- lange Fundsache zu Hartz4, Arbeitslosen, Ausweglosigkeit vom Proph.-Forum - Baldur der Ketzer, 06.12.2004, 16:40
- Anschwellender Bocksgesang - Elmarion, 06.12.2004, 17:47
- Das deprimiert bestimmt auch einen... - VictorX, 06.12.2004, 17:59
- Somit böse äh blöde Zuwanderer auch in Finnland:-( (o.Text) - LenzHannover, 07.12.2004, 19:15
- Sonderzahlungen im Sozialamt Kassel für Arbeitslosengeld-II Bearbeiter - nasowas, 06.12.2004, 18:58
- Re: lange Fundsache zu Hartz4, Arbeitslosen, Ausweglosigkeit vom Proph.-Forum - Cujo, 07.12.2004, 15:08
- Re: Absurdistan total - nicht zu fassen, aber gerade deswegen glaubwürdig (o.Text) - Baldur der Ketzer, 07.12.2004, 15:44
- Re: lange Fundsache zu Hartz4, Arbeitslosen, Ausweglosigkeit (o.Text) - Alana, 07.12.2004, 15:45
- War das ''Recht auf Arbeit'' in der DDR eigentlich auch so grausam? (o.Text) - SchlauFuchs, 07.12.2004, 16:58
- Re: War das ''Recht auf Arbeit'' in der DDR eigentlich auch so grausam? - foreveryoung, 07.12.2004, 18:44
Anschwellender Bocksgesang
-->Hi Baldur!
wirklich eine großartige"Fundsache"!
Irgendwie musste ich spontan hieran denken:
Anschwellender Bocksgesang
Essay von Botho Strauss
Jemand, der vor der freien Gesellschaft, vor dem Grossen und Ganzen, Scheu empfindet, nicht weil er sie
heimlich verabscheute, sondern im Gegenteil, weil er eine zu große Bewunderung für die ungeheuer
komplizierten Abläufe und Passungen, für den grandiosen und empfindlichen Organismus des Miteinander hegt,
den nicht der universellste Künstler, nicht der begnadetste Herrscher annähernd erfinden oder dirigieren könnte.
Jemand, der beinahe fassungslos vor Respekt mitansieht, wie die Menschen bei all ihrer Schlechtigkeit au fond
so schwerelos aneinander vorbeikommen, und das ist so gut wie: miteinander umgehen können. Der in ihren
Geschäften und Bewegungen überall die Balance, die Tanzbereitschaft, das Spiel, die listige Verstellung, die
artistische Manier bemerkt - ja, dies Miteinander muß jedem Außenstehenden, wenn er nicht von einer
politischen Krankheit befallen ist, weit eher als ein unfaßliches Kunststück erscheinen denn als ein Brodelkessel,
als eine"Hölle der anderen"...
Mitunter aber will es ihm scheinen, als hörte er jetzt ein letztes knisterndes Sich-Fügen, als sähe er gerade noch
die Letzten, denen die Flucht in ein Heim gelang, vernähme ein leises Einschnappen, wie ein Schloß, ins
Gleichgewicht. Danach: nur noch das Reissen von Strängen, gegebenen Händen, Nerven, Kontrakten, Netzen
und Träumen.
Welche Transformierbarkeit besitzt das Unsere, das Angerichtete noch? Allem Anschein nach keine mehr. Wir
sind in die Beständigkeit des sich selbst korrigierenden Systems eingelaufen. Ob das noch Demokratie ist oder
schon Demokratismus: ein kybernetisches Modell, ein wissenschaftlicher Diskurs, ein politisch-technischer
Selbstüberwachungsverein, bleibe dahingestellt. Sicher ist, dieses Gebilde braucht immer wieder wie ein
physischer Organismus den inneren und äußeren Druck von Gefahren, Risiken, sogar eine Periode von
ernsthafter Schwächung, um seine Kräfte neu zu sammeln, die dazu tendieren, sich an tausenderlei Sekundäres
zu verlieren. Es ist bislang konkurrenzlos, weder Totalitarismus noch Theokratie brächten etwas Besseres zum
Wohl der größtmöglichen Zahl zustande als dieses System der abgezweckten Freiheiten.
Natürlich gilt das nur solange, wie wir davon überzeugt sind, daß allein der ökonomische Erfolg die Massen
formt, bindet und erhellt. Nach Lage der Dinge dämmert es manchem inzwischen, daß Gesellschaften, bei denen
der Ã-konomismus nicht im Zentrum aller Antriebe steht, aufgrund ihrer geregelten, glaubensgestützten
Bedürfnisbeschränkung im Konfliktfall eine beachtliche Stärke oder gar Überlegenheit zeigen werden.
Wenn wir Reichen nur um minimale Prozente an Reichtum verlieren, so zeitigt das in unserem reizbaren,
nervösen Gefüge nicht nur innenpolitische Folgen, sondern vor allem abrupte Folgen der politischen
Innerlichkeit, den impulsiven Ausbruch von Unduldsamkeit und Aggression.
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