- Das Creutz-Syndrom, Teil 3: Der Hellseher - Frank, 27.08.2004, 18:40
- Re: Das Creutz-Syndrom, Teil 3: Der Hellseher - DividendenJaeger, 27.08.2004, 22:03
Das Creutz-Syndrom, Teil 3: Der Hellseher
-->Das Creutz-Syndrom, Teil 3: Der Hellseher
Wären die Freigeldfreunde nicht so sehr für die Kunststücke des Meisters, sondern für Tatsachen empfänglicher, hätten sie schon längst - und zwar MIT FREUDE - erkannt, dass durch die Ausgestaltung des modernen Geldes mit seinem sehr geringen Bargeldanteil (ca. 6 % beim Euro) Hortung in großem Stil überhaupt nicht mehr möglich ist und somit Zinsen nicht mehr wie in Zeiten von Gesell und Keynes erpresst werden können.
Zentralbankzinsen von NULL wie seit vielen Jahren in Japan, von 1 % wie noch vor kurzem in USA und von 2 % in Europa wären damals unmöglich gewesen - heute sind sie Realität. In Japan wie in USA sind die realen Notenbankzinsen sogar NEGATIV. Die Kapitalmarktzinsen sind entsprechend niedrig, deutlich unter 5 % in all den Ländern. Auf Girokonten gibt es selten überhaupt noch Zinsen.
Wie das? Ganz einfach: Das „Nicht-Bargeld“ (zum Großteil M1, vollständig M2 und M3) von ca. 94 % kann NUR AUF GESCHÄFTSBANKEN (in deren Computern) existieren und steht damit grundsätzlich zur Kreditvergabe bereit. Niemand kann dieses „Nicht-Bargeld“ in einer Matratze verschwinden lassen oder in der Garage lagern. Ob es zinsbringend verliehen wird und wie hoch der Zins dabei ist, bestimmt der Sparer längst nicht mehr mit. Er muss heute knallhart akzeptieren, was die Banken ihm an Zinsen bieten. Mit Bargeld zur Bank marschieren und dort 5 % verlangen mit dem Hinweis „sonst lasse ich mein Geld zu Hause“ funktioniert nicht mehr.
Und auch bei null Prozent auf dem Girokonto, das wegen seiner Gebühren und der Inflation nun eine negative Rendite bedeutet, besteht kein allgemeines Bedürfnis, Bargeld zu Hause zu lagern. Auch ohne Verzinsung wird das Geld lieber auf der Bank gelassen, weil man es dort sicherer wähnt. Der Kunde ist also bereit, einen kleinen Bonus (NEGATIVEN ZINS) dafür zu zahlen, dass die Bank sein Geld bewacht.
Die Freiwirte beklagen sich oft darüber, man würde sie in der Politik nicht wahrnehmen. Das stimmt nicht ganz: Die Idee vom Schwundgeld und der damit verbundene „Ankurbelungseffekt“ sind den Zentralbankern gut bekannt. Wörgl hat ja gezeigt, dass es funktioniert, obwohl es sich hier nicht um echtes Schwundgeld, sondern um besteuertes Geld/Tauschmittel handelte. Es „schwand“ (verdarb) kein Geld-/Tauschmittelanteil, sondern dieser Anteil „entschwand“ nur in die öffentliche Kasse des Bürgermeisters. Und nun kommt es: In den besonders krisenhaften Jahren 2002/2003 haben sowohl die Zentralbank in USA als auch Japan ernsthafte Überlegungen angestellt, Giralgeld zur Ankurbelung der Wirtschaft zu besteuern. Obwohl die Presse berichtete, griffen die Freigeldleute diese völlig neue Entwicklung kaum auf. Dabei war es doch eine kleine SENSATION. Nicht nur dauerhaft niedrige Zinsen waren im Kapitalismus möglich, sondern auch die Installation einer Art Soft-Schwundgeld im Bankenbereich wurde ernsthaft erwogen!
Damit zeigte sich: Mit unserem heutigen, mit „elektronischem“ Geld ausgestatteten Geldsystem sind sehr niedrige Zinsen grundsätzlich möglich bzw. ist sogar die Realisierung eines negativen NOMINAL-Zinses sehr wahrscheinlich möglich. Somit ist dieses System potenziell in der Lage, sich einem wesentlichen Ziel der Freiwirte zumindest zu nähern.
Hinzu kommt folgende ERFREULICHE Tatsache: Ebenso wie der Zinseszinseffekt selbst wird auch der Effekt einer Zinssenkung auf das Kapitalwachstum vom Gefühl her unterschätzt. Wir stellen uns zwei Anlagen vor, eine mit 8 %, eine mit 4 % verzinst. In zehn Jahren hat die erste 116 % Zinsrendite gebracht, die zweite jedoch nur 48 %. Obwohl der Zinssatz genau halbiert wurde, bringt die zweite deutlich weniger als die halbe Rendite der ersten. Bei den Realzinsen, auf die es letztlich ankommt, sieht das sogar noch viel besser aus: Wird die Inflationsrate (aktuell 2 % in Deutschland) berücksichtigt, dann dürfen wir mit 6 % bzw. 2 % rechnen, und das bringt uns 79 % bzw. 22 % effektiven Zinsgewinn. Die Zinssenkung um die HÄLFTE hat also den realen Zinsgewinn rund auf ein VIERTEL gesenkt. Und je mehr Zeit vergeht, umso größer wird diese Diskrepanz noch.
Doch die berechtigte Hinterfragung der alten Ziele auf Grund der neuen Situation kam für den großen Meister nicht in Betracht. Daher betreibt er hartnäckig - etwa in einer zweiteiligen Untersuchung über Bargeld in (r)evolution - die Aufrechterhaltung der Illusion, durch Androhung von Hortung könnten auch heute noch die Zinsen hoch gehalten werden.
In den Zeiten der Vordenker war das möglich und ist oft unter dem Begriff LIQUIDITÄTSFALLE beschrieben worden. (Formulierungen wie „Geldstreik“ oder „Verknappung“ gehören dazu und meinen Hortung zwecks Erpressung hoher Zinsen.)
Doch dieses Instrument liegt längst auf dem Müllhaufen der Geldgeschichte!
Aber das darf nicht sein. Darum hat der Meister auf der Bühne immer diese geheimnisvolle Kiste dabei mit der Aufschrift „The Magic Trap“. Da soll die gefährliche Falle drin sein. Ist sie aber nicht. Was also tun? Manipulieren!
Um das Publikum zu überzeugen, die Liquiditätsfalle könne zu jeder Zeit herausgeholt werden, wendet der Meister neben der üblichen Taktik „Beeindrucken durch den Anschein von Wissenschaftlichkeit“ weitere Tricks an. Hier nur drei Beispiele:
Einwand 7 gegen eine Geldreform (s. HW 4/2003):
„Heute hortet doch niemand mehr Geld, und wenn, so ist das kein Problem mehr.“
Antwort Creutz: „Mit ziemlicher Regelmäßigkeit erscheinen in der Presse Berichte über Verstorbene, die unter Matratzen oder sonst erkleckliche Geldsummen versteckt hatten. Noch größere Summen werden immer wieder bei Einbrüchen aus Wohnungen gestohlen und Millionenbeträge beim Ausräumen privater Bankschließfächer erbeutet.“
Der Trick: Ein schönes Schauermärchen hat noch immer den Verstand benebelt.
Kommentar: Diese Berichte soll er mal vorweisen, dann die Summen addieren, zur Sicherheit VERHUNDERTFACHEN und mit M0 vergleichen. Der Anteil wird weniger als winzig sein, also ohne jeden Effekt.
Und weiter Creutz: „Auch wenn es darüber keine genauen Zahlen gibt: Die Höhe der dem Wirtschaftskreislauf entzogenen Geldsumme ist beträchtlich.“
Der Trick: „Die reine, einfache Behauptung ohne Begründung und jeden Beweis ist ein sicheres Mittel, um der Massenseele eine Idee einzuflößen.“ (Le Bon, Psychologie der Massen, S. 88)
Kommentar: Nun wissen wir es: Unser Magier ist auch noch HELLSEHER.
Aber mit dem kleinen Gebiet von 6 % gibt er sich nicht ab. Da könnte vielleicht doch mal eine unangenehme Frage kommen. Deshalb setzt der Meister zum halsbrecherischen Hochseilakt an. Die Teilnummer heißt
„Ein Loch im Ganzen“
und läuft sehr schnell ab, damit der Trick nicht erkannt wird:
„In welchem Umfang sich heute Geld dem Angebot am Kapitalmarkt entzieht, lassen die weltweit vagabundierenden und ständig noch eskalierenden Spekulationsmilliarden erahnen.“ (in: Die Schatten des Zinses...)
Der Trick: Niemand im Publikum ist Spekulant - mit „Spekulationsmilliarden“ kennt sich somit keiner aus, das Ganze wird also geglaubt. Pech gehabt, Meisterchen, hier ist jemand, der in etwa weiß, wie es an den internationalen Finanzmärkten zugeht. Nämlich genauso wie im Tante-Emma-Laden: Willst du ein Stück Butter, dann wandert das Stück Butter vom Regal in deine Tasche, und deine Euros wandern von deinem Portmonee in meine Kasse. Genauso ist es mit einem Spekulationsobjekt, wie einer Aktie: Willst Du meine Aktie, dann wandert meine Aktie von meinem Depot in deins, und dein Geld wandert (als digitaler Datensatz auf einer der bankenverbindenden Platforms) von deinem Konto auf meines. DORT STEHT ES GENAUSO FÜR VERLEIHVORGÄNGE ZUR VERFÜGUNG WIE AUF MEINEM KONTO. Verallgemeinert: Der Grad der Spekulation hat NULL EINFLUSS auf das Geldangebot am Kapitalmarkt, denn durch Aktien-, Devisen-, Rohstoff- und sonstige Spekulation wird die grundsätzliche Möglichkeit der Verleihung von M1, M2 und M3 überhaupt nicht beeinträchtigt.
Kommentar: überflüssig
Das eben zeichnet einen guten Führer aus: Wie groß der Unsinn auch ist, den er den Geführten einredet, es wird einfach geglaubt.
(Teil 4-6 morgen, 28.8.04)

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