- Für (potentielle) Auswanderer:)"Deutsche in Zürich - Sie sind überall!" - JoBar, 21.09.2004, 12:10
Für (potentielle) Auswanderer:)"Deutsche in Zürich - Sie sind überall!"
-->Deutsche in Zürich - Sie sind überall!
Von Elke Wittich
Sie kommen in Scharen, sprechen laut und trinken viel. Ist das Schauspielhaus schuld? In Zürcher In-Bars wird spekuliert. Mit Unbehagen.
Die Sache klang dringend. Es sei notwendig, so schnell wie möglich nach Zürich zu kommen. Die Deutschen seien nämlich da, genauer gesagt: viele Deutsche. Zu viele Deutsche, um die Sache auf den Punkt zu bringen. Nun müsse jemand kommen und ihre Motive erforschen, notfalls sogar mit ihnen reden.
Für eine, die bereits in frühester Jugend die Urlaubslangeweile an niederländischen Stränden damit bekämpfte, nichts ahnenden deutschen Familienvätern ein «Na, wieder mal gekommen, um Holland zu besetzen?» zuzurufen, also eigentlich ein Traumauftrag. Dessen Begründung trotzdem nicht so ganz einleuchtet: «Sie sind überall!»
Da, wo ich herkomme, sind die Deutschen noch viel mehr überall, ein paar an andere Länder abzugeben, erscheint mir daher eine ausgesprochen gute Idee.
1. Tag - Ist Zürich Ausland?
Ein wenig peinlich scheint das Thema den meisten SchweizerInnen schon zu sein. Denn wer sich als weltoffen und tolerant sieht, darf natürlich selbst über Deutsche nicht Sachen sagen wie «Sie machen sich hier breit und nehmen uns den Platz weg» oder «Sie lernen einfach unsere Sprache nicht und weigern sich, sich unserer Kultur anzupassen».
Auf der anderen Seite: Warum eigentlich nicht?
Deutsche gehen tatsächlich nicht davon aus, dass sie im Ausland sonderlich beliebt sind - allerdings definieren sie den Begriff Ausland auch ein bisschen grosszügiger als die meisten anderen Nationen. Anderswo ist dort, wo eine andere Sprache gesprochen wird, und so fühlt man sich in Ã-sterreich, der Schweiz sowie in Teilen Belgiens und Italiens eben nicht fremd. Die Schweiz hatte dabei noch besonderes Pech: Deutsche konnten sich meist nicht vorstellen, dass man den Zweiten Weltkrieg auch in den wenigen Ländern, in die sie nicht einmarschierten und anschliessend ihr Terrorregime errichteten, nicht einfach vergessen hat. Entsprechend sahen sie auch dort kaum Grund zu dezentem Benehmen.
Und sie tun es noch heute nicht: Sie sind arrogant. Sie sind da. Und sie halten sich nicht an die Waschzeiten, erzählt Laura, die mitten im angesagten Kreis 5 wohnt. «Über mir wohnen schwule Deutsche», beginnt sie ihre Leidensstory. Die im Grossen und Ganzen davon handelt, dass die beiden nonstop die Waschküche besetzen. Laura ärgert das sehr, und gleichzeitig ist ihr das auch ein bisschen peinlich: «Ich habe da wohl ein echtes Problem. Denn ich denke beim Anblick eines einsam in der Maschine herumwirbelnden Pullovers zwar nicht: 'typisch schwuler Waschzwang', aber ich finde das 'typisch deutsche Arroganz'. Und dann erschrecke ich vor mir selbst: So bin ich doch eigentlich nicht, so voller Vorurteile und so in Stereotypen denkend.» Aber irgendwie seien die Deutschen ja auch selber schuld, schliesslich nähmen sie die Schweiz nicht ernst und träten entsprechend auf.
Seltsam, dass die Komplexe von BewohnerInnen kleiner Länder oft locker für einen halben Kontinent ausreichen würden. Erstaunlich viele ZürcherInnen erklären, dass sie fürchten, der grosse Bruder Deutschland sehe sie als lächerliches Natiönchen. Warum? Das wissen sie eigentlich auch nicht genau. Und wundern sich sehr, als ihnen eröffnet wird, dass die Schweiz in der Bundesrepublik als absolut ernst zu nehmendes eigenständiges Land gilt. Das sogar beneidet wird: Darum, dass es dort seit hunderten von Jahren keine Kriege gegeben hat. Darum, dass das Land international als renommierter Finanzplatz gilt. Dazu kommen: die schöne Landschaft, die Young Gods, professionelle SkiläuferInnen, Michelle Hunziker sowie all die leckeren kulinarischen Spezialitäten.
2. Tag - Fremdsprache Deutsch
Kneipentour. Natürlich nicht des Spasses wegen, nein, es geht um Feldforschung. Wo treibt sich der gemeine Deutsche überall herum, wie benimmt er sich dort, woran erkennt man ihn? Das Teutonen-Spotting bleibt zunächst erfolglos. Sehr erfolglos, denn selbst die rücksichtslosest Bier trinkende Männerrunde spricht schweizerisch. Ausschliesslich.
Monica und Flavio arbeiten als Barkeeper im «Riff-Raff» und bedauern sehr, an diesem Abend keine deutschen Gäste präsentieren zu können. Sonst seien eigentlich immer welche da, sagen sie, und erkennen könne man sie dann ganz leicht: «Sie haben eine typische Tonstärke.» Eben lauter seien sie, und ob auch arroganter, sei nicht so einfach zu sagen: «Max Frisch hat ja einmal gesagt, Schweizer lernten als erste Fremdsprache Deutsch, und das scheint den meisten Deutschen gar nicht so klar zu sein», meint Monica. «Deutsche Gäste versuchen meist erst gar nicht, Schweizerdeutsch zu verstehen», pflichtet ihr Flavio bei. Die beiden wollen auf keinen Fall unreflektiert Vorurteile wiederkäuen, sondern mühen sich, das schweizerische Unbehagen zu erklären: «Natürlich ist jeder Einzelne lieb und nett, aber es gibt so unwahrscheinlich viele Deutsche, dass einem diese pure Masse schon Angst machen kann», sagt Flavio. «In einem kleinen Land wie der Schweiz fühlt man sich ja sowieso schon wie der kleine Bruder Deutschlands - und eben auch sehr schnell von dieser unglaublichen Menge Mensch überrannt.»
Auch im «Acapulco» sind die Schweizer an diesem Abend unter sich, dafür verraten die Besitzer Patrick und Martin, woran deutsche Gäste leicht erkannt werden: «Sie trinken grundsätzlich grosse Biere.» Ansonsten gebe es kaum Unterschiede, nicht mal in der Lautstärke.
Das könnte daran liegen, dass viele SchweizerInnen eigentlich deutscher sind, als sie zugeben. Die offizielle Zuwanderungsstatistik der Stadt Zürich weist nämlich aus, dass um die vorletzte Jahrhundertwende die Deutschen mit 71,5 Prozent den grössten Anteil der ImmigrantInnen stellten.
Kein Wunder also, dass heute so manche aufgeregte Beschwerde über den Teutonenterror mit dem Bekenntnis endet: «Eigentlich bin ich ja auch deutsch, denn meine Grosseltern wanderten während des Ersten Weltkrieges ein.»
Direkt vor dem «Riff-Raff» wird sehr spät in dieser Nacht doch noch ein Deutscher gefunden. Der gepflegte, teuer gekleidete Mittdreissiger steigt in einen weissen Porsche mit Düsseldorfer Kennzeichen. Oh, ja, er würde richtig gern ein Interview zum Thema Deutsche in der Schweiz geben, sagt er spontan, aber leider müsse er wirklich dringend los. «Rufen Sie mich an!» Die überreichte Visitenkarte zeigt, dass Zürcher Vermutungen über die beruflichen Gründe, die Deutsche hierher bringen, mindestens teilweise richtig zu sein scheinen: Wer nicht am Schauspielhaus beschäftigt sei, so hatte es geheissen, sei Studentin, Architekt oder Lehrerin. Bingo! Der Düsseldorfer ist Geschäftsführer einer Ingenieurfirma im Bausektor.
3. Tag
Und nun tief vor Ellis Hut verbeugen [img][/img] und zum Weiterlesen dahin springen http://www.woz.ch/archiv/old/03/43/6127.html
J

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