- Angst vor EU-Haftbefehl? Hab da was aus Dtld.: Größte Justizreform seit 1877 - JoBar, 23.11.2004, 20:36
Angst vor EU-Haftbefehl? Hab da was aus Dtld.: Größte Justizreform seit 1877
-->Größte Justizreform seit 1877
Die Minister von Bund und Ländern organisieren das Rechtswesen neu: Rechtsmittel sollen radikal beschränkt werden. So soll es in Strafsachen grundsätzlich nur noch eine erste und zweite, aber keine dritte Instanz mehr geben.
Von Heribert Prantl
München - Die deutsche Justiz steht vor der umfassendsten Reform seit dem Erlass des Gerichtsverfassungsgesetzes im Jahr 1877: Die Justizministerkonferenz, die an diesem Mittwoch in Berlin beginnt, soll eine Grundsatzentscheidung für eine „große Justizreform“ fällen.
Auf dem Tisch liegt eine Beschlussvorlage, die Justizstaatssekretäre aus allen Bundesländern in den vergangenen Wochen ausgearbeitet haben. Dies Reform sieht unter anderem die radikale Einschränkung aller bisherigen Rechtsmittel vor.
Es soll, zumal in Strafsachen, grundsätzlich nur noch eine erste und zweite, aber keine dritte Instanz mehr geben.
Bei Strafverfahren soll künftig die zweite Tatsacheninstanz entfallen. Das heißt: Zeugen werden nur noch in der ersten Instanz gehört, alle Beweismittel nur noch dort geprüft.
In der zweiten Instanz gibt es keine Beweisaufnahme mehr, dort wird nur noch kontrolliert, ob in der ersten Instanz das Recht richtig angewendet wurde. In Verkehrssachen sollen Urteile des Amtsrichters mit Geldbußen bis zu 500 Euro und einem Fahrverbot bis zu einem Monat unanfechtbar sein.
Die der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Papiere sprechen von einer „grundlegenden Bereinigung der Rechtsmittelstruktur“ in allen Bereichen. Rechtsmittel sollen auf „das verfassungsrechtlich Notwendige“ beschränkt werden.
Berufung oder Revision
Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) indes will in Strafverfahren an einer zweiten Tatsacheninstanz festhalten. Ein völliger Verzicht wäre „kontraproduktiv“. Die damit verbundenen Mehrbelastungen würden zum Kollaps der Strafjustiz führen, befürchtet Merk.
Sie schlägt ein „Wahlrechtsmittel“ vor: Künftig soll der Verurteilte nach der ersten Instanz wählen können, ob er in Berufung geht (also eine zweite Beweisaufnahme will), oder ob er Revision einlegt (also eine rechtliche Überprüfung wünscht).
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Nach den vorliegenden Plänen der Justizministerkonferenz soll das gesamte Gerichtsvollzieherwesen privatisiert werden. Bisher sind die Gerichtsvollzieher Beamte: Sie pfänden und versteigern bewegliche Sachen und Wertpapiere und verhaften notfalls den Schuldner zur Abgabe der Offenbarungsversicherung.
Diese Aufgaben sollen künftig Private im Staatsauftrag als „beliehene Unternehmer“ wahrnehmen. Gerichtsvollzieher haben dann eine Stellung wie heute die Bezirksschornsteinfeger.
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Beliebige Versetzungen
Gesetzgebungsentwürfe zur Zusammenlegung verschiedener Fachgerichtsbarkeiten liegen bereits vor: Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichte sollen zu einer einheitlichen öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeit zusammengefasst werden.
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Schon von der seinerzeitigen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) war vor vier Jahren vorgeschlagen worden, die Amts- und Landgerichte zu einem einheitlichen Eingangsgericht zusammenzulegen. Dieser Vorschlag liegt nun erneut auf dem Tisch.
Däubler-Gmelins Anlauf zu einer Justizreform war damals am Widerstand der Berufsverbände und der Bundesländer stecken geblieben. Nun wird er von Bundesländern wiederholt, die damals diese Reform abgelehnt haben.
Auch dieser Vorschlag erleichtert das Hin- und Herschieben von Richtern: Wenn Amts- und Landgerichte oder auch nur deren Präsidien fusioniert werden, steht die Unabhängigkeit der Richter ihrer beliebigen Versetzung innerhalb eines großen Bezirks nicht mehr im Wege.
(SZ vom 24.11.2004)
http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/541/43498/
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