- Daily Reckoning:" Warum uns keine Deflation wegen höherer Arbeitszeit droht" - Sorrento, 23.07.2004, 18:34
- Re: Daily Reckoning: Oddball Investing (James Boric) - Firmian, 23.07.2004, 19:53
Daily Reckoning:" Warum uns keine Deflation wegen höherer Arbeitszeit droht"
-->passend zum Defla-Thread weiter unten ein paar neue Argumente:
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I N V E S T O R ' S D A I L Y
Der E-Mail-Dienst für Investoren, Ausgabe vom 23. Juli 2004
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* Warum uns keine Deflation wegen höherer Arbeitszeit droht
* Volkswagen warnt wie erwartet vor schlechteren Ergebnissen
* Umfeld der US-Wirtschaft"ziemlich vorteilhaft"?
* Was Greenspan nicht gesagt hat
* Früher...
* Über den Investor Verlag
* Empfehlen Sie"Investor's Daily" weiter
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Freitag, 23. Juli 2004
Warum uns keine Deflation wegen höherer Arbeitszeit droht
von Jochen Steffens
Manchmal frage ich mich wirklich...
Gerade lese ich einen Artikel darüber, dass die Anhebung der
Arbeitszeiten, Deutschland"an den Rand einer Deflation" bringen soll.
Da hat offenbar jemand fleißig etwas auswendig gelernt - der
Gedankengang in Kürze:
Mehr Arbeitszeit bedeutet das die Löhne sinken - wenn die Löhne
sinken, dann haben die Menschen weniger Geld zum konsumieren.
Angesicht der sowieso schon schwachen Binnenkonjunktur, wird das den
überall bereits jetzt zu beobachtenden Preisverfall noch weiter
anheizen und die Inflationsrate trotz hoher Energiepreise hier in
Deutschland in die Deflation treiben. Dann wird noch auf Japan
verwiesen und ängstlich und erschrocken Panikmache betrieben.
Diese Argumentationskette hat nur einen riesigen Haken - direkt am
Anfang - haben Sie ihn entdeckt?
Zwar sinken durch eine Verlängerung der Arbeitszeit die Löhne, jedoch
nur in Relation zur gearbeiteten Zeit. Das heißt der reale Stundenlohn
sinkt.
Der reale Lohn, als der Lohn, den die davon betroffenen Arbeitnehmer
am Ende des Monats in der Geldbörse haben, bleibt der konstant. Es ist
also nicht weniger Geld im Anlauf - ergo ist diese oben genannte
Argumentation insofern erst einmal unsinnig! Es steht genau gleichviel
Geld dem Markt zur Verfügung.
Jetzt könnte man natürlich argumentieren, dass die Arbeitnehmer
weniger Zeit dazu haben, Geld auszugeben. Das ist tatsächlich ein
Effekt, der eintreten wird. Dabei wird dieser Effekt jedoch dadurch
aufgehoben, dass das Geld teilweise einfach"schneller" und für andere
Sachen ausgegeben wird. Also der Freizeitindustrie wird Geld entzogen,
das wird dann wahrscheinlich der Technologie/Musik/Luxusindustrie und
anderen zufließen.
Nun mag ein geneigter Wirtschaftswissenschaftler aber argumentieren:
Halt, wenn die Stundenlöhne sinken, die Arbeit aber weniger wird, dann
kann es sein, dass neue Arbeiter zu weniger Stunden UND damit weniger
Geld angestellt werden.
Das betrifft jedoch nur die"neu eingestellten" Arbeitnehmer, insofern
hat das auch noch keinen Einfluss auf die zur Verfügung stehende Menge
an Geld - Vielmehr ist es sogar so, dass wenn durch diese Mehrarbeit
bei unverändertem Lohn - Arbeitsplätze hier in Deutschland gehalten
werden können, Firmen nicht mehr ins Ausland abwandern, mehr Leute
ihren Arbeitslohn behalten. Das ist erst einmal ein für den
Binnenkonsum überaus erfreulicher Aspekt!
Man könnte nun argumentieren, dass die Unternehmen bei anhaltenden
konjunkturellen Schwierigkeiten später dann doch Arbeitszeit abbauen.
Das würde über die Stundenlöhne dann tatsächlich zu einer Verringerung
der Gehälter führen. Nur, das würden sie dann auch ohne eine
Arbeitszeitverlängerung tun, wenn einfach keine Arbeit da wäre. Der
dadurch leicht verstärkte Effekt des"weniger Lohns" würde aber durch
oben genannte Effekte bei weitem kompensiert.
Zusammenfassend: Gerade die Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich ist
eines der Mittel, das die deflationären Tendenzen am wenigsten
fördert. Wenn man von der Notwendigkeit der Anpassung an
Niedriglohnländer zur Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland
ausgeht, ist das aus meiner Sicht einer der geeignetesten Mittel.
Ganz bedauerlich finde ich es, wenn wieder einige Politiker merken,
sie haben eine gute Idee nicht selber an die Medien gebracht und dann
versuchen durch totale Übertreibung auf den fahrenden Zug zu springen
und die 50 Stunden Woche herbeischreien oder gar eine Woche Urlaub
kürzen wollen (was aus anderen Gründen Blödsinn ist) - da kann man
manchmal wirklich nur noch leise mit dem Kopf schütteln und titeln:
Manchmal frage ich mich wirklich...
Freitag, 23. Juli 2004
Volkswagen warnt wie erwartet vor schlechteren Ergebnissen
von Jochen Steffens
VW rechnet mittlerweile nur noch mit einem operativen Ergebnis ohne
Sondereinflüsse von 1,9 Mrd. Euro. Zuvor hatte das Unternehmen noch
vor gehabt, das Vorjahresergebnis von 2,5 Mrd. Euro in diesem Jahr zu
übertreffen.
Hintergrund dieses Ergebnisrückgangs: Im ersten Halbjahr ist das
operative Ergebnis nach Sondereinflüssen um über 30 % auf 851 Mio.
Euro zurückgegangen. Dieser Rückgang wurde wiederum damit begründete,
dass die internationalen Märkte sich immer noch in einer schwierigen
Phase befänden und ungünstige Wechselkurse sich zudem belastend
ausgewirkt hätten. Der Umsatz konnte hingegen um 7,3 % auf 45,9 Mrd.
Euro zulegen, und der Absatz erhöhte sich um 5,2 % auf 2,6 Mio.
Fahrzeuge.
Damit wurden die Analystenschätzungen übertroffen und die
Befürchtungen vieler Anleger nicht bestätigt. Gerüchte waren von einer
Senkung der Gewinnprognose auf bis zu 1,5 Mrd. Euro ausgegangen.
Volkswagen konnte um über 2 % auf 33,31 Euro zulegen.
Generell gehört Volkswagen damit zu den Aktien im Dax, die
unterbewertet sind. Wirklich Potenzial nach oben hat der Wert jedoch
auch nur, wenn der Gesamtmarkt mitspielt.
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Freitag, 23. Juli 2004
Umfeld der US-Wirtschaft"ziemlich vorteilhaft"?
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
Der Fed-Vorsitzende hat vor dem US-Kongress gesagt, dass das Umfeld
der US-Wirtschaft"ziemlich vorteilhaft" sei.
Ich freue mich, das zu hören; ich kann es nur einfach nicht glauben.
Auch ich habe Augen im Kopf, und ich befinde mich gerade auf
USA-Reise. Und was ich sehe, das sind Leute, die versuchen, ihren
Lebensstandard zu erhöhen... während ihre realen Einkommen fallen.
Ich sehe Unternehmen, die weniger Geld leihen - was bedeutet, dass sie
nicht die Absicht haben, neue Fabriken zu bauen oder neue Arbeiter
einzustellen.
Und ich sehe, dass die Steuerrückerstattungen ausgelaufen sind, dass
die Konsumausgaben schwächeln und dass die Zahl der neu begonnen
Hausbauten zurückgeht.
Was ich sehe, ist eine Nation, die sich in der Nähe des Endes eines
Vierteljahrhunderts der Kreditexpansion befindet. Aktien waren einst
billig - jetzt sind sie teuer. Die Zinsen, die einst hoch waren, sind
jetzt niedrig. Und die Konsumenten, die einst furchtsam und
zurückhaltend waren, sind jetzt bereit, alles aufs Spiel zu setzen, um
ein neues Haus mit einem Großbildschirm-Fernseher im Wohnzimmer kaufen
zu können.
Dieses Umfeld ist sicherlich für irgendetwas"ziemlich vorteilhaft" -
aber nicht für das, was Alan Greenspan will. Mit anderen Worten: Nicht
für einen Boom, sondern für einen Abschwung.
Jetzt zu Tom Dyson nach London, der sich auch mit Alan Greenspan
befasst:
Freitag, 23. Juli 2004
Was Greenspan nicht gesagt hat
von unserem Korrespondenten Tom Dyson in London
Greenspan hat vor dem US-Kongress gesagt, dass das
US-Wirtschaftswachstum 2004 voraussichtlich zwischen 4,25 % und 4,75 %
liegen wird. Die Inflation werde moderat bleiben, so seine Prognose.
Die sogenannte"Kerninflation" werde im Jahr 2005 bei 1,5 % bis 2 %
liegen. Und das wäre das höchste Inflationsniveau, das die Fed
hinnehmen würde, sagte er.
Er sagte das in seiner verworrenen Sprache, mit der ich immer Probleme
habe.
Das ist ein großer Bluff, liebe(r) Leser(in), und ich glaube ihm
nicht. Er sollte sich Sorgen über eine Deflation machen; aber er kann
das einfach nicht öffentlich sagen.
Denn die Statistiken sprechen dafür, dass die amerikanische
Wirtschaftserholung, die letztes Jahr begonnen hat, mit dem starken
dritten Quartal 2003 ihren Zenit überschritten hat. In diesem Jahr hat
sich das Wachstum deutlich verlangsamt - trotz dem Jubel, den man an
der Wall Street hört.
Volkswirte sagen, dass es vier Schlüsselkennzahlen in einem
Wirtschaftszyklus gibt:
Die Konsumausgaben, die Bauausgaben, die Investitionen der Unternehmen
und die Lagerbestände.
Dr. Richebächer meint dazu:"Das Wachstum der Konsumausgaben (für
langlebige Wirtschaftsgüter) ist von beeindruckenden 28 % im dritten
Quartal 2003 auf negative 4,2 % im ersten Quartal 2004 gefallen", so
der gute Doktor. Und:"Die Wachstumsrate der Bauausgaben (private
Bauten) ist im gleichen Zeitraum von 21,9 % auf 3,8 % gefallen. Bei
den Unternehmensinvestitionen (...) hat sich das Wachstum von 17,6 %
auf 9,8 % verlangsamt."
Jetzt müsste Greenspan eigentlich seine"Reflationierungsbemühungen"
wieder verstärken. Davon würden Rohstoffe und die Kurse ausländischer
(aus Sicht der USA) Währungen profitieren. Die Kurse amerikanischer
Aktien hingegen nicht.
Und ich bin mir sicher, dass Greenspan die Gefahr einer Deflation
sieht und deshalb diese Reflationierungsbemühungen verstärken wird. So
dass es zu keiner Deflation kommen wird. Dafür zu den gerade
beschriebenen Auswirkungen: Rohstoffe und Euro und Yen rauf, US-Aktien
runter.
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Freitag, 23. Juli 2004
Früher...
von unserem Korrespondenten Bill Bonner, derzeit auf großer
USA-Rundreise
"Der Tabakanbau war früher der wichtigste Industriezweig in Maryland",
sagte einer meiner alten Freunde neulich."Jetzt ist kaum noch etwas
davon da."
Wo immer wir hingehen, versuchen wir die alten Zeiten einzufangen.
Manchmal amüsiert uns das. Manchmal werden wir traurig. Und häufig
blicken wir voller Nostalgie zurück.
"Bill, es ist einfach nicht mehr so, wie es früher einmal war", setzte
mein Freund seinen Monolog fort."Wir alle haben jetzt diese
supermodernen Küchen mit der Kochplatte in der Mitte des Raumes und
gefälschten Marmor als Arbeitsplatte. Wir haben Klimaanlagen und eine
Stereoanlage mit Dolby-Surround. Aber es sieht so aus, als wäre auf
der Strecke etwas verloren gegangen. Ich rede schon so wie ein
verbitterter alter Mann."
Es ist schwer, einen Punkt im Leben zu haben, nach dem man sich
richten kann, wenn die Zeit so schnell läuft. Dieser Punkt nach dem
man sich richten möchte, wechselt täglich. Wenn man herumfährt,
erinnert man sich an die Gegend, wie sie früher einmal war.
Erinnerungen kommen hoch. Man denkt, dass alles besser war und man
neigt dazu, die weniger schönen Sachen auszublenden.
Das ländliche Maryland war einmal sehr schön - zumindest habe ich es
so in Erinnerung. Da wo ich aufwuchs, gab es Pferdefarmen und
Tabakfarmen. An der Ostküste gab es Traktorfarmen. Als Kinder hörten
wir von diesen Traktorfarmen und wunderten uns. Wenn sie Traktoren auf
der anderen Seite des Chesapeake-Flusses anbauen, warum sollten wir
keine Fords oder Chevvies bei uns anbauen?
Trecker anzubauen ist bestimmt leichter als der Tabakanbau, da waren
wir uns sicher. Tabak ist die unerfreulichste Pflanze der Welt. Über
drei Jahrhunderte hat sie der Technik getrotzt. 1950 - wie auch heute
noch - wurde sie mit der Hand geerntet. Mein erster Job war es, Tabak
zu ernten. In der Morgendämmerung verließen wir das Haus und begannen,
die Pflanzen zu beschneiden. Eine nach der anderen, Reihe für Reihe,
Stunde für Stunde.
Die Tabakpflanzen mussten eine Weile in der Sonne liegen, um sich
auszuruhen. Dann mussten wir die Reihen wieder zurückgehen und die
angetrockneten Pflanzen aufsammeln und zu einem Bündel zusammenbinden.
Und das alles während der Mittagshitze; Schweiß rann an unseren Armen
entlang, durchnässte unsere Hemden und der Tabak-Harz klebte an
unseren Händen und an der Kleidung.
Am späten Nachmittag - wenn wir bis dahin gut in der Zeit waren -
konnten wir die Trecker zwischen die Pflanzenreihen fahren und die
Bündel - jedes etwa mit fünf oder sechs Pflanzen - auf die Ladefläche
werfen. Dann wurden sie zu einem Silo gefahren und zum Trocknen
aufgehängt.
Es war eine schrecklich anstrengende und dreckige Arbeit. Aber es war
eine Lebensgrundlage für Hundertausende Menschen. Wahrscheinlich ist
es das immer noch.
Einmal lag ein Onkel von mir im Sterben. Wir hatten uns alle bei ihm
zu Hause getroffen, um von ihm Abschied zu nehmen. Natürlich ging es
in dem Gespräch um Dinge, die jeder kannte und jeder machte: Tabak.
Als uns der sterbende Mann plötzlich unterbrach.
"Da wo ich hingehe, werden sie keinen Tabak anbauen."
Es kann sehr unangenehm sein, um einen sterbenden Mann herum zu
stehen. Keiner weiß so recht, was man sagen soll. Für ein Kind ist es
fast beängstigend. Es hat Angst ihm zu nahe zu kommen, aus Angst, dass
er es mit sich nimmt.
Eine bedrückende Stille befiel uns Cousins. Niemand wollte unseren
Onkel anschwindeln, aber niemand wollte, dass er wusste, dass seine
Stunden gezählt waren.
Eine der Tanten - ihr Gesicht war von der jahrelangen Farmarbeit rot
und faltig -fürchtete weder Tod noch Teufel. Und wirklich hatte sie
vor niemandem Angst... sie war fast auf Augenhöhe mit Gott
persönlich.
"Woher zum Teufel willst du wissen, was sie da machen?"
Innerhalb kürzester Zeit begannen wir alle über den Tabakanbau im
Himmel zu spekulieren und wir sprachen über das große Familientreffen,
wenn wir alle uns eines Tages in den himmlischen Feldern zur
Tabakernte wiedersehen würden.
Irgendwie sind diese Erinnerungen noch immer so intensive. Das ist die
Zeit. Das ist das Leben.
Aber heute ist alles anders.
Wir sehen aus unseren Autofenstern und sehen da, wo früher Tabakfelder
waren, Häuser. Jetzt gibt es kleine Einkaufszentren voller Pendler,
die auf ihrem Heimweg noch schnell etwas einkaufen.
"Hör dir das an, da wirst du nicht glauben", sagte mein Freund."Es
gibt jetzt Steuervergünstigungen, für Leute, die ein altes Silo nicht
abreißen lassen. Man wird dafür bezahlt, sie in Stand zu halten. Der
Staat fand sie irgendwie pittoresk."
Was einmal eine Funktion hatte, ist heute pure Zierde. Was einmal das
echte Leben war, ist heute eine Geldanlage. Ist das jetzt besser,
lieber Leser?
Diese Tabak-Debatte ist total verrückt. Die Regierung will Leute davon
abhalten, dass sie Tabak anpflanzen. Alle sind gegen Rauchen. Deshalb
bezahlen sie Tabakbauern Geld, damit sie den Tabak nicht anpflanzen.
Sie wollen die Bauern dahin kriegen, dass sie Chardonnay anpflanzen,
oder irgendeine andere Rebsorte.
Sie bezahlen danach, wieviel man zuvor mit dem Tabak verdient hat.
Wenn man beispielsweise im letzten Jahr 50.000 Dollar mit der Ernte
von Tabak verdient hat, geben sie einem dieses Jahr vielleicht 40.000
Dollar, damit man nicht mehr anbaut. Um das alles zu toppen, geben sie
eine Steuervergünstigung, um das alte Silo in Stand zu halten - so hat
man einen Platz, wo man den Tabak unterbringen kann, den man nicht
geerntet hat. Das ist verrückt."
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