- The Daily Reckoning - Bubble Blower (Christopher Mayer) - Firmian, 01.07.2004, 23:09
- Deutsche Fassung - Sorrento, 02.07.2004, 07:54
Deutsche Fassung
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I N V E S T O R ' S D A I L Y
Der E-Mail-Dienst für Investoren, Ausgabe vom 1. Juli 2004
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* Bärenmangel - ist eine Sommer-Rallye überhaupt möglich?
* Konjunkturdaten und Zinsentscheidungen:
* USA: Zinserhöhung um 25 Basispunkte
* Die Volatilität an den Märkten bleibt weiter gering
* Gold, Streik und Schularbeiten
* USA: Top-Manager haben ihre Bezüge um 26 % erhöht
* Über den Investor Verlag
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Donnerstag, 1. Juli 2004
Bärenmangel - ist eine Sommer-Rallye überhaupt möglich?
von Jochen Steffens
Für den geneigten Leser des Investor's Daily sollte es nicht
verblüffend sein. Wir befinden uns im oberen Drittel der großen seit
Anfang des Jahres bestehenden Seitwärtsbewegung. Und - was passiert?
Die Stimmung ist überaus bullish. Eigentlich ist das noch fast zu
negativ ausgedrückt: Nach der neuesten Sentiment-Erhebung
(Stimmungsanalyse) der deutschen Börse sind die Bären in Ihrer Art
zurzeit vom Aussterben bedroht...
Im Moment befinden sich nach dieser Erhebung 59 % im Bullenlanger,
27 % sind neutral gestimmt und nur 10 % zeigen sich noch bearish. Das
soll, Medienberichten zu Folge, ein bisher noch nie da gewesener
Extremwert sein.
Das passt! Genau so sollte es an der oberen Begrenzung einer
Seitwärtsbewegung sein. Der überwiegende Teil der Anleger IST
investiert und alle setzten darauf, dass die Widerstandslinie bei
4.170 Punkten gebrochen wird. Alle und jeder ist bullish! Da wundert
es auch nicht, wenn"Sommerrallye" der Begriff der Woche ist.
Nur wer soll noch kaufen, wenn alle bullish und investiert sind?
Ich sollte nun vielleicht doch warnen, auch wenn es diesmal selbst mir
schwer fällt - ich frage mich, warum eigentlich. Die Indikationen sind
doch eindeutig. Extrem bullishes Sentiment, Juli als schlechter Monat,
US-Zinserhöhung, oberes Drittel der Seitwärtsbewegung und sich
verschlechternde US-Konjunkturdaten - der perfekte Mix für zumindest
kurzfristig fallende Kurse.
Ist etwa die Stimmung bereits derart bullish, dass selbst ich mich,
als mit den Bären sympathisierender Antizykliker, anstecken lasse -
mit sehenden Augen?
Ausschließen kann ich das nicht. Es zeigt mir jedoch, wie schwer es
manchmal sein kann, sich der Massenstimmung NICHT anzuschließen.
Die Bären haben es aber auch nicht leicht: Zunächst die lange
Nachkriegsrallye und dann die aktuelle Konsolidierung. Seit über einem
Jahr werden keine neuen Tiefs generiert, nicht einmal in der
Konsolidierungsphase. Das bedeutet, die Bären durften seit nunmehr
einem Jahr immer nur ganz kurz mal triumphieren. Dazu kommt, dass die
amerikanische Wirtschaft zu brummen scheint, die Weltwirtschaft sich
leicht erholt und selbst Japan sich seit langer Zeit auch wieder über
positive Konjunkturnachrichten freuen kann. Dann will auch noch Gold
seine Aufwärtsbewegung nicht mehr so recht fortsetzen. Da braucht es
schon einen starken, fast unbeugsamen Willen, um nicht auch bullish zu
werden. So dürfte diese Sentimenterhebung zu erklären sein.
Für mich ist diese Überlegung ein Zeichen dafür, dass dem Dax bald die
Luft ausgehen wird. Wenn die Bären wirklich mürbe geworden sind, dann
sind die nächsten und damit letzten Hochs nicht mehr weit. Mein
ungutes Gefühl kann aber auch einfach damit zusammenhängen, dass ich
an meiner Theorie der"Wahl-Rallye" hänge. Es kann nämlich sehr gut
sein, dass die Auswirkung dieser Faktoren auf einen Zeitpunkt"nach
der US-Wahl" verschoben wird.
Dieses extreme Sentiment kann natürlich auch dazu führen, dass wir vor
der Wahl noch einmal abtauchen und dann wieder ansteigen - der Weg des
größten Schmerzes, wie gestern beschrieben...
Ohne diese US-Wahl würde ich mich nun langsam langfristig auf fallende
Kurse positionieren. Dann auf ein deutliches Umkehrsignal im Dax
warten, um diese Positionen weiter auszubauen - aber wer sagt denn,
dass Börse einfach sei...
Donnerstag, 1. Juli 2004
Konjunkturdaten und Zinsentscheidungen:
von Jochen Steffens
Die Fed erhöht, wie allgemein erwartet, die US-Leitzinsen um 25
Basispunkte. Greenspan will weitere moderate Zinsschritte von der
weiteren Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft abhängig machen.
Analysten gehen nach dieser Aussage davon aus, das uns bald schon
weitere Zinserhöhungen ins Haus stehen.
Wenn Sie sich fragen, wer von den steigenden US Zinsen betroffen sein
könnte: Generell die Finanzinstitute aber auch die in den US aktive
Autobranche, da die Null-Zins-Rabatte eventuell nicht mehr in der Form
angeboten werden können.
Die EZB lässt hingegen wie allgemein erwartet die Zinsen unverändert.
Die Zahl der Erstanträge ist auf 351.000 gestiegen. Erwartet wurden
340.000 bis 345.000 neue Anträge nach zuvor 350.000 (revidiert von
349.000). Wie gesagt, dieser Wert pendelt sich bei 350.000 Erstanträge
ein. Wichtiger sind die in den USA neu geschaffenen Stellen, die
morgen veröffentlicht werden.
Der ISM Index notiert bei 61,1. Erwartet wurde der Index bei 61,0 bis
62,0 nach zuvor 62,8.
Nach dem schlechten Einkaufsmanagerindex war hier ein deutlich
schlechterer Wert erwartet worden. Die Märkte sackten darum bereits im
Vorfeld weg konnten sich nach der Veröffentlichung des ISM Index auch
nicht so recht erholen.
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Donnerstag, 1. Juli 2004
USA: Zinserhöhung um 25 Basispunkte
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
Jetzt hat die US-Zentralbank also ihre Entscheidung gefasst - und wie
allgemein erwartet die Leitzinsen um 25 Basispunkte erhöht.
Nun ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass es in den USA jetzt etwas
schwieriger geworden ist, an leichtes Geld heranzukommen. Es wird um
einen Viertelprozentpunkt schwieriger geworden sein.
Alan"Spekulationsblasen" Greenspan hat es leichter als jeder andere
Fed-Vorsitzende gemacht, sich Geld leihen zu können. Es war so leicht,
Kredite zu bekommen, dass viele Amerikaner sehr viele Kredite
aufgenommen haben. Die Konsumenten hatten mehr (geliehenes) Geld zum
Ausgeben als jemals zuvor. Dass sie es allerdings für billige
Importgüter ausgaben - damit hatte die Fed nicht gerechnet. Die
Politik des"billigen Geldes" führte also nicht zu neuen
Arbeitsplätzen und Investitionen in den USA - sondern in Asien!
Jetzt hängt der Ruf von Greenspan... und der der amerikanischen
Volkswirtschaft... davon ab, dass es weiterhin"Konsum um jeden
Preis" heißt. Die Zinsen beginnen, eine höhere Inflationsrate zu
antizipieren.
Larry Kudlow hat einen Artikel geschrieben, indem er erklärt, warum
"dieser Bush-Boom sehr stark an den Reagan-Boom vor 20 Jahren
erinnern. Aber Bush ist nicht Reagan. Und die USA des Jahres 2004 sind
nicht die USA von 1980. Damals waren Aktien billig und Gold teuer. Die
Zinsen waren hoch, die Anleihenkurse niedrig. So sah es aus, bis der
Boom begann.
1980 waren die USA der größte Gläubiger der Welt - jetzt sind sie der
größte Schuldner der Welt. Amerika hatte ein positive Handelsbilanz -
jetzt haben die USA das größte Handelsbilanzdefizit, das jemals eine
Nation erreicht hat. Und der Reagan- und der Clinton-Boom konnten von
sinkenden Zinsen profitieren. Steigende Zinsen werden den
gegenteiligen Effekt haben.
Mehr News von Addison:
Donnerstag, 1. Juli 2004
Die Volatilität an den Märkten bleibt weiter gering
von unserem Korrespondenten Addison Wiggin in Baltimore
Die Volatilität an den Märkten bleibt gering, die Zinserhöhung der Fed
ist nach Aussagen von Händlern bereits"eingepreist" gewesen.
Ich bin mir nicht so sicher, liebe(r) Leser(in), dass niedrige
Volatilität auch niedrige Volatilität bleiben wird. Sie kann auch hohe
Volatilität werden. Langeweile ist nie von Dauer. Ich weiß nicht, was
der Markt morgen, übermorgen oder nächsten Monat machen wird. Aber ich
erinnere Sie daran - die verrücktesten Dinge passieren dann, wenn
niemand damit rechnet. Es kann nicht für immer ohne Ereignisse
weitergehen.
Wieso ist der Goldpreis zuletzt wieder unter die Marke von 400 Dollar
gefallen? Ich verweise da auf"buy the rumour, sell the news". Anfang
April stand der Goldpreis bei rund 430 Dollar. Dann verbesserte sich
die Lage am US-Arbeitsmarkt, die Inflation stieg und die
Unternehmensgewinne. Daraufhin wurde das"Relikt" Gold bis Anfang Mai
auf rund 375 Dollar heruntergeprügelt. Danach hat sich der Goldpreis
aber ganz gut gehalten und wieder zugelegt.
Und was ist mit den Anleihen? Anfang April stand die Rendite der
10-jährigen US-Staatsanleihen bei 3,84 %. Am 14. Juni stand sie bei
4,90 %, und am Dienstag bei 4,70 %.
Die Anleihenhändler hören jetzt auf Alan Greenspan, und sie glauben
ihm. 1980 war das nicht der Fall. Egal, was die Fed sagte - die Märkte
taten das Gegenteil. Sie bezweifelten, dass die Fed die Inflation
besiegen könnte."Das geht nicht", sagten sie,"die USA sind
strukturell anfällig gegenüber Inflation." Die Renditen der
10-jährigen Staatsanleihen stiegen im September 1981 auf 15,84 %.
Aber glauben die Anleihenhändler wirklich, dass Greenspan ernsthaft
die Inflation um jeden Preis bekämpfen will? Könnte er
realistischerweise überhaupt etwas anderes sagen?
Wir könnten an der Schwelle zu einer neuen Welt stehen, liebe(r)
Leser(in), und sie könnte mit der gestrigen Leitzinserhöhung begonnen
haben. Aber andererseits sage ich das schon seit Ewigkeiten...
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Donnerstag, 1. Juli 2004
Gold, Streik und Schularbeiten
Von unserem Korrespondenten Bill Bonner, derzeit in London
*** Der Goldpreis ist gefallen. Inflation? Darauf würde ich nicht
setzen. Der Ã-lpreis ist unter 33 Dollar je Barrel gefallen. Die
Einzelhandelsumsätze sollten in den USA letzte Woche"träge" gewesen
sein. Und Wal-Mart hat seine Umsatzprognose halbiert.
*** Der"The Queen's Walkway" am Südufer der Themse war gestern Morgen
so überfüllt, dass ich von jemandem, der es sehr eilig hatte, über den
Haufen gerannt wurde. Bevor ich etwas sagen konnte, war er schon
wieder weg. Was die Menschenmassen auf ihre zwei Beine brachte, war
ein Streik der Londoner U-Bahn. Die gewerkschaftlich organisierten
U-Bahn-Arbeiter fürchten, dass Modernisierung zu einem Abbau von
Arbeitsplätzen führen wird.
*** Das"Investor's Daily"-Büro in London ist umgezogen. Bis letzte
Woche befand es sich im sogenannten"Centre Point building" - einem
Gebäude, das so hässlich ist, dass viele Londoner hofften, Terroristen
würden es zu ihrem nächsten Ziel machen. Aber es war nicht Todesangst,
die uns zum Umzug bewegt hat - sondern Furcht vor Aufzügen. Ein neues
Hightech-System ist installiert worden. Eins von der Sorte, dass man -
sobald man einmal im Aufzug war - keine Kontrolle mehr darüber hatte,
wo man hinfuhr. Das führte zu vielen sinnlosen Fahrten... und dem
Wunsch, endlich anzukommen. Deshalb haben wir jetzt ein neues Büro in
einem Gebäude an der Themse, in Fußreichweite vom Bahnhof"Waterloo
Station". Das ist perfekt.
*** Mein Sohn Edward war gestern glücklich. Der arme Junge hatte in
den letzten Monaten so hart an seinen Schularbeiten gearbeitet. Oder,
genauer gesagt, haben seine Mutter und einige Nachhilfelehrer hart mit
ihm gearbeitet. Aber es scheint sich ausgezeichnet zu haben. Er hat
sich im letzten Halbjahr so stark verbessert, dass sein Lehrer in
lobte.
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Donnerstag, 1. Juli 2004
USA: Top-Manager haben ihre Bezüge um 26 % erhöht
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
Der amerikanische Kapitalismus ist genauso degeneriert geworden wie
die amerikanische Demokratie. Die gierigen Manager, die die 500
größten US-Unternehmen managen (die sogenannten"Fortune 500
companies"), haben sich im letzten Jahr ihre eigenen Bezüge um 26 %
erhöht.
Weder der Kapitalismus noch die Demokratie funktionieren so, wie es in
Schulbüchern geschrieben steht. Die kapitalistischen Unternehmen
arbeiten nicht zum Wohle ihrer Aktionäre... und die Regierung
arbeitet nicht zum Wohle der Wähler. Stattdessen arbeiten beide
Institutionen für ihre Manager... diese schön redenden Menschen, die
mit dem Geld anderer Leute Karriere machen. Jahr für Jahr finden die
Manager neue Wege, mehr Geld für sich zu bekommen - durch
Aktienoptionspläne, Pensionen, Gesundheitsfürsorge, goldene
Handschläge.
Warum nicht? Die kleinen Leute lesen das Kleingedruckte ohnehin nie.
Und auch Politiker verhalten sich wie Manager - sie nutzen das System
so, dass Herausforderer kaum eine Chance haben. U.S. Term Limits, eine
Gruppe mit offensichtlicher Zielsetzung, schätzt, dass die
Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein US-Kongressabgeordneter
wiedergewählt wird, bei 99 zu 1 liegt. Die einzige Art und Weise,
einen solchen Kongressabgeordneten loszuwerden, ist zu warten, bis er
tot umfällt. Dann gibt es noch die seltenen Fälle, dass er mit einem
lebendigen Jungen oder einem toten Mädchen zusammen im Bett gefunden
wird.
Jedenfalls sind die kleinen Investoren und die kleinen Wähler zu sehr
mit ihren Hypotheken beschäftigt, als dass sie sich um Politiker und
Manager kümmern würden.
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