- Neues vom Spatz - VictorX, 22.11.2004, 14:22
Neues vom Spatz
-->Gefährlich ist's, den Leu zu wecken
Am 17.11. meldete die Nachrichtenagentur"Associated Press", Rußland entwickele einen neuen Typ Nuklearwaffen. Präsident Putin hatte vor führenden russischen Militärs gesprochen und erwähnt, daß gerade an einem neuen Typ Atomraketen gearbeitet werde und die ersten Tests erfolgreich verlaufen seien."Ich bin mir sicher, daß das System in den nächsten Jahren in den Dienst genommen werden kann und, was wichtiger ist, es handelt sich um einen neuen Typ, den andere Nuklearmächte nicht besitzen und nicht besitzen werden". Natürlich setzte sofort das große Rätselraten ein, um was für Raketen neuen Typs es sich handeln könnte. Schnell wurde die Topol-M ballistische Rakete ausgemacht, die eine Nutzlast von 4,4 Tonnen heben kann. Das ist eine gewaltige Menge, verglichen mit den 1,3 Tonnen, die die bisher stärkste Atomrakete befördert. Die Rakete - wenn es sich um diese handeln sollte - ist mit 10 Sprengköpfen ausgerüstet, die sich mit eigenem Antrieb ihren Weg in das befohlene Ziel bahnen. Die Rakete hat eine Reichweite von 6.000 Meilen und kann Wege einschlagen, die sich nur schwer entdecken und verfolgen lassen. Früher schon hatte ein Sprecher des Verteidigungsministers behauptet, Rußland würde eine Waffe entwickeln, die das in den USA vorgeschlagene Verteidigungssystem gegen Raketen nutzlos machen würde. Weitere Details sind nicht bekannt. Westliche Militärs gehen von einem Überschall-Marschflugkörper oder von steuerbaren Sprengköpfen auf einer Interkontinentalrakete aus.
Putin hatte in seiner Rede auch gesagt, was aber im Trubel der Aufregung untergegangen war:"Internationaler Terrorismus ist einer der größeren Bedrohungen Rußlands. Wir haben gelernt, daß dann, wenn wir nicht auf Teile unseres Verteidigungssystems wie die Atomwaffen und die Raketenabwehr achten, andere Bedrohungen auftauchen". Offensichtlich spielte Putin auf die schweren Terroranschläge angeblich tschetschenischer Rebellen an, denen Hunderte russischer Kinder zum Opfer gefallen waren. Aber es wäre doch zu fragen, was das Verfügen über Interkontinentalraketen mit dem Terrorismus zu tun habe? Warum provoziert ein Nachlassen der Verteidigungsbereitschaft gegen Nuklearangriffe"andere Bedrohungen"? Putin hatte schon damals, als diese Anschläge stattfanden, ähnlich dunkle Andeutungen gemacht.
Vielleicht helfen ganz anderen Vorgänge, wie sie sich derzeit an der entfernten Elfenbeinküste ereignen, dem Verständnis weiter. Bekanntlich haben sich in dem zwischen zwei Volksgruppen gespaltenen Land plötzlich und ohne ersichtliche Gründe Bevölkerungsteile gegen die französische Kolonialmacht gewandt. Die Regierung hat sich aus Opportunismus, oder weil es sich für einige ihrer Vertreter finanziell lohnte, diesen Horden angeschlossen und die Ausschreitungen unterstützt. Lauthals fordern die Franzosengegner für ihren"Befreiungskampf" die Unterstützung der UNO aber auch der USA.
Die US-Militärs haben dann allerdings das Vorgehen der Französischen Truppen gegen diese Bedrohung gutgeheißen, insbesondere, daß französische Flieger die Luftwaffe des Staates teilweise vernichtet haben. Nun aber bestätigt die israelische Zeitung Ha'aretz, was in Frankreich aus allen Medien zu erfahren war:"Israelische Söldner beteiligten sich in der Elfenbeinküste an Angriffen auf französische Stützpunkte". Insbesondere haben sie der Armee der Elfenbeinküste dabei geholfen, mit Drohnen, also mit neuartigen unbemannten Flugzeugen, die französischen Stützpunkte anzugreifen. In Le Monde las man am gleichen 17.11., daß 46 Israelis an der Elfenbeinküste in Zusammenarbeit mit dem Militär des Landes ein Geheimdienstzentrum betreiben. Israelische Stellen berichten, die Franzosen hätten inzwischen die Drohnen auf dem Flugplatz Abidjan beschlagnahmt und die israelische Regierung aufgefordert klarzustellen, warum sie und die Söldner im Land sind. Die Regierung antwortete, sie sei nicht verantwortlich, es handele sich vielmehr um eine private israelische Firma nämlich um Aeronautical Defense Systems. Tatsächlich rühmt sich diese Firma auf ihrer Web-Seite stolz des Zwischenfalls als Beleg für ihre Erfolge. Dort liest man denn auch, daß Jacob Perry, der frühere Leiter des Shin Beth, des Israelischen Geheimdiensts, zu den offiziellen Beratern der Firma gehört.
Und die Brisanz der Angelegenheit? Sie rührt aus der engen Zusammenarbeit zwischen den USA und Israel, wenn es um dunkle, politische Geschäfte geht. Wollen amerikanische Kreise auf diese Weise den französischen oder alteuropäischen Einfluß in Afrika beseitigen, wie sie es schon früher an anderen Stellen des Kontinents getan hatten? Sie benutzen dazu Stellvertreter-Krieger offensichtlich terroristischer Natur. Der Krieg gegen den Terror bekommt damit eine besondere Note, eine, die dem Geheimdienstmann Putin möglicherweise nicht entgeht. Der Krieg gegen den Terrorismus wird somit das, was Friedrich A. von der Heydte, in seinem Buch"Der Moderne Kleinkrieg als wehrpolitisches und militärisches Phänomen", (280 Seiten, Paperback, ISBN 3-925725-03-2, 10 €) beschrieben hat, eine Art Stellvertreterkrieg, der beiderseits mit Terroristen und Gegen-Terroristen geführt wurde und trotz Beendigung des Kalten Kriegs noch immer geführt wird.
In dieses Bild paßt auch, daß offensichtlich terroristische Organisationen wie die MKO/MEK, der Nationale Rat des Widerstands im Iran, auf deren Konto Bombenanschläge und die Ermordung von wenigstens 72 Politikern im Iran gehen, im Süden des Iraks den Schutz der amerikanischen Truppen genießen. Auf"Informationen" dieser Gruppe stützte sich der angeblich"gemäßigte" und eben deshalb - wie es scheint - gefeuerte US-Außenminister Powell, als er diese Woche in Washington erklärte:"Ich habe Informationen gesehen, die nahelegen, daß der Iran an Trägersystemen für Atomwaffen arbeitet". Offensichtlich können seine Gewährsmänner, die iranischen Befreiungskämpfer es gar nicht erwarten, bis die Amerikaner aus ihrem Land wie im Irak ein"befreites Gebiet", insbesondere wie in Fallujah, machen. Hossein Mousavia, der Sekretär des Komitees für Außenpolitik des Nationalen Sicherheitsrats im Iran, nannte das eine"infame Lüge zur rechten Zeit". Nichtgenannte CIA-Beamte verfügen über Unterlagen für ähnliche Fälschungen wie die, die beweisen wollten, der Irak habe in Nigeria Uranoxid eingekauft. Aufgrund solcher Fälschungen hatte der gleiche Powell die UNO belogen, um den danach einsetzenden Irak-Krieg zu rechtfertigen.
Der israelische Militärhistoriker Martin van Crefeld äußerte sich dagegen in Welt am Sonntag vom 14.11.2004 so: Teheran müßte verrückt sein, wenn es sich keine Atombomben wünsche. Das Land sei rings von amerikanischen Streitkräften umzingelt. Im Norden seien diese in den Zentralasiatischen Republiken stationiert, im Osten in Afghanistan, im Süden am persischen Golf und im Westen im Irak. Und man wisse doch, wo immer amerikanische Truppen einrücken, da seien auch Atomwaffen. Gleichzeitig sitze im Weißen Haus unangefochten und erneut bestätigt ein Mann, nach dessen offizieller Sicherheitsdoktrin sich die USA das Recht nimmt, einen Atomschlag gegen jedes Land zu führen, das sie für einen Schurkenstaat halten. Und daß er den Iran dafür hält, hatte er des öfteren bekundet. Im gleichen Zuge demontierte van Crefeld auch die Vorstellung, der Iran stelle eine Bedrohung für Israel dar. Nur leider bestimmen van Crefeld und der ungenannte CIA-Beamte nicht die Politik ihrer Länder.
Brisanz bekommt die Angelegenheit auch durch den kürzlichen Besuch des chinesischen Präsident Hu Jintao in Südamerika, speziell in Argentinien. Bei diesem Besuch versprach Argentiniens Präsident Nestor Kirchner, China werde in den nächsten Jahren 19,7 Mrd. US$ in Argentinien investieren. Vor allem soll es dabei um den Ausbau des Eisenbahnsystems, die Herstellung 300.000 billiger Wohnungen, die Ã-l-Exploration im Land und den Ausbau des Telekommunikationssystems sowie die Entwicklung einer Satelliten- und Raumfahrtindustrie in Argentinien gehen. Am 17.11.2004 besuchte der Chinese die argentinische INVAP, die Nuklearbetriebe in Bariloche. Daneben wurden noch Vereinbarungen getroffen, die das Land für den chinesischen Tourismus zugänglich machen. Im Gegengeschäft will China Agrarprodukte, vor allem Getreide und Fleisch abnehmen. Natürlich gab es sofort Proteste der"demokratischen Opposition" in Argentinien. Sie behaupteten, der Staatsbesuch hätte keine konkreten Ergebnisse erbracht. Konkret wären für diese Leute wahrscheinlich nur US-Dollar aus China gewesen, um damit die Schulden an die notleidende Finanzwirtschaft der USA abzuzahlen, also die Umschuldung des Landes von den USA weg auf China hin. Man muß - nicht nur in diesen Jahren - immer näher hinschauen, wenn von einer"demokratischen Opposition" oder"Befreiungsbewegungen in angeblich diktatorischen oder sonstwie"schurkenhaften" Ländern die Rede ist.
Welchen Zweck solche"Oppositionelle" hatten und haben bestätigt wiederum ein Buch ("Confessions of an Economic Hitman, how the US uses Globalisation to cheat poor Countries out of Trillions" -"Bekenntnisse eines Wirtschaftskämpfers, wie die USA die Globalisierung benutzt, um arme Länder um Billionen zu betrügen"), das dieser Tage auf den Markt gekommen ist. Ein John Perkins, Agent der National Security Agency, der größte und im Ausland am wenigsten verstandene Geheimdienst-Agentur der USA, legt darin nach seiner Pensionierung Bekenntnisse über seine 40 jährige Tätigkeit ab, die er im Dienste dieser Agentur als offiziell"hochrangiger Wirtschafts- und Finanzberater" leisten mußte. Er wollte, wie er in einem Interview sagte, dieses Buch von seinen Aufgaben angeekelt, bereits seit 20 Jahren schreiben, wurde von diesem Vorhaben aber immer wieder durch Bedrohungen und Bestechungen abgebracht.
Nun sollte man bei solchen Bekenntnissen vorsichtig sein und sich fragen, warum soetwas gerade jetzt und in den USA erscheinen kann. Ist es etwa deshalb, weil die USA mit dem Angriff auf den Irak und der Wiederwahl von Bush ohnehin alle Maskeraden hat fallen lassen? Wie dem auch sei, Sie können vielleicht die aufgeregte Frage der Bild vom 19.11."Warum braucht Putin Atomraketen?" besser beantworten, als es das Tendenzblatt versucht. Für manchen können diese neuartigen Raketen sogar so etwas wie einen Hoffnungsschimmer bekommen, nämlich daß sie einen großen Krieg verhindern helfen. Aber interessiert Sie so etwas überhaupt?
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