- OT Nochmals: Firmenübernahmen und die Folgen für bestehende Arbeitsverhältnisse - Popeye, 11.08.2004, 09:13
OT Nochmals: Firmenübernahmen und die Folgen für bestehende Arbeitsverhältnisse
-->Informationspflicht erschwert UnternehmenskäufeRegeln zum Betriebsübergang machen Akquisitionen riskanter / Von Markus Kappenhagen FRANKFURT, 10. August. Unternehmenskäufe und Ausgliederungen stellen die Beteiligten nicht nur vor gesellschafts- oder steuerrechtliche, sondern auch vor arbeitsrechtliche Fragen.
Gut zwei Jahre nach ihrer Einführung hat sich vor allem die Informationspflicht des Arbeitgebers im Falle eines Betriebsübergangs - § 613 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) - als Hemmschuh erwiesen. Unternehmenskäufe sind seither komplizierter geworden, weil Mitarbeiter einem Betriebsübergang nachträglich widersprechen können, wenn sie vorab nicht korrekt unterrichtet worden sind.
Allerdings lassen erste Urteile erkennen, daß solche Widersprüche nicht unbefristet möglich sind.Grundsätzlich gilt, daß bestehende Arbeitsverhältnisse beim Verkauf eines Unternehmens auf den Erwerber übergehen. Allerdings können die betroffenen Mitarbeiter diesem Übergang widersprechen und bleiben dann weiterhin bei ihrem bisherigen Arbeitgeber beschäftigt.
Seit April 2002 regelt § 613 a Absatz 5 BGB detaillierte Informationspflichten gegenüber den Beschäftigten. Der bisherige Arbeitgeber oder der Käufer müssen die Belegschaft in Textform - also schriftlich, per Fax, Kopie oder E-Mail - über den bevorstehenden Betriebsübergang, seinen Zeitpunkt, den Grund, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen sowie die"hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen" unterrichten. Arbeitnehmer, die widersprechen wollen, müssen dies innerhalb eines Monats nach dieser Mitteilung tun. Andernfalls sind sie auf Dauer bei dem neuen Betriebsinhaber beschäftigt.
Die Unterrichtungspflicht hat sich zu einem wichtigen zusätzlichen Punkt in den Verhandlungen und bei der Vertragsgestaltung beim Unternehmenskauf entwickelt. Grund hierfür sind einerseits die unscharfen gesetzlichen Vorgaben - was sind beispielsweise"rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen" -, andererseits die Risiken, die eine unzureichende oder falsche Unterrichtung für die beteiligten Unternehmen haben kann. Denn werden die Mitarbeiter unzulänglich informiert, beginnt der Fristlauf für den Widerspruch nicht. Die Arbeitnehmer können dann auch noch nach Ablauf eines Monats widersprechen.
Im Extremfall kann ein Mitarbeiter, dem das Arbeitsklima beim Betriebserwerber nicht gefällt oder dem die wirtschaftlichen Aussichten dort nicht günstig scheinen, deshalb noch nach Monaten zu seinem früheren Arbeitgeber zurückkehren. Auch wenn ihm dieser dann möglicherweise kündigen kann, weil er keinen Arbeitsplatz mehr für ihn hat, schafft die Möglichkeit des späten Widerspruchs erhebliche Rechtsunsicherheit.Das Landesarbeitsgericht Berlin hat nun allerdings entschieden, daß ein Arbeitnehmer sein Widerspruchsrecht verwirkt, wenn er es länger als ein Jahr nicht ausübt (Urteil vom 8. Juni 2004 - 3 Sa 513/04).
Das Arbeitsgericht Kassel ist sogar der Meinung, daß falsch oder gar nicht informierte Mitarbeiter nur innerhalb von sieben Monaten nach dem Betriebsübergang widersprechen können (Urteil vom 11. Februar 2004 - 1/9 Ca 330/03). Alter wie neuer Arbeitgeber müssen nach der gegenwärtigen Rechtsprechung also mehr als ein halbes Jahr mit der Unsicherheit leben, daß sich ein Arbeitnehmer im nachhinein gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses wehrt.
Geklärt ist immerhin, daß ein einmal erklärter Widerspruch nicht mehr zurückgenommen werden kann (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Oktober 2003 - 8 AZR 491/02; F.A.Z. vom 5. November 2003).Wenn der Arbeitgeber seine Unterrichtungspflicht schuldhaft verletzt, riskiert er zudem Schadensersatzforderungen. Die Arbeitnehmer sind dann so zu stellen, wie sie bei korrekter Information gestanden hätten. Wird etwa eine beim früheren Arbeitgeber bestehende Betriebsvereinbarung über Urlaubsgeld nach § 613 a BGB durch eine beim Erwerber geltende Betriebsvereinbarung verdrängt, die ein geringeres Urlaubsgeld vorsieht, kann die Differenz als Schadensersatz geltend gemacht werden. Noch teurer kann es für die Arbeitgeber bei der betrieblichen Altersversorgung werden.Diese Risiken führen dazu, daß sich die beteiligten Unternehmen über die vertragliche Verteilung des Schadensersatzrisikos einigen und die Formulierung des Unterrichtungsschreibens eng miteinander abstimmen müssen.
Häufig werden zahlreiche Entwürfe mit immer wieder geänderten Formulierungen ausgetauscht, wenn die Vorstellungen von Verkäufer und Erwerber über die nötigen Informationen auseinandergehen. Auch muß der Arbeitgeber den Zugang des Mitteilungsschreibens beim Arbeitnehmer dokumentieren können, um notfalls den Beginn der Monatsfrist nachweisen zu können. Bei Betrieben mit mehreren tausend Mitarbeitern ist dies nicht einfach.
Aus Sicht der Arbeitnehmer ist es verwirrend, daß das Gesetz für ihren Widerspruch eine andere Form vorschreibt als für die Unterrichtung durch den Arbeitgeber. Dieser kann seine Mitarbeiterinformation zwar per E-Mail verschicken, die Arbeitnehmer können ihm aber nicht per Mail antworten. Sie müssen dies vielmehr in Schriftform tun, also in einem Schreiben mit Originalunterschrift. Wer glaubt, per E-Mail seinen Widerspruch kurz vor Ablauf der Frist wirksam erklärt zu haben, unterliegt deshalb einem möglicherweise folgenschweren Irrtum.
Dr. Markus Kappenhagen ist Partner der Anwaltssozietät Baker & McKenzie, Düsseldorf.Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.08.2004, Nr. 185 / Seite 19

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