- "Weshalb man 300 Jahre [Mittelalter-]Geschichte nicht einfach erfinden kann" - JoBar, 30.05.2004, 21:27
- Re:"Weshalb man 300 Jahre.. Geschichte nicht einfach erfinden kann" - JoBar - nereus, 31.05.2004, 10:31
- Re: Geschichte nicht einfach erfinden kann" - nereus: Habe noch nachgefaĂt - JoBar, 31.05.2004, 14:47
- Offener Brief an Illig - Euklid, 31.05.2004, 15:03
- Boah! Der Gegenbeweis dĂŒrfte Illigs These das Genick brechen... (o.Text) - LeCoquinus, 31.05.2004, 17:10
- Da gibts noch mehr aufzuarbeiten - Euklid, 31.05.2004, 17:46
- Re: und Gegenrede Illigs... - MattB, 31.05.2004, 17:16
- Boah! Der Gegenbeweis dĂŒrfte Illigs These das Genick brechen... (o.Text) - LeCoquinus, 31.05.2004, 17:10
- Offener Brief an Illig - Euklid, 31.05.2004, 15:03
- Re:"Weshalb man 300 Jahre.. Geschichte nicht einfach erfinden kann" - Nereus - Dimi, 31.05.2004, 18:13
- Re: Geschichte nicht einfach erfinden kann" - nereus: Habe noch nachgefaĂt - JoBar, 31.05.2004, 14:47
- Ăberblick ĂŒber"Das erfundene Mittelalter" -und gnadenlose Verrisse in WikipĂ€dia - JoBar, 31.05.2004, 14:36
- Re:"Weshalb man 300 Jahre [Mittelalter-]Geschichte nicht einfach erfinden kann" - bernor, 31.05.2004, 19:11
- Mir scheint hier verteidigt ein GlÀubiger voller Inbrunst seinen Glauben. - JoBar, 01.06.2004, 20:34
- Leider falsch - bin schon lange kein"inbrĂŒnstig Glaubender" mehr... - bernor, 02.06.2004, 01:21
- Mir scheint hier verteidigt ein GlÀubiger voller Inbrunst seinen Glauben. - JoBar, 01.06.2004, 20:34
- Re:"Weshalb man 300 Jahre.. Geschichte nicht einfach erfinden kann" - JoBar - nereus, 31.05.2004, 10:31
"Weshalb man 300 Jahre [Mittelalter-]Geschichte nicht einfach erfinden kann"
-->Einige Anmerkungen dazu gibt es hier http://www.dike.de/pfr-tischner/33-gesch/versch/ht-illig.htm
Weshalb man 300 Jahre Geschichte nicht einfach erfinden kann
Thesen gegen Heribert Illig
von Heinrich Tischner
I. Erfindung eines Zeitalters kaum vorstellbar
Es ist kaum denkbar, dass alle bekannten Schriften aus der Karolingerzeit innerhalb weniger Jahre"erfunden" wurden. Das betrĂ€fe ja nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa. Es hĂ€tten also auch sĂ€mtliche französischen, italienischen, pĂ€pstlichen, englischen, dĂ€nischen, arabischen, byzantinischen Dokumente gefĂ€lscht werden und die entsprechenden Geschichtsdaten, Herrschernamen, Kriege usw. erfunden und auf einander abgestimmt werden mĂŒssen, und das ist noch weniger vorstellbar. Man kann sich notfalls ausmalen, dass Otto I. die Macht hatte, deutsche falsche Dokumente ausstellen zu lassen. Aber auch auslĂ€ndische?
1. Die sprachliche Entwicklung hat Zeit gebraucht
Es gibt eine ganze Menge altdeutscher Literatur aus der Karolingerzeit, die eine Entwicklung der deutschen Sprache seit etwa 800 dokumentiert.
a. Das SpĂ€talthochdeutsche zur Zeit Ottos I. unterscheidet sich doch sehr von den Ă€ltesten Aufzeichnungen. Zudem ist die alte Sprache auch noch stark in regionale Dialekte gefĂ€chert; man kann genau zwischen frĂ€nkischen, alemannischen, bayrischen, niedersĂ€chsischen Texten unterscheiden. So etwas kann man nicht erfinden. Es wĂ€re auch sehr viel einfacher gewesen, alles auf lateinisch zu schreiben, wie im 9er Jahrhundert ĂŒblich.
b. Die Masse der altdeutschen Literatur enthĂ€lt nicht historische, sondern religiöse, wissenschaftliche, folkloristische und schöngeistige Texte, deren Sprache sich deutlich von den spĂ€rlichen Resten aus der Zeit Ottos I. unterscheidet, in der hauptsĂ€chlich lateinisch geschrieben wurde. Weshalb hĂ€tten sich die Schreiber dieser Zeit die MĂŒhe machen sollen, alle diese Schriften in einer antiquierten Sprache zu erdichten?
c. Auch in den lateinischen Schriften der Karolingerzeit, z.B. Einhard, Lorscher Codex, stehen althochdeutsche Wörter und eine Menge von Namen, die dem jeweiligen sprachlichen Stand entsprechen, den wir aus den deutschen Werken kennen, z.B. Lauresham, Raureheim in den Ă€ltesten Dokumenten neben dem jĂŒngeren Lorse, Roreheim, Ă€lteres Hluodwicus neben jĂŒngeren Ludowicus.
Im Lorscher Codex steht an vielen Stellen der Name Heimerich, der zweifellos die Vorform von Heinrich, Henricus ist, wie in den Quellen zur Zeit Ottos I. zu lesen ist.
d. Die Ă€ltesten SprachdenkmĂ€ler sowohl der deutschen als auch der französischen Sprache sind die StraĂburger Eide von 840 mit lateinischem Begleittext. Der deutsche Text ist gehalten in der damaligen rheinfrĂ€nkischen bzw. sĂŒdhessischen Mundart, die nur bei den Karolingern offizielle Amtssprache war. Unter den sĂ€chsischen Königen wĂ€re das undenkbar gewesen, wohl aber zu einer Zeit, in der die Könige Franken, vielleicht sogar wie der StaatssekretĂ€r Einhard Rheinfranken waren. Wie kommt ein FĂ€lscher darauf, so ein altertĂŒmliches Dokument statt auf lateinisch auch noch in einem antiquierten und spĂ€ter unbedeutenden deutschen Dialekt und zusĂ€tzlich auf Altfranzösisch wiederzugeben?
e. Die lateinische Sprache der Merowingerzeit war sehr verwildert (z. B. Gregor von Tours). Lateinische Texte zur Zeit Ottos I. sind wieder dem klassischen Latein angepasst. Wie kommt das? Zur Zeit Karls d. Gr. hat man sich sehr um klassische Bildung und ein gepflegtes Latein bemĂŒht und dafĂŒr den angelsĂ€chsischen Gelehrten Alkuin nach Aachen geholt. Der Kaiser soll Mitglied eines literarischen Zirkels gewesen sein, in dem man Latein sprach und sich mit lateinischen Spitznamen titulierte. In Aachen wurde der Text der lateinischen Bibel revidiert und zum Standard gemacht. Eine besondere Schreibschrift, die"karolingische Minuskel" wurde nach angelsĂ€chsischen Vorlagen kreiert. Sie sind Vorbild fĂŒr unsere heutigen Kleinbuchstaben. Die damalige"karolingische Renaissance" hat das gesamte Mittelalter geprĂ€gt. Da muss doch was zwischen den Merowingern und den Ottonen gewesen sein! Verwildern tut eine Kultur von selbst, aber zum Veredeln braucht man Zeit und Energie.
f. Karl d. Gr. hat die"Volkssprachen" Deutsch und Französisch gefördert und z. B. angeordnet, dass die alten volkssprachlichen Lieder gesammelt wurden. Sein Sohn Ludwig der Fromme hat dieses heidnische Zeug wieder vernichten lassen.
Nun sind ja verschwundene Dokumente keine Argumente. Vertreter obskurer Theorien berufen sich mit Vorliebe auf solche BeweisstĂŒcke, die es noch 1794 gab, dann aber leider, leider verschwunden sind. Ein Pluspunkt fĂŒr Illig? Nein, eins der alten Lieder hat die Vernichtung ĂŒberlebt, das Hildebrandslied in einer Kunstform, die zur Zeit Ottos I. lĂ€ngst auĂer Mode war: dem Stabreim.
2. Und das Zubehör?
Es ist unmöglich, eine ganze Epoche mit allem Zubehör zu erfinden. Beispiele:
a. Man hĂ€tte dann auch die gesamte Lebensgeschichte von Bonifatius (Zeit Karl Martells) samt allen AusstellungsstĂŒcken in Fulda (Kopfreliquie, beschĂ€digtes Buch) erfinden mĂŒssen. Das lieĂe sich vielleicht noch machen. Aber warum sollte der FĂ€lscher auf den Gedanken kommen, in den lateinischen Bonifatiusbriefen deutsche Namen"englisch" zu schreiben (z. B. Raedbodus statt Radbodus, wie sonst ĂŒblich)?
b. WÀre es denkbar, dass im Auftrag des sÀchsischen Kaisers Otto I. eine fingierte Geschichte von dem Sachsenkrieg und der Zwangsbekehrung dieses Volkes geschrieben worden wÀre?
Der Sachsenherzog Widukind war in den Augen Einhards ein Bösewicht - die Niedersachsen sind heute noch stolz auf ihn. Was hĂ€tte man 200 Jahre spĂ€ter unter einem sĂ€chsischen Kaiser fĂŒr einen Grund gehabt, Widukind zu erfinden und zum Bösewicht zu stempeln?
c. Laut Einhard wohnten damals zwischen TheiĂ und Donau die Awaren (Nachfolger der Hunnen). Otto I. hatte es aber 955 mit den Ungarn zu tun, die inzwischen dort eingefallen waren. Wie kommt der GeschichtsfĂ€lscher auf die Awaren mit ihrem tĂŒrkischen Königstitel Caganus = tĂŒrkisch hakan? Er hĂ€tte die Awaren ja erfinden können; aber woher konnte er tĂŒrkisch?
d. Der Sieg Karl Martells ĂŒber die Araber (732, und wenn's auch nur eine arabische Streifschar war), passt gut in die Geschichte der arabischen Expansion: 632 Mohammeds Tod, Expansion nach Osten, 705 Beginn der Expansion nach Westen, 711 Eroberung der iberischen Halbinsel. Wurde die arabische Geschichte auch frisiert?
e. Karl der GroĂe musste sich mit dĂ€nischen Wikingern (König Gottfried) auseinandersetzen. Otto I. und seine VorgĂ€nger hatten andere Sorgen (Slawen, Ungarn). Die Wikinger treten erstmals 793 mit dem Ăberfall auf das Kloster Lindisfarne in England in Erscheinung (= Zeit Karls d. Gr.) Ist die englische Geschichte auch gefĂ€lscht?
3. karolingische Bauwerke
Ich bezweifle, dass es in Westeuropa so wenige karolingische Bauwerke gibt. Ich verstehe nicht viel davon, kenne aber mindestens auĂer dem Aachener Dom: die Reste der Ingelheimer Pfalz, den Zullestein und die Einhardsbasilika in Steinbach. Die SeligenstĂ€dter Abtei wurde von Einhard gegrĂŒndet, dann aber durch Umbauten völlig verĂ€ndert, so dass von der ursprĂŒnglichen Anlage kaum noch etwas zu erkennen ist - das trifft wohl fĂŒr viele alte GebĂ€ude zu. In der Klosterkirche Corvey gibt es Reste einer karolingischen Wandmalerei. Das Kloster Lorsch selbst wurde von Pippin gestiftet, auch wenn davon nichts mehr erhalten ist. Die Lorscher Torhalle soll ein Versuch sein, die italienische Baukunst in die deutsche Formensprache zu ĂŒbersetzen (imitiertes Fachwerk aus Stein).
In der Kirche in FrĂ€nkisch-Crumbach (Odenwald) steht ein exotisches Tischchen, im Volksmund"TĂŒrkentrommel" genannt, in perfekter Schreinerarbeit ohne erkennbaren Vorlagen, aber auch ohne dass die Volkskunst eine Nachahmung versucht hĂ€tte. Kein Wunder, die"TĂŒrkentrommel" ist Kriegsbeute aus den TĂŒrkenkriegen! - Wenn der Aachener Dom von auslĂ€ndischen (z. B. byzantinischen) Spezialisten gebaut worden wĂ€re, brĂ€uchte man sich nicht zu wundern, wenn es nichts Vergleichbares gĂ€be. Aber dazu weiĂ ich zu wenig.
Nach Meinung von Fachleuten hat sich die romanische Baukunst aus der karolingischen entwickelt, wie an der Steinbacher Einhardsbasilika deutlich zu erkennen ist.
4. karolingische MĂŒnzen
Illig behauptet, es hĂ€tten sich kaum karolingische MĂŒnzen erhalten, und bezweifelt, dass man ein so groĂes Reich mit so wenig Geld regieren konnte. Von MĂŒnzen verstehe ich nicht viel.
a. Dahinter steht ein wissenschaftliches Grundsatzproblem: Mein Urteilsvermögen, das was ich fĂŒr möglich oder unmöglich halte, ist ĂŒberhaupt nicht maĂgeblich. Ich kann nicht ahnen, wozu Menschen frĂŒherer Zeiten fĂ€hig waren oder nicht. Ich kann z. B. aus MĂŒnzfunden schlieĂen, dass Herrscher A Geld hatte, nicht aber aus fehlenden Funden, dass Herrscher B keins hatte. Vielleicht hat man nur noch nichts gefunden; vielleicht gab es unter C Mangel an Edelmetallen, so dass er die MĂŒnzen seines VorgĂ€ngers einschmelzen oder umprĂ€gen musste. SpĂ€tere ArchĂ€ologen werden auch kaum beweisen können, dass es die D-Mark gab.
Die Zeugen Jehovas behaupten, das Kreuz Jesu habe keinen Querbalken gehabt. Beweis: Es sei doch viel einfacher und billiger gewesen, nur einen einfachen Pfahl zu benutzen. Warum haben sich die Römer ĂŒberhaupt die MĂŒhe gemacht, Verbrecher zu kreuzigen? Enthaupten oder Erstechen wĂ€re viel billiger gewesen.
Kirchliche Forscher behaupten, der in ausgezeichnetem Griechisch verfasste Jakobusbrief der Bibel könne nicht von dem Bruder Jesu stammen, weil der wohl nicht so gut griechisch konnte. Wer maĂt sich da an, die sprachlichen FĂ€higkeiten des Jakobus zu beurteilen? Dann kann man auch bezweifeln, dass Faust II von Goethe ist. Denn die Frankfurter sprechen anders - schon vor 200 Jahren.
Woher will man das alles wissen? Ich bin solchen Argumenten gegenĂŒber sehr skeptisch.
b. Die Wirtschaft des frĂŒhen Mittelalters war hauptsĂ€chlich Naturalwirtschaft. Beamte bekamen als Besoldung einen Gutshof zugewiesen. Die Steuern wurden hauptsĂ€chlich in Naturalien abgeliefert. Da brauchte man wohl nicht so viel Bargeld, wie man heute meint.
5. FĂ€lschungen?
FĂ€lschungen waren im Altertum und Mittelalter gar nicht selten und es hat nicht erst die Kunst moderner Forscher bedurft, um den Betrug zu entlarven.
a. Es gibt z.B. viel mehr Evangelien und Apostelbriefe, als in der Bibel stehen. Sie kamen nicht in die Bibel, weil die Gelehrten schon in der FrĂŒhzeit der Kirche erkannten, dass es sich um FĂ€lschungen handelte.
b. Was anderes ist es wohl mit Urkunden, die irgendwelche Rechte beweisen sollen. Da hatten die FĂ€lscher eine starke Lobby mit handfesten Interessen im RĂŒckhalt, so dass etwaige kritische Stimmen kein Gehör fanden.
Wer sollte aber von einer so umfassenden GeschichtsfÀlschung wie der Erfindung der Karolinger Nutzen gezogen haben? Es ist ja auch viel einfacher, ein einzelnes Dokument zu erfinden, aus dem hervorgeht, dass ich von einem Prominenten der Vergangenheit mit einem Besitztum und bestimmten Rechten ausgestattet wurde.
c. Schon die alten Ăgypter haben Geschichtsdokumente gefĂ€lscht, um z. B. die Erinnerungen an peinliche Zeiten wie die Fremdherrschaft der Hyksos oder unliebsame Pharaonen wie Hatschepsut und Echnaton zu tilgen. Das lĂ€sst sich verstehen. Aber was sollte es fĂŒr einen Grund geben, eine glorreiche Vergangenheit zu erfinden? Die Zeit Ottos d. Gr. war doch glorreich genug. Wenn Otto sein Reich aus dem Nichts aufgebaut hĂ€tte, hĂ€tte das doch nur seinen Ruhm vermehrt. Was hĂ€tte es ihm gebracht, zu behaupten, er sei nur ein Epigone, der Nachfolger eines Herrschers, der sein Volk unterjocht hatte?
d. Das Thema GeschichtsfĂ€lschung ist heute noch aktuell, wenn es z.B. um das 3. Reich geht. Die Generation meiner Eltern hatte erst gelernt, das dritte Reich sei gut. Dann hat man ihnen gesagt, es sei böse gewesen. Ich befĂŒrchte, dass unser heutiges Geschichtsbild ein bisschen schief ist, weil kaum jemand unvoreingenommen ĂŒber diese Zeit schreiben kann. Aber es hat niemand Hitler erfunden und keiner versucht, ihn wegzuretuschieren. Es ging allein um die Frage, wie er und seine Politik zu bewerten sind.
Andererseits geht heute das GerĂŒcht von der"AuschwitzlĂŒge" um. Es gibt Leute, die können das immer noch nicht glauben und meinen, man habe dem geliebten FĂŒhrer da was angehĂ€ngt, um ihn unmöglich zu machen.
Auch dieses Motiv kann ich verstehen, siehe alte Ăgypter. Ich sehe aber immer noch keinen Sinn darin, mit groĂem Aufwand eine ganze Geschichtsepoche mit zugehörigen Hinterlassenschaften zu erfinden.
II. Methodische Bedenken
1. FĂ€lschungen?
Es ist ein sehr bedenkliches Argument: Alles, was mir nicht passt, ist eine FĂ€lschung. Ob ein Dokument gefĂ€lscht ist, muss von Fall zu Fall geprĂŒft werden. Das dĂŒrfte schwierig sein.
2. Illig sucht Beweise fĂŒr eine fixe Idee
Illig geht von einer Hypothese auf: Das"dunkle Zeitalter" der Karolinger hat es nicht gegeben, sondern wurde erfunden. Diese Hypothese versucht er in seinem Buch mit eine FĂŒlle von Argumenten zu beweisen, denen wohl auch ein Fachmann kaum folgen kann.
Das ist keine wissenschaftliche Methode, denn in der Wissenschaft steht nicht die Hypothese am Anfang, sondern die Untersuchung. Dabei muss der Forscher freilich von zunĂ€chst unbewiesenen Vermutungen ausgehen. Aber er wird nicht alles dran setzen, fĂŒr eine einmal gefasste Meinung immer wieder neue Beweise zu suchen, sondern er wird seine vorlĂ€ufige Arbeitshypothese im Laufe seiner Arbeit entweder bestĂ€tigt finden, modifizieren oder wieder aufgeben. Die am Ende gefundene Hypothese versucht die Untersuchungsergebnisse zu erklĂ€ren. Andere Forscher deuten die Ergebnisse anders; man disputiert darĂŒber und gelangt schlieĂlich zu einer ErklĂ€rung, die alle bisherigen Fragen beantwortet.
Beispiel: das heliozentrische Weltbild: Die alte geozentrische Hypothese konnte die Bewegung der Planeten nur unvollkommen berechnen. Bessere Ergebnisse brachte die Hypothese, dass sich die Planeten in einer Kreisbahn um die Sonne bewegten. Aber erst, als man von elliptischen Bahnen ausging, war eine fehlerlose Berechnung möglich.
Eine neue Hypothese wie die"Erfindung der Karolinger" kann also nur das Ergebnis sorgfĂ€ltiger Recherchen und nicht die Grundlage fĂŒr eine Beweissuche sein, wie es Illig macht. Eine neue Hypothese muss auĂerdem alle bisher bekannten Fakten schlĂŒssig erklĂ€ren. Illig tut das aber nicht, sondern er fĂŒhrt ein Sammelsurium von Beweisen fĂŒr seine Meinung auf, ohne den Leser erkennen zu lassen, dass es ja vielleicht auch andere Fakten gibt, die Illig entweder verschweigt, nicht kennt oder nicht wahrhaben will. So versucht er seine Behauptung zu stĂŒtzen, aus der Karolingerzeit seien keine historischen Quellen bekannt, indem er diejenigen, die er kennt, kurzerhand fĂŒr unecht erklĂ€rt (z.B. Einhard). Die gesamte andere Literatur dieser Zeit dagegen ignoriert er.
3. Illig sagt nicht, wie die Geschichte wirklich abgelaufen ist
Illig stellt das bisherige Geschichtsbild in Frage, bleibt aber dem Leser die Antwort schuldig, wie denn seiner Meinung nach die Geschichte ohne die Karolinger abgelaufen sein mĂŒsste: Waren die sĂ€chsischen Kaiser unmittelbare Nachfolger der Merowinger? Wie mĂŒsste dann eine Zeittafel aussehen? Haben Jesus und Augustus 300 Jahre"n. Chr." gelebt? Wie verhĂ€lt sich die deutsche Geschichte zur allgemeinen Weltgeschichte?
Beispiel: Einhard nennt in seiner Biographie Karls d. Gr. auslĂ€ndische Herrscher aus Byzanz (Nikephoros I, Michael I., Leo), Bagdad (Harun ar-Raschid), England (ohne Namen), DĂ€nemark (Gottfried) und Spanien (Alfons II.), mit denen Karl korrespondiert habe. Die mĂŒssten doch wenigstens zum Teil auch in den auslĂ€ndischen Quellen auftauchen.
4. Wie zuverlÀssig sind die Quellen?
a. Illig ĂŒberschĂ€tzt die historische ZuverlĂ€ssigkeit von Quellen ĂŒberhaupt. Es stimmen ja auch moderne Dokumente nicht immer (z.B. Berichte von Veranstaltungen in der Zeitung).
b. Er ĂŒberschĂ€tzt die historische ZuverlĂ€ssigkeit von Augenzeugen, z.B. Einhard. Augenzeugen berichten aus der Erinnerung und haben das Recht sich zu irren. Ein Historiker recherchiert aus Quellen und wehe, wenn er sich irrt oder etwas ĂŒbersieht!
Aktuell: 28.02.2004
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Wollen wir mal hoffen, daĂ das kein GrĂŒnde zum gekrĂ€nkt sein abgibt [img][/img]
J.

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