- Eigentumsentstehung - Zandow, 03.08.2004, 16:38
- Re: Eigentumsentstehung - dottore, 03.08.2004, 17:45
- Re: Eigentumsentstehung - Burning_Heart, 03.08.2004, 18:05
- Palast/Tempel - Zandow, 03.08.2004, 18:09
- Re: Palast/Tempel - eigentlich kein Problem - bernor, 03.08.2004, 22:09
- Grundrisse - Zandow, 04.08.2004, 15:41
- Re: Grundrisse - bernor, 04.08.2004, 21:33
- @bernor: Dank für Buchtip. Hab's gleich bestellt. (o.Text) - Zandow, 05.08.2004, 15:34
- Re: Grundrisse - bernor, 04.08.2004, 21:33
- Grundrisse - Zandow, 04.08.2004, 15:41
- Re: Palast/Tempel - eigentlich kein Problem - bernor, 03.08.2004, 22:09
- Re: Eigentumsentstehung - dottore, 03.08.2004, 17:45
Eigentumsentstehung
-->Hallo Forumsgemeinde,
zu dottores posting vom Sonntag noch einige Ergänzungen bzw. Hinweise:
<font color=#0000FF>- Es gibt eine direkte Linie von der Entwicklung in Sumer (4. und 3. Jt. BC), wo - nach wie vor in der Forschung unumstritten - zum ersten Mal privates Bodeneigentum, das nicht nur der Subsistenz der jeweiligen"Besitzer", sondern dem Inkasso von Grundrenten durch Nicht-Bewirtschafter dient......</font> (posting d. vom Sonntag)
In der bäuerlichen Subsistenzwirtschaft gab es kein privates Eigentum an Grund&Boden. Die Äcker in unmittelbarer Nähe der Dörfer gehörten der Gemeinschaft, wer den Acker bearbeitete, dem gehörte er. Dies kann man allerdings so eigentlich auch nicht sagen, da die Ernte meist zentral gelagert wurde (mit kleinen Vorräten im Haus) und eine individuelle Zuordnung nicht stattfand. Das Nichteigentum an den Äckern ergibt sich aus dem Regenfeldbau: Ein Acker war so gut, wie der andere und im nächsten Jahr war es ebenso. Eine qualitative Unterscheidung gab es nicht, so daß es egal war, wer welchen Acker bewirtschaftete. Desweiteren gab es Land genug, es herrschte keine Knappheit an Ackerland. Somit konnte ein Acker auch keinen Wert (in oekonomischem Sinne) haben, da die Erzeugergemeinschaft der Verbrauchergemeinschaft identisch war und es somit kein Äquivalent zu einem eventuellen"Tausch" gegeben hat.
Dies änderte sich mit der Einführung des Bewässerungsfeldbaus. Durch diese Innovation konnten erstmals Überschüsse (das surplus, nicht zu verwechseln mit Reserven für schlechte Zeiten!) produziert werden, die nun nicht in der Erzeugergemeinschaft verbraucht wurden, sondern vom Abgabenerzwinger. Die Produzentengemeinschaft war nicht mehr identisch mit der Verbrauchergemeinschaft! Jetzt bekamen die bewässerten Felder einen oekonomischen Wert, der aus zwei Dingen resultiert:
A) Der Bewässerungsfeldbau erfordert eine Anfangs- und Erhaltungsinvestition. Also die Anlegung der Bewässerungsgräben und die Nivellierung der Felder sowie die Pflege, Reparatur und Erhaltung der Gräben. Desweiteren die Regulierung der Bewässerung. Somit unterschied sich der bewässerte Acker wesentlich vom Acker mit Regenfeldbau in seiner Qualität. Bewässerte Äcker waren knapp, da sie ohne Investition nicht existent wären und sich sicherlich auch untereinander in der Qualität unterschieden.
B)Mit dem produzierten surplus kam zum ersten Mal ein Äquivalent in die Welt, welches den oekonomischen Wert eines bewässerten Ackerlandes ausdrücken konnte. Der Wert eines bewässerten Ackers drückte sich also in den Produkten aus, die zur Abgabe (zum Termin!) verlangt wurden.
Durch diesen Wert war es nun nicht mehr egal, wer welchen Acker bearbeitete. Land wurde erstmals vererbt! Das Eigentum war in der Welt, gemäß der erweiterten Eigentumsdefinition (Fähigkeit zur Schuldenaufnahme- und <font color=#FF0000>tilgung</font>; hier die Abgabenschuld ex nihilo)! Durch die Entstehung eines Wertäquivalentes (Produkt, Menge, Termin), den erhöhten Arbeitsaufwand beim Bewässerungsfeldbau und der Nichtidentität zwischen Erzeuger- und Verbrauchergemeinschaft entstanden Spezialisierungen in den Arbeitsschritten. Diese Spezialisierungen betrafen nicht nur die Produktion der landwirtschaftlichen und zur Abgabe fälligen Güter, sonder auch in zunehmenden Maße andere Produkte (Hausbau, Werkzeugherstellung....). Das Wirtschaften auf der Grundlage von Schuldkontrakten begann!
Die genaue Betrachtung der Eigentumsentstehung ist in mehreren Aspekten sehr interessant, da sich einige Irrtümer in der Geschichtsbetrachtung korrigieren lassen. So widerlegt dieser Ablauf die Erklärung der Entstehung von Handel und Spezialisierung aus Knappheiten heraus. Die bäuerliche Subsistenzwirtschaft war eine über Jahrtausende sehr stabile Wirtschaftsweise. Aus ihrem Inneren heraus entstand keinerlei Innovotion, Handel usw. Es wurde produziert, was man brauchte und fertig. Mehr nicht!!!!!!! Die Knappheit kam erst mit dem erzwungenen surplus in die Welt.
Die Knappheit darf nicht verwechselt werden mit den Risiken des Regenfeldbaus. Mißernten wurden durch Vorratshaltung innerhalb der Dörfer und ein über Heiraten (intertemporäre Verpflichtungen; nicht auf Rückgabe einer anderen Frau, sondern auf materiellen Ausgleich im Notfall) hergestelltes Beziehungsgeflecht zwischen den Dörfern ausgeglichen. Eine Notsituation führte also nicht zu einer Verbesserung des Anbaus oder gar Innovationen, sondern zur Erweiterung des Beziehungsgeflechts zwischen den Dörfern. Am Regenfeldbau änderten die permanenten Risiken nichts.
Trotzdem stellt der Risikofall (Mißernte) ein einschneidendes Ereignis im Leben der Menschen dar. Solche schweren Mißernten kamen ca. einmal pro Generation (20 - 25 Jahre) vor. Die Erinnerung daran wurde durch orale Riten erhalten. Hier findet sich ein Ansatzpunkt bei der Betrachtung der Religionsentstehung. Orale Riten finden sich neben der Urangst vor dem Wasser (nicht dem Wasser ansich, sondern vor Überschwemmungen!) in allen Religionen.
Zum Schluß: Nach der Macht- und Gewalttheorie von dottore ist der Auslöser der Innovation des Bewässerungsfeldbaus die Erzwingung einer Abgabe, die die Produktion eines surplus notwendig machte. Andererseits könnte man behaupten, daß der Bewässerungsfeldbau erfunden wurde, um die Risiken des Regenfeldbaus zu minimieren und sich durch diese Risikominimierung ein Produktionsüberschuß ergab, der dann Begehrlichkeiten weckte. An diesem Punkt fehlen mir in der Macht- und Gewalttheorie noch Belege. Oder hab' ich hier nicht genau geschaut?
Herzliche Grüße in die Runde, <font color=#008000>Zandow</font>

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