- Chronologie (Poggio) - Dottore - Dimi, 09.10.2004, 22:40
- Re: Chronologie (Poggio) - Dottore - dottore, 10.10.2004, 13:55
- Re: Chronologie (Poggio) - Dottore - bernor, 10.10.2004, 19:05
- Re: Chronologie (Poggio) - Dottore - dottore, 11.10.2004, 17:40
- Re: Chronologie (Poggio) - Dottore - bernor, 12.10.2004, 01:15
- Re: Chronologie (Poggio) - Dottore - dottore, 11.10.2004, 17:40
- Re: Chronologie (Poggio) - Dottore - Dimi, 10.10.2004, 20:42
- Re: Chronologie (Poggio) - Dottore - dottore, 12.10.2004, 23:11
- Re: Chronologie (Poggio) - Dottore - bernor, 10.10.2004, 19:05
- Re: Chronologie (Poggio) - Dottore - dottore, 10.10.2004, 13:55
Re: Chronologie (Poggio) - Dottore
-->Hi dottore,
Poggio hat diese"Chronologie" erfunden und, damit sie"schön alt" wirkt, Eusebius/Hieronymus"zugeschrieben" (fiktiven Gutmenschen, eu = gut, hieros = heilig). (...)
Die von Poggio"neu" entdeckte Schrift ist in der Tat von ihm und seinen Companeros erfunden worden. Der ganze sog."karolingische" Klumptasch wurde aus Vermarktungszwecken erfunden, incl. Inhalt (schöne Bücher sind's ja, die Preise, soweit eruierbar - ich hatte es mal gepostet - lagen schon dunnemals bei Hunderten von Gold-Florenen).
Das mit der gleichen / ähnlichen Form der Urkunden (Schrift, Pergament) leuchtet ein - die Frage ist, wenn Du die"Kirchenväter" wie Hieronymus als fiktiv bezeichnest, nur: Konnten Poggio u.a. im späten Mittelalter auch die Inhalte solcher Schriften einfach so erfinden, hatten sie's kirchenrechtlich/-"geschichtlich" so drauf, daß sie entsprechende, möglichst konforme Texte schreiben konnten, eventuell mit Hilfe kirchlicher"Ghostwriter"?
Auch wenn man diese Frage mit"Ja" beantworten kann, bleibt ein Rest, der nicht so leicht zu erklären ist: die Erwähnung von Unterschieden zwischen Vulgär- und klassischem Latein, z.B. bei Augustinus:
Dieser setzte sich dafür ein, in Gebeten / Liedern bereits etablierte"falsche" Formen aus der Umgangssprache nicht zu korrigieren: also z. B. statt florebit ("wird blühen / sich hervortun") die vulgäre Form floriet (aus der 3./4. Konjugation in die 2. übernommen) zu belassen (De doctrina christiana 2, 13, 10).
Und:"Ein Mensch, der Gott um Vergebung seiner Sünden bittet, kümmert sich nicht viel darum, ob die dritte Silbe von ignoscere kurz oder lang gesprochen wird..." (De doct. christ. 2, 10, 19).
(Auch Hieronymus beließ es bei Vulgarismen.)
Waren Leute wie Poggio u.a., die gerade zugange waren, Italienisch neben Latein schriftsprachlich zu etablieren, überhaupt interessiert, soetwas (vielleicht als eine Art Echtheitsmerkmal?) in die Schriften hineinzufälschen?
Von der fachlichen Eignung, die Lautentwicklung des Vulgärlatein nachvollziehen zu können, mal ganz abgesehen.
Es wird also irgenwelche Vorläufer-Manuskripte gegeben haben - wenn auch wohl keine Originale mehr, sondern nachträglich (11./12. Jh.?)"bearbeitete" Fassungen, in denen den"Kirchenvätern" diverse Neuerungen der hochmittelalterlichen Kirche untergeschoben wurden, ohne dabei andere Textteile, siehe oben, zu verändern.
Offen bleibt weiterhin, was die"Ur- und Frühchristen-Gemeinde" überhaupt für ein Verein war - siehe die militärische Ausdrucksweise, auch bei Kirchenvätern.
Interessant ist gerade bei Poggio, dass er zwar stets angibt, in einem"alten verstaubten Kloster" fündig geworden zu sein. Das Original konnte leider in keinem einzigen Fall von ihm präsentiert werden, da es unmittelbar nach seiner"Abschrift" zerfallen ist.
Denkbar ist daher auch, daß sehr wohl"Originale" vorhanden waren (aus welchem Jh. auch immer), diese jedoch von Poggio & Konsorten nach der Abschreibeaktion vernichtet wurden - aus geschäftlichen Gründen, um mögliche Konkurrenz durch spätere Abschreiber (und auch das Aufdecken von Fehlern bei der Abschrift) auszuschließen.
Unsere heutige Anschauung, wonach alte, historisch bedeutsame"Originale" an sich erhaltenswert sind (siehe Denkmalschutz usw.), hat sich erst seit dem 19. Jh. entwickelt - vorher hatte man offenbar keine Probleme damit, Altes durch adäquat erscheinendes Neues zu ersetzen: bei den o.a. Manuskripten (und später Büchern) kam es wohl weniger auf den Inhalt als vielmehr auf die"schöne Form" an, deren Nachfrage in gehobenen Kreisen es pekuniär auszunutzen galt.
Bei den traditionell ebenfalls merkantil orientierten Katalanen heißt es heute noch, daß z.B. ein Bild nicht"schön ist", sondern"schön macht" - vor allem, wenn es teuer genug (bezahlt worden) ist.
Gruß bernor

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