- "Weshalb man 300 Jahre [Mittelalter-]Geschichte nicht einfach erfinden kann" - JoBar, 30.05.2004, 21:27
- Re:"Weshalb man 300 Jahre.. Geschichte nicht einfach erfinden kann" - JoBar - nereus, 31.05.2004, 10:31
- Re: Geschichte nicht einfach erfinden kann" - nereus: Habe noch nachgefaĂt - JoBar, 31.05.2004, 14:47
- Offener Brief an Illig - Euklid, 31.05.2004, 15:03
- Boah! Der Gegenbeweis dĂŒrfte Illigs These das Genick brechen... (o.Text) - LeCoquinus, 31.05.2004, 17:10
- Da gibts noch mehr aufzuarbeiten - Euklid, 31.05.2004, 17:46
- Re: und Gegenrede Illigs... - MattB, 31.05.2004, 17:16
- Boah! Der Gegenbeweis dĂŒrfte Illigs These das Genick brechen... (o.Text) - LeCoquinus, 31.05.2004, 17:10
- Offener Brief an Illig - Euklid, 31.05.2004, 15:03
- Re:"Weshalb man 300 Jahre.. Geschichte nicht einfach erfinden kann" - Nereus - Dimi, 31.05.2004, 18:13
- Re: Geschichte nicht einfach erfinden kann" - nereus: Habe noch nachgefaĂt - JoBar, 31.05.2004, 14:47
- Ăberblick ĂŒber"Das erfundene Mittelalter" -und gnadenlose Verrisse in WikipĂ€dia - JoBar, 31.05.2004, 14:36
- Re:"Weshalb man 300 Jahre [Mittelalter-]Geschichte nicht einfach erfinden kann" - bernor, 31.05.2004, 19:11
- Mir scheint hier verteidigt ein GlÀubiger voller Inbrunst seinen Glauben. - JoBar, 01.06.2004, 20:34
- Leider falsch - bin schon lange kein"inbrĂŒnstig Glaubender" mehr... - bernor, 02.06.2004, 01:21
- Mir scheint hier verteidigt ein GlÀubiger voller Inbrunst seinen Glauben. - JoBar, 01.06.2004, 20:34
- Re:"Weshalb man 300 Jahre.. Geschichte nicht einfach erfinden kann" - JoBar - nereus, 31.05.2004, 10:31
Re:"Weshalb man 300 Jahre [Mittelalter-]Geschichte nicht einfach erfinden kann"
-->Hi,
Weshalb man 300 Jahre Geschichte nicht einfach erfinden kann
Thesen gegen Heribert Illig
von Heinrich Tischner
I. Erfindung eines Zeitalters kaum vorstellbar
Es ist kaum denkbar, dass alle bekannten Schriften aus der Karolingerzeit innerhalb weniger Jahre"erfunden" wurden. Das betrĂ€fe ja nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa. Es hĂ€tten also auch sĂ€mtliche französischen, italienischen, pĂ€pstlichen, englischen, dĂ€nischen, arabischen, byzantinischen Dokumente gefĂ€lscht werden und die entsprechenden Geschichtsdaten, Herrschernamen, Kriege usw. erfunden und auf einander abgestimmt werden mĂŒssen, und das ist noch weniger vorstellbar. Man kann sich notfalls ausmalen, dass Otto I. die Macht hatte, deutsche falsche Dokumente ausstellen zu lassen. Aber auch auslĂ€ndische?
Die âVielfaltâ der zu fĂ€lschenden Dokumente und der zu Beteiligenden relativiert sich, wenn man weiĂ, daĂ fĂŒr die Austellung von Dokumenten damals ausschlieĂlich Klöster âzustĂ€ndigâ waren, weil nur dort das Lesen und Schreiben und damit ein Monopol beherrscht wurde.
Bauern und andere âErwerbstĂ€tigeâ hatten keine Zeit, sich so nebenbei mit im Vergleich zu heute mĂŒhseligen Schreibarbeiten zu beschĂ€ftigen. Das konnte jemand nur âhauptberuflichâ machen, d. h., wenn er von anderen Arbeiten freigestellt war - wie die Mönche eben (siehe auch die Mitwirkung von klösterlichen Notaren bei der Abfasung von PrivatvertrĂ€gen, z. B. in St. Gallen)
Damit wird auch klar, daĂ 1) ohne Mitwirkung der Kirche keine FĂ€lschung möglich war und 2) nur durch die Mitwirkung der Kirche die notwendige âDiskretionâ gewĂ€hrleistet werden konnte.
Damit reduzieren sich sich die fĂŒr eine FĂ€lschung notwendigen Initiatoren / Hauptbeteiligten auf wenige Institutionen und Personen (Kirche und Kaiser / Könige).
Im ĂŒbrigen ging es bei der FĂ€lschung zunĂ€chst und in erster Linie um die Schaffung eines zusĂ€tzlichen Zeitraums, in dem anschlieĂend - individuell und damit gar nicht mehr koordinationsbedĂŒrftig - beliebig viele âSchenkungsâ-Urkunden von âKarl dem GroĂenâ u. a. untergebracht (und echte Urkunden âbreiter gestreutâ) werden konnten. Eine Koordinierung"historischer" AblĂ€ufe der fiktiven Zeit hingegen hat gar nicht stattgefunden, wie an folgenden Beispielen ersichtlich ist:
1) Wo findet man in spanischen Quellen etwas ĂŒber den angeblichen Feldzug âKarls des GroĂenâ nach Spanien?
2) Warum kennt die byzantinische Geschichte fĂŒr die fragliche Zeit nur zwei frĂ€nkische Herrscher âPippinâ und âKarlâ? Sind damit vielleicht nur frĂ€nkische (machthabende) Hausmeier wie Pippin und Karl Martell gemeint? Oder sind diese Fiktion?
3) Wo oder wer ist in der arabische Geschichtsschreibung âHarun al-Raschidâ?
Kurz gesagt: die jeweilige historische Entwicklung jener Zeit verlief, ganz im Gegensatz zu spÀteren Zeiten, solitÀr - ohne bi-/multilateral nachweisbare Beziehungen.
1. Die sprachliche Entwicklung hat Zeit gebraucht
Es gibt eine ganze Menge altdeutscher Literatur aus der Karolingerzeit, die eine Entwicklung der deutschen Sprache seit etwa 800 dokumentiert.
a. Das SpĂ€talthochdeutsche zur Zeit Ottos I. unterscheidet sich doch sehr von den Ă€ltesten Aufzeichnungen. Zudem ist die alte Sprache auch noch stark in regionale Dialekte gefĂ€chert; man kann genau zwischen frĂ€nkischen, alemannischen, bayrischen, niedersĂ€chsischen Texten unterscheiden. So etwas kann man nicht erfinden. Es wĂ€re auch sehr viel einfacher gewesen, alles auf lateinisch zu schreiben, wie im 9er Jahrhundert ĂŒblich.
b. Die Masse der altdeutschen Literatur enthĂ€lt nicht historische, sondern religiöse, wissenschaftliche, folkloristische und schöngeistige Texte, deren Sprache sich deutlich von den spĂ€rlichen Resten aus der Zeit Ottos I. unterscheidet, in der hauptsĂ€chlich lateinisch geschrieben wurde. Weshalb hĂ€tten sich die Schreiber dieser Zeit die MĂŒhe machen sollen, alle diese Schriften in einer antiquierten Sprache zu erdichten?
Hier liegt wohl ein MiĂverstĂ€ndnis vor: Illig hat seine FĂ€lschungsthese stets auf lateinisch geschriebene Urkunden bezogen. Die anderssprachigen Urkunden sind tatsĂ€chlich echt; hier stellt sich ânurâ die Frage der richtigen Datierung - da die heutige Anno-Domini-JahreszĂ€hlung erst ab dem Jahr 1000 regelmĂ€Ăig aufkam, steht und fĂ€llt eine zuverlĂ€ssige chronologische Einordnung der Urkundenregister mit der Echtheit von Bezugspersonen (z. B. Ludwig der Fromme) und deren zeitlichen Fixierung.
Zum Argument âDie sprachliche Entwicklung hat Zeit gebrauchtâ nur dies:
Die Reinschriften der oben erwĂ€hnten St. Galler Urkunden ĂŒber private RechtsgeschĂ€fte sind im Althdt. des 8./9. Jh., die sog. Vorakten (mit Anmerkungen zum Inhalt des jeweiligen RechtsgeschĂ€fts) dagegen in der ahdt. Sprache des 10./11. Jh. abgefaĂt.
DaĂ die Vorakte, weil vermutlich umgangssprachlich abgefaĂt, jĂŒnger erscheint als die eher im âantiquierten Stilâ verfaĂte eigentliche Urkunde, ist nicht ĂŒberraschend - eher schon, daĂ sie permanent rund 200 Jahre Sprachentwicklung vorwegnimmt...
Fazit: die Sprachentwicklung innerhalb des Althochdeutschen hat nur wenige Generationen lang gedauert - wie angesichts der âDynamikâ infolge der Akzentverlagerung im vorangegangen Germanisch auch zu erwarten ist (Umlautung, AbschwĂ€chung von Vokalen in unbetonten Silben)
c. Auch in den lateinischen Schriften der Karolingerzeit, z.B. Einhard, Lorscher Codex, stehen althochdeutsche Wörter und eine Menge von Namen, die dem jeweiligen sprachlichen Stand entsprechen, den wir aus den deutschen Werken kennen, z.B. Lauresham, Raureheim in den Ă€ltesten Dokumenten neben dem jĂŒngeren Lorse, Roreheim, Ă€lteres Hluodwicus neben jĂŒngeren Ludowicus.
Im Lorscher Codex steht an vielen Stellen der Name Heimerich, der zweifellos die Vorform von Heinrich, Henricus ist, wie in den Quellen zur Zeit Ottos I. zu lesen ist.
In den zitierten ahd. Wörten steht in den unbetonten Silben fast durchweg ein âeâ. Dies ist das Ergebnis der AbschwĂ€chung von ursprĂŒnglichen Vokalen des Germanischen / Althochdeutschen in der Entwicklung zum Mittelhochdeutschen,
z. B. (ahd.) wituwo > (mhd.) witewe = Witwe.
Somit gehören diese Urkunden offenbar ins 10. oder 11.Jh. - und damit in die Realzeit.
d. Die Ă€ltesten SprachdenkmĂ€ler sowohl der deutschen als auch der französischen Sprache sind die StraĂburger Eide von 840 mit lateinischem Begleittext. Der deutsche Text ist gehalten in der damaligen rheinfrĂ€nkischen bzw. sĂŒdhessischen Mundart, die nur bei den Karolingern offizielle Amtssprache war. Unter den sĂ€chsischen Königen wĂ€re das undenkbar gewesen, wohl aber zu einer Zeit, in der die Könige Franken, vielleicht sogar wie der StaatssekretĂ€r Einhard Rheinfranken waren. Wie kommt ein FĂ€lscher darauf, so ein altertĂŒmliches Dokument statt auf lateinisch auch noch in einem antiquierten und spĂ€ter unbedeutenden deutschen Dialekt und zusĂ€tzlich auf Altfranzösisch wiederzugeben?
Der âantiquierte und spĂ€ter unbedeutende deutsche Dialektâ und das âAltfranzösischeâ waren die Muttersprachen der beeidenden Parteien, siehe dazu http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/275677.htm
Angemerkt sei dazu noch, daĂ es damals âoffizielle Amtssprachenâ nicht gab, und spĂ€ter allenfalls âAusgleichssprachenâ, siehe die Kaufleute und die umherziehenden MinnesĂ€nger, die in einem möglichst weitlĂ€ufigen Gebiet verstanden werden wollten.
(Ăberhaupt die Ausdrucksweise... wie auch beim âStaatssekretĂ€râ Einhard - fehlt nur noch dessen âBesoldungsgruppeâ...)
e. Die lateinische Sprache der Merowingerzeit war sehr verwildert (z. B. Gregor von Tours). Lateinische Texte zur Zeit Ottos I. sind wieder dem klassischen Latein angepasst. Wie kommt das? Zur Zeit Karls d. Gr. hat man sich sehr um klassische Bildung und ein gepflegtes Latein bemĂŒht und dafĂŒr den angelsĂ€chsischen Gelehrten Alkuin nach Aachen geholt. Der Kaiser soll Mitglied eines literarischen Zirkels gewesen sein, in dem man Latein sprach und sich mit lateinischen Spitznamen titulierte. In Aachen wurde der Text der lateinischen Bibel revidiert und zum Standard gemacht. Eine besondere Schreibschrift, die"karolingische Minuskel" wurde nach angelsĂ€chsischen Vorlagen kreiert. Sie sind Vorbild fĂŒr unsere heutigen Kleinbuchstaben. Die damalige"karolingische Renaissance" hat das gesamte Mittelalter geprĂ€gt. Da muss doch was zwischen den Merowingern und den Ottonen gewesen sein! Verwildern tut eine Kultur von selbst, aber zum Veredeln braucht man Zeit und Energie.
Die hatte man in den Klöstern reichlich, siehe oben.
f. Karl d. Gr. hat die"Volkssprachen" Deutsch und Französisch gefördert und z. B. angeordnet, dass die alten volkssprachlichen Lieder gesammelt wurden. Sein Sohn Ludwig der Fromme hat dieses heidnische Zeug wieder vernichten lassen.
Nun sind ja verschwundene Dokumente keine Argumente.
Goldrichtig. Also ist Punkt f. argumentativ MĂŒll.
Vertreter obskurer Theorien berufen sich mit Vorliebe auf solche BeweisstĂŒcke, die es noch 1794 gab, dann aber leider, leider verschwunden sind. Ein Pluspunkt fĂŒr Illig?
Was fĂŒr âobskure Theorienâ? Was hat Illig damit zu tun?
Nein, eins der alten Lieder hat die Vernichtung ĂŒberlebt, das Hildebrandslied in einer Kunstform, die zur Zeit Ottos I. lĂ€ngst auĂer Mode war: dem Stabreim.
Dieses eine Lied soll wohl 300 Jahre retten...
2. Und das Zubehör?
Es ist unmöglich, eine ganze Epoche mit allem Zubehör zu erfinden. Beispiele:
a. Man hĂ€tte dann auch die gesamte Lebensgeschichte von Bonifatius (Zeit Karl Martells) samt allen AusstellungsstĂŒcken in Fulda (Kopfreliquie, beschĂ€digtes Buch) erfinden mĂŒssen. Das lieĂe sich vielleicht noch machen. Aber warum sollte der FĂ€lscher auf den Gedanken kommen, in den lateinischen Bonifatiusbriefen deutsche Namen"englisch" zu schreiben (z. B. Raedbodus statt Radbodus, wie sonst ĂŒblich)?
Vielleicht kam der Schreiber, wie so manche Mönche damals, aus England?
b. WÀre es denkbar, dass im Auftrag des sÀchsischen Kaisers Otto I. eine fingierte Geschichte von dem Sachsenkrieg und der Zwangsbekehrung dieses Volkes geschrieben worden wÀre?
Der Sachsenherzog Widukind war in den Augen Einhards ein Bösewicht - die Niedersachsen sind heute noch stolz auf ihn. Was hĂ€tte man 200 Jahre spĂ€ter unter einem sĂ€chsischen Kaiser fĂŒr einen Grund gehabt, Widukind zu erfinden und zum Bösewicht zu stempeln? (...)
Tischner folgt hier der Illigschen Fixierung der Phantomzeit auf die 297 bzw. 300 Jahre, obwohl einiges auch fĂŒr eine lĂ€ngere Dauer spricht. Dann wĂ€ren die o. a. Argumente gegenstandslos.
Die âSachsenkriege Karls des GroĂenâ mit den andauernden AufstĂ€nden und SchlĂ€chtereien und Umsiedlungen ernstzunehmen, ist Schwachsinn - woher kommt dann im 10.Jh. - in denselben Grenzen! - das intakte Stammesherzogtum Sachsen?
HĂ€tte âKarl der GroĂeâ die Sachsen wirklich besiegt, wĂ€re das Land anschlieĂend, erst recht nach den AufstĂ€nden, aufgeteilt worden (so wie es Ende des 12. Jh. tatsĂ€chlich geschah, nach der Verbannung des abtrĂŒnnigen Herzogs Heinrich des Löwen).
Und âWidukindâ: anstelle fĂŒr seinen âVerratâ hingerichtet zu werden, blieb er weiterhin, nach Unterwerfung und Taufe (Pate: âKarl d.G.â), Herzog. Diese Sonderbehandlung lĂ€Ăt darauf schlieĂen, daĂ im echten Verlauf der Geschichte der Sachsenherzog, sich nach anfĂ€nglichen ScharmĂŒtzeln mit den Franken verstĂ€ndigend, eine einem Frankenkönig Karl WieauchimmergeheiĂen fast ebenbĂŒrtige, sprich mĂ€chtige Stellung innehatte - siehe die dĂ€nischen Verwandten âWidukindsâ und die DĂ€nen in der Normandie.
3. karolingische Bauwerke
Ich bezweifle, dass es in Westeuropa so wenige karolingische Bauwerke gibt. Ich verstehe nicht viel davon, (...)
...o.k., das lassen wir dann mal... obwohl eine PrĂŒfung auf PlausibilitĂ€t gehirnschmalzmĂ€Ăig möglich sein sollte, erst recht fĂŒr die âExpertenâ - wo bleibt er denn nur, der âAnti-Illigâ (in Buchform bitte, nicht bloĂ in"offenen Briefen" und sonstigen SchmĂ€hartikeln)?
4. karolingische MĂŒnzen
Illig behauptet, es hĂ€tten sich kaum karolingische MĂŒnzen erhalten, und bezweifelt, dass man ein so groĂes Reich mit so wenig Geld regieren konnte. Von MĂŒnzen verstehe ich nicht viel. (...)
Andere, wie dottore, umso mehr.
5. FĂ€lschungen?
FĂ€lschungen waren im Altertum und Mittelalter gar nicht selten und es hat nicht erst die Kunst moderner Forscher bedurft, um den Betrug zu entlarven.
Ja, ganz richtig...wenn man daraus nur die richtigen SchlĂŒsse ziehen könnte...
a. Es gibt z.B. viel mehr Evangelien und Apostelbriefe, als in der Bibel stehen. Sie kamen nicht in die Bibel, weil die Gelehrten schon in der FrĂŒhzeit der Kirche erkannten, dass es sich um FĂ€lschungen handelte.
Nicht ganz. Damals galt: Was nicht zum Kanon gehört, ist falsch.
b. Was anderes ist es wohl mit Urkunden, die irgendwelche Rechte beweisen sollen. Da hatten die FĂ€lscher eine starke Lobby mit handfesten Interessen im RĂŒckhalt, so dass etwaige kritische Stimmen kein Gehör fanden.
Yep.
Wer sollte aber von einer so umfassenden GeschichtsfÀlschung wie der Erfindung der Karolinger Nutzen gezogen haben? Es ist ja auch viel einfacher, ein einzelnes Dokument zu erfinden, aus dem hervorgeht, dass ich von einem Prominenten der Vergangenheit mit einem Besitztum und bestimmten Rechten ausgestattet wurde. (...)
Es ging, bereits zu Beginn der Feudalzeit, nicht um eine, sondern um viele Urkunden... und welchem, möglichst edlen, âProminenten der Vergangenheitâ sollte man diese eigentlich sonst unterjubeln - Kaiser Romulus Augustulus?
d. Das Thema GeschichtsfĂ€lschung ist heute noch aktuell, wenn es z.B. um das 3. Reich geht. Die Generation meiner Eltern hatte erst gelernt, das dritte Reich sei gut. Dann hat man ihnen gesagt, es sei böse gewesen. Ich befĂŒrchte, dass unser heutiges Geschichtsbild ein bisschen schief ist, weil kaum jemand unvoreingenommen ĂŒber diese Zeit schreiben kann. Aber es hat niemand Hitler erfunden und keiner versucht, ihn wegzuretuschieren. Es ging allein um die Frage, wie er und seine Politik zu bewerten sind.
Andererseits geht heute das GerĂŒcht von der"AuschwitzlĂŒge" um. Es gibt Leute, die können das immer noch nicht glauben und meinen, man habe dem geliebten FĂŒhrer da was angehĂ€ngt, um ihn unmöglich zu machen. (...)
Ach, Herr Tischner kannâs auch nicht ganz lassen... diese Quasi-Gleichsetzung von Geschichtsrevisionisten mit den anderen... yet there is method in it...
Alles weitere dazu siehe das Posting von nereus.
II. Methodische Bedenken
1. FĂ€lschungen?
Es ist ein sehr bedenkliches Argument: Alles, was mir nicht passt, ist eine FĂ€lschung. Ob ein Dokument gefĂ€lscht ist, muss von Fall zu Fall geprĂŒft werden. Das dĂŒrfte schwierig sein.
Wozu gibtâs Experten, z. B. fĂŒr Urkunden Diplomatiker?
2. Illig sucht Beweise fĂŒr eine fixe Idee
Illig geht von einer Hypothese auf: Das"dunkle Zeitalter" der Karolinger hat es nicht gegeben, sondern wurde erfunden. Diese Hypothese versucht er in seinem Buch mit eine FĂŒlle von Argumenten zu beweisen, denen wohl auch ein Fachmann kaum folgen kann.
Was der erklÀrte Nichtfachmann Tischner so alles von sich gibt...
Das ist keine wissenschaftliche Methode, denn in der Wissenschaft steht nicht die Hypothese am Anfang, sondern die Untersuchung. Dabei muss der Forscher freilich von zunĂ€chst unbewiesenen Vermutungen ausgehen. Aber er wird nicht alles dran setzen, fĂŒr eine einmal gefasste Meinung immer wieder neue Beweise zu suchen, sondern er wird seine vorlĂ€ufige Arbeitshypothese im Laufe seiner Arbeit entweder bestĂ€tigt finden, modifizieren oder wieder aufgeben. Die am Ende gefundene Hypothese versucht die Untersuchungsergebnisse zu erklĂ€ren. Andere Forscher deuten die Ergebnisse anders; man disputiert darĂŒber und gelangt schlieĂlich zu einer ErklĂ€rung, die alle bisherigen Fragen beantwortet. (...)
Hehre GrundsĂ€tze in der Tat - wie wĂ€râs, wenn sich die etablierte Wissenschaft auch mal daran halten wĂŒrde?
Zur Motivlage, sich als Etablierter âwissenschaftlichâ zu Ă€uĂern:
Eine âwertfreieâ und nur der Sache verpflichtete wissenschaftliche Arbeit ist Illusion - in Deutschland und vielen anderen LĂ€ndern sind die WissenschĂ€ftler Angehörige eines zumeist öffentlich-rechtlich strukturierten âSystemsâ, die sich zumindest in jungen Jahren sehr wohl ĂŒberlegen (mĂŒssen), was sie, z. B. zu Illig, sagen, - sonst keine Fördergelder fĂŒr Projekte, Karriere im Eimer usw.
3. Illig sagt nicht, wie die Geschichte wirklich abgelaufen ist
Illig stellt das bisherige Geschichtsbild in Frage, bleibt aber dem Leser die Antwort schuldig, wie denn seiner Meinung nach die Geschichte ohne die Karolinger abgelaufen sein mĂŒsste: Waren die sĂ€chsischen Kaiser unmittelbare Nachfolger der Merowinger? Wie mĂŒsste dann eine Zeittafel aussehen? Haben Jesus und Augustus 300 Jahre"n. Chr." gelebt? Wie verhĂ€lt sich die deutsche Geschichte zur allgemeinen Weltgeschichte?
Das ist ein Punkt, den man Illig, neben seiner wenig leserfreundlichen Schreibe, nach fast 15 Jahren Mittelalter-Forschung durchaus ankreiden könnte - was auch damit zu tun hat, daĂ der âendgĂŒltigeâ Zeitrahmen fĂŒr die KĂŒrzung immer noch nicht abgesteckt ist (Kalenderrechnung scheint auch nicht Illigs âSteckenpferdâ zu sein, obwohl man hier, auch im Hinblick auf die Auswirkung einer ZeitkĂŒrzung auf die Osterfestberechnung, ebenfalls eine Antwort finden muĂ - und kann).
Beispiel: Einhard nennt in seiner Biographie Karls d. Gr. auslĂ€ndische Herrscher aus Byzanz (Nikephoros I, Michael I., Leo), Bagdad (Harun ar-Raschid), England (ohne Namen), DĂ€nemark (Gottfried) und Spanien (Alfons II.), mit denen Karl korrespondiert habe. Die mĂŒssten doch wenigstens zum Teil auch in den auslĂ€ndischen Quellen auftauchen.
Ja, wo sind sie denn, die âauslĂ€ndischen Quellenâ.... (s. o.)?
4. Wie zuverlÀssig sind die Quellen?
a. Illig ĂŒberschĂ€tzt die historische ZuverlĂ€ssigkeit von Quellen ĂŒberhaupt. Es stimmen ja auch moderne Dokumente nicht immer (z.B. Berichte von Veranstaltungen in der Zeitung).
b. Er ĂŒberschĂ€tzt die historische ZuverlĂ€ssigkeit von Augenzeugen, z.B. Einhard. Augenzeugen berichten aus der Erinnerung und haben das Recht sich zu irren. Ein Historiker recherchiert aus Quellen und wehe, wenn er sich irrt oder etwas ĂŒbersieht!
Worauf beruht dann eigentlich die herkömmliche Geschichtsschreibung - nichts Geschriebenes, keine Zeugenaussagen.. bleibt dann wohl nur noch die göttliche Eingebung...
Halleluja! Verbrennt die Ketzer!
Aktuell: 28.02.2004
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Wollen wir mal hoffen, daĂ das kein GrĂŒnde zum gekrĂ€nkt sein abgibt
GruĂ bernor

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