- Versiegende Dollar-Käufe der Zentralbanken - Appetit auf europäische Anleihen - JoBar, 06.12.2004, 08:22
Versiegende Dollar-Käufe der Zentralbanken - Appetit auf europäische Anleihen
-->6. Dezember 2004, 02:08, Neue Zürcher Zeitung
Eurobondmarkt
Versiegende Dollar-Käufe der Zentralbanken
Steigender Appetit auf europäische Anleihen
Durch den Sinkflug des Dollars ist die Bereinigung der globalen Ungleichgewichte im Aussenhandel in Schwung gekommen. Die Weichen sind gestellt für höhere Renditen in den USA und einen Zustrom von Kapital in europäische Anleihen.
sev. London, 5. Dezember
Mit der Abwertung des Dollars hat der Abbau der globalen Ungleichgewichte zwischen den USA und dem Rest der Welt begonnen. Der tiefere Wechselkurs verbilligt die Exporte der USA und verteuert ihre Importe. Die Konsequenz daraus ist ein sinkendes Handelsbilanzdefizit. Dies ist sowohl notwendig wie auch erwünscht. Allerdings ist das Einpendeln auf ein neues Gleichgewicht mit Schmerzen verbunden. Gelitten haben bisher vor allem die Länder im Euro-Raum, deren Exportfähigkeit sich durch den hohen Euro-Kurs verschlechtert. Inzwischen haben die Verschiebungen am Devisenmarkt eine ganze Reihe von Entwicklungsländern erfasst; die Lastenverteilung ist damit breiter abgestützt.
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Die USA sehen die Ungleichgewichte vor allem als Nebenprodukt des schleppenden Wachstums in anderen Weltregionen. Asien und Europa werfen den USA im Gegenzug vor, zu viel zu konsumieren und zu wenig zu sparen. Niemand will die Verantwortung übernehmen. Die Sparlücke der USA sei das ernsteste Ungleichgewicht der heutigen Wirtschaft, unterstreicht die Investmentbank Morgan Stanley. Die scheinbar unbeschränkte Finanzierung dieser Sparlücke durch ausländische Investoren hat es bisher möglich gemacht, die Lösung des Problems auf die lange Bank zu schieben. Allerdings hat ein Stimmungsumschwung stattgefunden. Die asiatischen Zentralbanken sind inzwischen, so wird vermutet, an einem einschneidenden Wendepunkt angekommen. Sie sind nicht mehr wie früher bereit, über eine weitere Aufstockung ihrer Devisenreserven den Kapitalhunger der USA unbegrenzt zu stillen. Die Aussicht auf einen fallenden Dollar macht die Käufe von US-Staatsanleihen unattraktiv, da hohe Verluste zu erwarten sind.
Mit seiner Bemerkung, dass Investitionen in US-Staatsanleihen auf dem heutigen Preisniveau quasi dem Wunsch gleichkämen, Geld zu verlieren, hat US-Notenbankchef Alan Greenspan die Dollar-Investoren bereits aufgeschreckt und Verkäufe ausgelöst. Diese Entwicklungen geschehen vor dem Hintergrund gewaltig angeschwollener Devisenreserven der Zentralbanken. Japan hat mit 720 Mrd. $ die tiefsten Taschen, gefolgt von China mit Reserven von 515 Mrd. $; hinzu kommen Hongkong und Taiwan mit weiteren 355 Mrd. $. Global sind die Devisenreserven in den letzten anderthalb Jahren um 1000 Mrd. $ gestiegen; für die Akkumulierung der vorherigen 1000 Mrd. $ hatte es im Unterschied dazu volle zehn Jahre gebraucht. Schichten die internationalen Käufer ihre Portfolios um, wird zwangsläufig mehr in Euro-Anlagen investiert. Das Verhalten der asiatischen Zentralbanken ist damit derzeit für den Euro-Dollar-Kurs wichtiger als Zinsschritte oder Devisenmarktinterventionen der Europäischen Zentralbank, meint das britische Research- Haus Capital Economics. Die internationalen Kapitalflüsse signalisieren gemäss Morgan Stanley, dass eine solche Diversifizierung in Richtung Euro bereits begonnen hat. Die Erstarkung des Euro zieht zusätzliche Bond-Investoren an. Der Euro-Raum verzeichnete im September Kapitalzuflüsse von 39,6 Mrd. $ verglichen mit 6,3 Mrd. $ im August.
Mehrere Stützen für US-Bonds
Am US-Obligationenmarkt ist mittlerweile die paradoxe Situation eingetreten, dass die Renditen der Staatsanleihen trotz der Anhebung der Leitzinsen durch die Notenbank gesunken sind. Dies ist umso bemerkenswerter, als die Überkapazitäten der US-Firmen weiter sukzessive abgebaut werden. In dieser Situation sollten die Realzinsen gemäss Morgan Stanley sinnvollerweise bei 3% bis 3,25% liegen. Bei einer Inflation von 2% bis 2,5% kommt man dann auf Marktzinsen von 5%. Tatsächlich liegt die Rendite der zehnjährigen Anleihen aber mit 4,25% volle 0,75 Prozentpunkte tiefer. Die zweijährigen Anleihen haben eine Rendite von 2,92%. Das niedrige Renditeniveau macht die US-Staatsanleihen nach Ansicht der Citigroup anfällig, falls eine Konjunkturerholung über dem langfristigen Wachstumstrend liegen sollte. Allerdings glauben wenige Beobachter an ein wirkliches Hochschiessen der Rendite. Nach Ansicht der Citigroup werden die Renditen der US-Staatsanleihen in diesem Zyklus 5% bis 5,5% nicht übersteigen. Die US-Inflation wird zwar infolge der Dollar-Schwäche vermutlich steigen, ohne jedoch stark aus dem Ruder zu laufen. Ferner werden Obligationen vermehrt als Absicherung gegen Erdölschocks und schwache Aktienmärkte gekauft, was den Papieren eine Stütze verleiht. In Europa hat die Europäische Zentralbank ihrerseits bei ihrem letzten Treffen in der vergangenen Woche über eine Zinssenkung gar nicht diskutiert und stattdessen suggeriert, dass der nächste Schritt eine Zinserhöhung sein werde. Allerdings gab es keinen Hinweis darauf, dass diese Zinserhöhung schon bald anstehen könnte. Viele Marktbeobachter erwarten erst für Mitte 2005 moderate Zinserhöhungen. Die europäischen Anleihen könnten sich in diesem Umfeld von den US-Obligationenmärkten abkoppeln und deutlich besser abschneiden.
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Nachdem Network Rail in der Vorwoche sehr erfolgreich eine Sterling-Anleihe über 2,25 Mrd. lanciert hatte, ging die britische Eisenbahn-Infrastruktur-Gesellschaft diesmal den Dollar-Markt an. Der Empfang war hier allerdings nicht so warm wie an der Heimatfront. Das Auftragsbuch erreichte nur 80% des Volumens von 1 Mrd. $, während die Nachfrage bei der Sterling-Anleihe das Angebot weit überschritten hatte.
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http://www.nzz.ch/2004/12/06/bm/page-articleA1H7F.html
J

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