- Wie es weitergeht, ist bekannt. - Zardoz, 12.08.2004, 21:10
- Re: Wie es weitergeht, ist bekannt. - Aiwass7, 12.08.2004, 21:17
- Re: Bestimmt hatte 'Notverordnung' damals... - Zardoz, 12.08.2004, 21:32
- Die Probleme sind tiefgreifender, als sie den Lohnsenkungen zuzuschreiben - EM-financial, 12.08.2004, 22:23
- Re: Da gehe ich sogar noch weiter... - Zardoz, 13.08.2004, 00:23
- Re: Wie es weitergeht, ist bekannt. - Aiwass7, 12.08.2004, 21:17
Die Probleme sind tiefgreifender, als sie den Lohnsenkungen zuzuschreiben
-->Typisch Jusos ;-) sicher in der Analyse des Sachverhaltes (wir haben Probleme und sitzen tief in der Sch....) richtig, aber nicht in der Ursachenforschung.
Die Löhne wurden zum Beispiel in den USA während der 30er Jahre immer weiter erhöht. Die Gewerkschaften konnten die Löhne zwischen 1929-1937 um 35 % erhöhen. Zeitgleich ging natürlich die Lohnsumme der Unternehmen aufgrund von Pleiten und Entlassungswellen nicht so stark nach oben (5 %). Höhere Lohnforderungen bewirken wirtschaftlich also gar nichts. Vielmehr bewirken da schon staatliche Ausgabenprogramme, doch diese sind auch nicht unbegrenzt durchführbar. In Deutschland hat die Banken- und Finanzkrise von 1931 eine Belebung des Konsums über Staatsdefizite verunmöglicht. Brüning wird von linker Seite immer wieder die Sparpolitik zur Last gelegt, die er selbst wohl am allerwenigsten wollte.
Folgende Schilderung des Sachverhalts führt allerdings meiner Meinung nach in die Irre:
"Und nachdem der RDI abermals niedrigere Lohnkosten angemahnt hat - als"wichtigste Voraussetzung... der Wiedereinführung der Arbeitslosen in die Produktion" -, senkt die Reichsregierung per staatlich erzwungenem Schiedsspruch die Löhne in der Berliner Metallindustrie um insgesamt acht Prozent. Im Dezember 1930 werden die Gehälter und Pensionen der Beamten um sechs Prozent gekürzt..."
So zitiere ich aus Kurt Richebächer's Im Teufelskreis des Fiskalsozialismus:
"Unter dem Eindruck einer anschwellenden Flut sozialer Lasten, steigender Löhne und öffentlicher Ausgaben (damit meinte er die Zeit vor 1929) entwickelte sich verhältnismäßig frühzeitig eine sehr pessimistische Haltung, doch trotz schwacher Konjunktur kam es bis 1930 zu einer verstärkten Lohnwelle. Innerhalb von drei Jahren erhöhten sich die Stundenlöhne um 15 %. Diese Erhöhung fiel um so mehr ins Gewicht, als die Preise kräftig nachzugeben begannen."
Das interessante an Richebächer's Schilderungen, die sich nicht nur auf Deutschland sondern auch auf die Welt und natürlich auch die USA, bezieht ist die [b]Reihenfolge des Ablaufs der Ereignisse. So führte nicht etwa die Sparpolitik und die Senkung der Löhne in die Deflationsspirale, sondern diese war schon da BEVOR die genannten Maßnahmen getroffen wurden.
Weder die angebliche"Sparpolitik" Brünings noch die mangelnde Liquiditätsversorgung und Kreditvergabe von Seiten der Banken und Zentralbanken sind für die schwere wirtschaftliche Krise von damals verantwortlich. (die Geldmengen fielen im Vergleich zu den Preisen erst verspätet) Sondern die Probleme liegen in einer verfehlten Fiskal- und Geldpolitik VOR Brüning und 1930. Natürlich nicht isoliert in Deutschland sondern weltweit.
Die Jusos versuchen diese Fehler natürlich Brüning und der Betonung auf die katholische Zentrumspartei und damit den Konservativen zuzuschieben und verkennen dabei die wirklichen Fakten.
Der deutsche Abschwung in der Industrieproduktion hatte bereits 1927 begonnen und 1930 waren die Gewinne der Unternehmen so tief, dass man eben reagieren musste. Unter keinen Umständen war der wirtschaftliche Zusammenbruch damals überhaupt noch von welcher Partei auch immer abwendbar.
Die USA waren Sieger des ersten Weltkriegs und konnten den Kredithahn eben wie besagt 1933 mit dem New Deal aufdrehen.
"Begriffen hatten das die Amerikaner, die von der Depression mindestens so gebeutelt worden waren wie die Deutschen. Sie verabschiedeten ab 1933 eine Reihe von Gesetzen, die allesamt die Kaufkraft und das Vertrauen der Massen heben sollten - staatliche Arbeitsbeschaffung, gesetzliche Mindestlöhne, Einführung von Rente und Krankenversicherung, staatliche Garantie der Spareinlagen."
Deutschland hatte diese Möglichkeit 1930 nicht, da man ja wie bereits mehrfach in diesem Forum diskutiert wurde zu etwa 50 % von ausländischen Kapitaltransfers abhängig war. Deutschland konnte sich in den 20er Jahren nicht mehr selbst von innen heraus finanzieren und war deshalb natürlich an einen höheren Zins gebunden und natürlich Frankreich, England und vor allem den USA ausgeliefert.
Nun war der"New Deal" aber keineswegs eine Lösung der Probleme. Man denke nur an 1937. Innerhalb eines halben Jahres ging die Industrieproduduktion für Investitionsgüter um sage und schreibe 51 % zurück und die Produktion von Konsumgütern um 13 %. Der staatlich finanzierte Ausgabenschub"New Deal" brach förmlich in wenigen Monaten in sich zusammen und war im Vergleich zu 1929 auf der industriellen Seite vermutlich noch wesentlich stärker.
Das Problem sind also nicht Schröders so genannte"Reformen" sondern die seit Ende der 60er Jahre und vor allem in den 90er Jahren angestauten und sich aufgehäuften Probleme.
Schröder könnte das Arbeitslosengeld und die Zozialhilfe verdoppeln und er könnte noch mehr Staatsbedienstete einstellen, den wirtschaftlichen Zusammenbruch kann er damit ebensowenig verhindern, wie er ihn durch eine Sozialreform auslösen wird.
Aber Jusos werden solche Zusammenhänge natürlich nie verstehen, da es mehr bedarf als ein paar lauthalsen Parolen und Sprüchen ;-)
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