtschaft auf
sofortigen Entzug. Die Investoren schwitzten und zitterten, als die
Aktienkurse fielen und die Renditen der US-Staatsanleihen auf über
15 % kletterten. Die zuvor Feiernden waren so aufgeregt, dass sie vor
dem Finanzministerium in Washington ein Bild von Volcker verbrannten.
Aber sein Nachfolger ist ein wirklicher Partylöwe; wenn jemand eine
Party verdirbt, dann ganz bestimmt nicht der aktuelle Fed-Vorsitzende.
Die Konsumentenschulden in den USA haben neue Rekorde erreicht... die
Hauspreise in Los Angeles steigen um 30 % pro Jahr... und die
Spritweise sind teuerer als je zuvor... und Alan Greenspan füllt die
Punsch-Bowle auf. Der Fed-Vorsitzende sorgt für Nachschub, indem er
die Leitzinsen bei 1 % lässt (das erste Mal seit der
Weltwirtschaftskrise sind sie so niedrig). Die Anleihen-Investoren
sprechen schon schleppend; wie sonst kann man zu so niedrigen Renditen
auch noch US-Anleihen kaufen, als ein bisschen benebelt?
"Sie erlauben einem, eine Menge verrückter Dinge zu tun", sagte ein
Hypothekenbanker in der Detroit Free Press, wobei er sich auf die
niedrigsten Zinssätze seit 2 Generationen bezog.
Leser aus abstinenten Ländern mögen es nicht wissen - aber Alkohol
wird manchmal als"soziales Schmiermittel" bezeichnet. Wenn man genug
Alkohol in einer Bowle hat, dann geraten die Leute oft in Situationen,
die sie später bereuen werden.
So werden sich die Konsumenten wahrscheinlich nicht über die Schulden
freuen, die sie unter dem Schmiermittel von Alan Greenspan aufgenommen
haben. Hausbesitzer werden z.B. bedauern, dass sie hohe Hypotheken zu
flexiblen Zinssätzen aufgenommen haben - wenn die Zinsen steigen und
die Zeit der Rückzahlung kommt. Und auch die Aktienbesitzer werden dem
Fed-Vorsitzenden keine Dankesschreiben senden, wenn der Dow Jones
fällt.
Aber nicht jeder Partygänger wird unter einem Kater leiden müssen.
Wenn man früher geht, dann kann sich z.B. ein Aktienkäufer freuen.
Diese frühen Verkäufer sollten dankbar sein. Sie könnten sich sogar
zusammentun und dem Fed-Vorsitzenden ein kleines Geschenk kaufen.
Vielleicht eine silberne Bowle-Schüssel. (Mehr zu Greenspan auch im
Beitrag ganz unten).
In der New York Times konnte ich einen Artikel mit der Überschrift
"Die Unternehmens-Insider verkaufen wie 1999" lesen:
"Vorstände haben in den ersten 4 Monaten des Jahres Aktien des eigenen
Unternehmens im Volumen von 14,4 Milliarden Dollar verkauft,
verglichen mit 4 Milliarden in der Vorjahresperiode, laut Thompson
Financial."
Dank Alan Greenspan"haben noch niemals so viele Leute so viel Geld
verdient", so Charlie Munger auf der jüngsten Hauptversammlung von
Berkshire Hathaway (Anlagegesellschaft von Warren Buffett) in Omaha.
Aber jetzt zu den aktuellen Ereignissen... mit mehr News von Eric,
direkt aus New York:
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Dienstag, 25. Mai 2004
Eine langweilige Woche an der Wall Street
von unserem Korrespondenten Eric Fry an der Wall Street
Letzte Woche hatte sich an der Wall Street nicht gerade viel getan.
Und immer dann, wenn nicht viel passiert, dann haben wir
Finanzredakteure die Aufgabe, aus dem Nichts etwas zu machen... also
los geht's:
Der Dow Jones gab per saldo 46 Punkte ab, auf 9.966, während der
Nasdaq 8 Punkte gewann, auf 1.912 Zähler."Jeden Tag verbrachte der
Dow Jones einige Zeit über der Marke von 10.000 Punkten, und jeden Tag
schloss er ein bisschen darunter - das mitzubekommen war sogar noch
langweiliger als davon zu lesen..." so beobachtete Michael Santoli
vom Barron's Magazin.
Am US-Anleihenmarkt ist per saldo fast gar nichts passiert, die
Rendite der 10jährigen Anleihen ist auf Wochenbasis von 4,77 % auf
4,76 % gefallen. Gähn.
Aber während es an der Wall Street wirklich langweilig war, da gab es
an den Emerging Marktes eine regelrechte Party. So, wie sich Teenager
verhalten, deren Eltern für ein Wochenende verreisen. In Hongkong
stiegen die Kurse um 6,7 %, während der Nikkei über 2 % gewann.
Auch an den Rohstoffmärkten war es zumindest etwas spannend: Gold und
Silber haben wieder zugelegt, der Ã-lpreis erreichte zunächst neue
Allzeithochs, fiel dann aber etwas zurück. Aber die Autofahrer könnten
diese Woche etwas Erleichterung bekommen, denn die OPEC verspricht,
ihre tägliche Ã-lproduktion zu erhöhen.
Also was bedeutet das alles? Hat der amerikanische Aktienmarkt die
ganzen schlechten Nachrichten bereits"eingepreist"? Oder muss der Dow
Jones noch ein bisschen weiter fallen - zum Beispiel bis auf 4.000
Punkte -, bevor das ideale theoretische Gleichgewicht zwischen
schlechten Nachrichten und Bewertung der Aktien erreicht ist?
Natürlich weiß ich das nicht, aber ich denke, dass die US-Aktien
wieder fallen werden, nachdem sie mit der aktuellen Rally aufgehört
haben. Eine nachhaltige Rally bei US-Finanztiteln und auch den Aktien
der Emerging Marktes scheint angesichts des Umfelds der steigenden
Zinsen wenig wahrscheinlich zu sein.
Die Bullen denken, dass der Aktienmarkt eine Spiralfeder ist, die sich
jeden Moment strecken kann und die großen Indizes auf neue Jahreshochs
befördern wird. Und die Bären denken, dass der Markt"verschmutzt"
ist, ungenießbar für menschlichen Konsum - eine Ansammlung von Müll in
Form von überbewerteten und durch einen Hype nach oben beförderten
Aktien.
Kein Zweifel: Die Wahrheit liegt irgendwo zwischen diesen beiden
Extremen. Und nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wird. Oder
noch besser, nehmen Sie den Rat von Jimmy Rogers: Vergessen Sie das
kochende Wasser, trinken Sie Bier.
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Dienstag, 25. Mai 2004
Gold, Bilanzen und der Irak
von unserem Korrespondenten Bill Bonner, derzeit in London
*** Der Dollar fällt wieder. Der Goldpreis ist auf über 385 Dollar
gestiegen. Könnte es sein, dass der Goldpreis endlich seinen Boden
gefunden hat... 25 Dollar unter dem Niveau, von dem ich gedacht
hatte, es sei der Boden?
***"Unserem ganzen Berufszweig geht es schlecht", erzählte mir
letztes Wochenende ein französischer Buchhalter.
"Es gibt immer mehr Regeln... immer mehr Codes... immer mehr
Gesetze. Sie kommen nicht nur aus Paris, sondern jetzt auch aus
Brüssel. Und je mehr Regeln es gibt, desto mehr Korruption gibt es.
Denn die neuen Regeln geben mehr Interpretationsmöglichkeiten..."
"Die Bilanzierung ist eigentlich sehr einfach. Und man vertraute
diesem Handwerk. Wenn ein Wirtschaftsprüfer die Zahlen selbst eines
großen Unternehmens abgesegnet hatte, dann konnte man sicher sein,
dass diese Zahlen ziemlich sicher waren... man konnte sich auf die
Regeln verlassen. Jetzt werden Gesetze verabschiedet, um diesen
Berufszweig zu regulieren, und jeder betrügt."
"Ein großer Teil dieses Problems kommt aus der angelsächsischen Welt.
Das ist merkwürdig. Denn es waren die Engländer, deren Rechtssystem
auf dem Gewohnheitsrecht basierte... während es auf dem Kontinent
festgelegte Gesetze gab, wie den Code Napoleon. Aber jetzt importieren
wir aus England und Amerika die schlimmsten Bilanzierungsprinzipien."
"Jetzt gibt es überall Buchhalter, die versuchen, den 'Shareholder
Value' zu erhöhen. Was für eine Masche! Als ob die Aktien mehr wert
würden, wenn man die Bilanzierungspraxis ändert! Ich war von diesem
ganzen Thema so abgestoßen, dass ich ein Buch darüber geschrieben
habe."
"Und wie viele Ausgaben haben Sie schon verkauft?"
"150."
*** Ich bin weiterhin verblüfft und bestürzt über Thomas L. Friedman,
den Kolumnisten der New York Times. Ich frage mich, was für Brot er
isst, und was für Luft er atmet. In seiner Kolumne von letzter Woche
gab er Indien einen Rat. Und welchen Rat gab er den 900 Millionen
Indern? Er sagte, sie müssten ihr politisches System"reformieren".
Das ist ein weiterer Erkenntnis-Durchbruch, oder was meinen Sie? Wieso
haben die Inder da noch nicht vorher dran gedacht?
Selbst sein Laptop muss Friedman ausgelacht haben.
Und gestern schrieb Friedman wieder über den Irak. Nachdem er zuvor
Amerika aufgefordert hatte, in den Krieg zu ziehen - mit dem
Versprechen leichten Ruhmes und ewig dauernder Dankbarkeit der Iraker
- stellt er jetzt fest, dass Selbstmordattentäter versuchen, die
Amerikaner los zu werden."Leute der Massenvernichtung" nennt er sie.
Er räumt ein, dass er keine Ahnung hat, wer diese Leute sind - aber
irgendwie meint er zu wissen, ihre philosophische Einstellung zu
kennen. Sie seien"Nihilisten", sagt er, und er fügt hinzu, dass sie
sich selbst in die Luft sprengen, damit ihre Gebete im Himmel
beantwortet werden. Das wäre zwar ein merkwürdiger Nihilist, der an
ein Leben nach dem Tod glaubt, aber immerhin kann man einem Mensch in
kleinen Stücken keine Fragen mehr stellen.
Nun, also was kann man laut Friedman gegen diese neue Herausforderung
durch die gläubigen Nihilisten tun?"Die Autorität und Sicherheit im
Irak an die Iraker abgeben, sobald sie damit umgehen können... wir
müssen dieses Theater schließen, bevor es uns zu nahe kommt."
Also das ist eine Idee, der wir alle zustimmen können. Lasst uns
einfach diese Selbstmordattentate stoppen. Ok. Richtig.
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Dienstag, 25. Mai 2004
Die Tugend der Unergründlichkeit
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
Wie oben angekündigt - jetzt mehr zu Alan Greenspan. Ein kleiner
Rückblick: Im Herbst 1999 legte Greenspan einmal mehr Zeugnis von der
Fed-Fähigkeit ab, um die Ecke schauen zu können."Die Tatsache, dass
die ökonometrischen Modelle der Fed, die die besten der Welt sind, 14
Quartale in Folge falsche Prognosen geliefert haben, heißt nicht, dass
sie im 15. Quartal wieder schief liegen werden."
Es gibt eine Filmaufnahme von Greenspan während dieser Rede. Es lässt
sich klar erkennen, dass er bei diesem Satz weder verschmitzt lächelte
noch in sich hineinkicherte. Aber wenn die Fed nicht in der Lage war,
die bevorstehende ökonomische"Verkehrslage" zu prognostizieren - wie
konnte sie dann Kollisionen verhindern? Die Wahrscheinlichkeit, dass
sie es konnte, war gering..
Doch immer noch schien der Greenspan Put den Anlegern eine Art
Sicherheits-Wette zu ermöglichen. Wenn es wirklich ganz schlimm kommen
würde, dann könnte Schleusenwärter Greenspan der Politik des leichten
Geldes freien Lauf lassen, wie er es getan hatte, als LTCM (der Long
Term Capital Growth Hedge Fund) kurz vor dem Ruin stand, oder als die
asiatische Währungskrise sich zu einer Bedrohung der Weltmärkte
auswuchs. Die Kontrolle der Fed über die Bewässerungsanlagen sorgte
dafür, dass das Grün für die Golfer im internationalen Wettbewerb der
Kapitalmärkte wirklich grün blieb - soweit die Ansicht der Wall
Street.
Bis zum Ende des Jahres 2000 hatte die Nasdaq ihre historischen
Höchststände um die Hälfte korrigiert. War es nicht längst an der
Zeit, die Put Option auszuüben, die Schleusentore zu öffnen und das
Feld zu bewässern? Für Greenspan war in dieser Situation wohl
offensichtlich wichtig, nicht zu schnell zu handeln. Das Haupt-Risiko
war eher moralischer Natur. Wenn die Anleger weiterhin Verlustrisiken
aus ihrem Anlagemenü ausschließen konnten, dann würden sie dazu
verführt, noch risikoreichere Wetten einzugehen. Greenspan war sich
zudem der Tugend der Unergründlichkeit voll bewusst.
Hätte jemand seine Antworten im Voraus ablesen können, wären sie an
den Märkten bereits"diskontiert", also eingearbeitet worden. So
steckte er in der Falle: Solange die Ã-ffentlichkeit noch an den
sogenannten Greenspan Put (gedachte Form einer Absicherung) glaubte,
würden Aktien zu immer unmöglicheren Kursen gekauft werden. Und warum
auch nicht? Schließlich gab ihnen die Put Option eigentlich die
Garantie, dass sie damit kein Geld verlieren konnten. Würde der
Fed-Vorsitzende aber nun auf die Ausübung seiner Put-Option
verzichten, dann blieb den Märkten nichts anderes übrig, als in sich
zusammen zu fallen - mit all den unangenehmen Begleiterscheinungen,
die er eigentlich vermeiden wollte.
Die Fed beanspruchte für sich, bei der Festsetzung ihrer Zinssätze den
Aktienmarkt niemals im Auge gehabt zu haben. Mag sein, dass das der
Wahrheit entspricht. Als der Aktienmarkt kontinuierlich nach oben
lief, fühlten sich die Menschen reicher und waren deshalb
ausgabefreudiger. Der Aktienmarkt schuf tatsächlich Werte in Form von
Aktienoptionen und Depotwerten, die gegenüber der Wertschöpfung der
Realwirtschaft wirklich eine ernstzunehmende Konkurrenz boten. Das
konnte die Fed genauso wenig ignorieren, wie sie es zur Zeit der
Zerstörung dieser Werte ignorieren konnte. Also würde er die Zinsen
senken... das wusste jeder.
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