- Anlage-Notstand bei den Hilfs-und Geld-Werken, dies wird noch zu reden geben! - Emerald, 09.01.2005, 07:36
- Deswegen meine Werbung für Ärzte ohne Grenzen... - LenzHannover, 09.01.2005, 23:34
Anlage-Notstand bei den Hilfs-und Geld-Werken, dies wird noch zu reden geben!
-->die Hilfsbereitschaft der Menschen und Institutionen hat Rekord-Beträge
von nie dagewesenem Ausmasse erzeugt: Jetzt stehen die Geld-Werke vor
unlösbaren Problemen!
Auf der Suche nach einem Platz für die Fischer
» Nach den Spenden wird in Thailand das grosse Geld in die Tourismuszentren fliessen. Die Schweiz aber will ein abgelegenes Dorf wieder aufbauen
Von Marco Morell
Seit dem Donnergrollen des Tsunami herrscht im einstigen Fischerdorf Baon Nokna auf der Insel Ko Kho Khao Totenstille. Kaum ein Haus ist stehen geblieben. «Ist jemand da?», fragt der thailändische Übersetzer immer wieder. Es bleibt still. Aus einem Gebüsch sticht der Gestank des Todes in die Nase, wie vielerorts im Katastrophengebiet im Süden Thailands. Zwei hungrige Schweine folgen den Besuchern. Sie geben Laute von sich, die mehr nach Weinen tönen als nach Grunzen.
Der Architekt Rolf Grossenbacher vom Schweizerischen Katastrophenhilfekorps (SKH) misst mit Schritten das Fundament eines zerstörten Hauses ab und zeichnet den Grundriss in sein Notizbuch. Er ist auf der Suche nach einem Fischerdorf, das die Schweiz wieder aufbauen könnte. Bundesrätin Micheline Calmy-Rey hat dafür zwei Millionen US-Dollar versprochen. Geplant ist gleichzeitig eine Gedenkstätte für die getöteten Schweizer.
Doch ein geeignetes Objekt zu finden, ist nicht so einfach. Was Grossenbacher am Freitagvormittag gesehen hat, befriedigt ihn nicht. Entweder lebten in den Dörfern kaum mehr Fischer, oder die Dörfer waren zu gross, wie etwa Bal Nam Kem, das bisher als das von der Schweiz auserwählte galt. Das fürs Projekt vorgesehene Geld reicht für ein Dorf mit 50 bis 100 Familien.
Bald stellt sich heraus, dass auch Baon Nokna ungeeignet ist. Ein buddhistischer Mönch berichtet, die meisten Bewohner seien nicht Fischer gewesen, sondern hätten im Tourismus gearbeitet. 16 von ihnen habe die Flut in den Tod gerissen, 7 würden vermisst. Die Überlebenden hätten auf dem Festland Zuflucht gesucht. Unmittelbar beim Dorf war ein neues Luxusresort gebaut worden. Es hätte am 1. Januar eröffnet werden sollen. Von dem Bauwerk ist bis auf einige Balken nichts mehr übrig.
Beim zerstörten Bungalow liegt ein Rucksack mit Schweizer Adressetikette
Während die auf der Insel Ko Kho Khao verbliebenen Menschen auch knapp zwei Wochen nach der Katastrophe kaum Nothilfe erhalten haben, sind im nahe gelegenen Touristenort Khao Lak bereits die Aufräumarbeiten im Gang. Dutzende Bagger graben sich durch die Überreste der Hotels und laden die Trümmer auf Lastwagen. Mindestens 4000 Menschen haben hier ihr Leben verloren, über die Hälfte von ihnen waren ausländische Touristen. Zwischen den Trümmern liegen überall Turn- und Strandschuhe verstreut, Sonnencrèmeflaschen, leere Koffer und beim Überrest eines Bungalows ein Rucksack mit Schweizer Adress-Anhänger.
Der Auslandschweizer Ernst Schläpfer hat in Khao Lak durch die Flutwelle fast alles verloren: seine Nachbarn, seine Tauchschule IQ Dive, sein Bungalow-Resort. Wie durch ein Wunder sind er, seine thailändische Frau und seine Kinder mit dem Leben davongekommen, und darüber ist er so froh, dass er trotz der Katastrophe zuversichtlich wirkt. «Acht Jahre Aufbauarbeit und eine Million Franken Investitionen sind weg», sagt Schläpfer. «Aber es werden wieder acht Jahre kommen. Wir müssen einfach von vorne anfangen.» Khao Lak werde eine beliebte Tourismusdestination bleiben. Er rechnet damit, dass schon in zwei Jahren die ersten Resorts wieder ihren Betrieb aufnehmen. «Das Wichtigste für uns ist, dass die Touristen wieder kommen. «Spenden allein helfen uns nicht.»
Auch weiter südlich, in Patong, dem Paradestrand der Insel Phuket, wird nach Kräften dafür gesorgt, dass Touristen schon bald nicht mehr an die Tragödie vom 26. Dezember erinnert werden. Trupps von Freiwilligen und Soldaten säubern systematisch den Strand. Auf dem Schutthaufen, den die Bagger und Lastwagen zusammentragen, wühlen Dutzende Menschen nach Verwertbarem. Sie tragen zerbrochene Plastikstühle weg, Eisenteile, Matratzen, kaputte Fernseher. Mit einem Kilo Altplastik sind immerhin 10 Rappen zu verdienen, ein Kilo Aluminium bringt einen Franken.
Die Katastrophe ist auch die Stunde der Hasardeure. Man versucht, das Beste aus ihr zu machen. Ein Mann sucht mit einem Metalldetektor den Strand ab, in der Hoffnung, Schmuck oder Uhren zu finden. Ein freiwilliger Helfer findet, nach der Flut sei die Paradise Beach in Patong wieder so, wie es ihr Name verheisse: still und idyllisch, ohne all die störenden Ess- und Souvenirstände.
Die City Hall, der Sitz der Gemeindeverwaltung von Phuket, ist das Herz der Hilfs- und Aufräumarbeiten. Im Park rund um das Gebäude reiht sich ein Zeltdach ans andere. Freiwillige aus aller Welt nehmen Vermisstmeldungen auf. Ein Chirurgenteam aus Schweden wartet auf die Erlaubnis der thailändischen Behörden zur Weiterfahrt in die Provinz. Internationale Fernsehstationen haben provisorische Studios eingerichtet. Überall hängen Vermisstmeldungen. Auffallend viele Gesichter sind jung und hübsch, als hätte das Glück ihr Leben begleitet, bis zum Vorabend der Katastrophe. Unter dem Zeltdach des thailändischen Roten Kreuzes packen Schülerinnen alte Kleider in Reissäcke, damit sie in die Notstandsgebiete gebracht werden können. Jedes Mal wenn eine Helferin Unterwäsche zur Hand bekommt, kichern die anderen hysterisch. Puangpayom Yuvaboon, die Vizepräsidentin des Roten Kreuzes in Phuket, ist begeistert darüber, wie die Zusammenarbeit so vieler Helfer aus so vielen Staaten klappt: «Wir bemühen uns, dass das schnell bewältigt wird. Schon in einem Monat soll alles wieder schön und sauber aussehen.»
Die enorme Hilfsbereitschaft im In- und Ausland hat auch Nachteile. Nach offiziellen Angaben sind Thailand bisher rund zwei Milliarden Dollar Hilfsgelder zugesagt worden. «Es ist schon jetzt absehbar, dass unter den Helfern eine Art Wettbewerb einsetzt», sagt der SKH-Mann Rolf Grossenbacher. Alle werden dasselbe tun wie er: nach Wiederaufbau-Objekten Ausschau halten. Man müsse sich diesem Wettbewerb entziehen, indem man in sehr abgelegene Orte gehe. «Das grosse Geld wird dort ausgegeben, wo man Geld verdienen kann, in den Tourismuszentren», sagt Grossenbacher. «Die Fischer sind die Letzten, die von den Hilfsgeldern profitieren.»
Auf der Insel Ko Kho Khao inspiziert Grossenbacher inzwischen ein weiteres Fischerdorf. Es heisst Ban Muang Mai. Von den 15 Häusern ist nichts mehr übrig. Vier Menschen sollen hier ihr Leben verloren haben. Beim Rundgang auf dem Trümmerhaufen heitert sich das Gesicht des Architekten auf. «Das könnte passen», sagt er. Das Dorf liege auf der Rückseite der Insel, die für den Tourismus weniger interessant sei. «Hier nimmt man weniger Risiken auf sich, dass der Tourismus das Ganze übernimmt.» Mit der Crevettenfarm oberhalb des Dorfes sei zudem eine Grundinfrastruktur für die Fischer intakt geblieben.
9000 Franken für ein Haus, 2300 Franken für ein Fischerboot mit Motor
Grossenbacher erkundigt sich nach dem Preis für die Wiederbeschaffung des Verlorenen: 9000 Franken für ein Haus, 2300 Franken für ein Fischerboot samt Motor. Erstellt wird das Dorf ganz nach thailändischer Art. «Wir bauen hier keine Chalets.» Morgen Montag will er zurückkommen und mit dem Dorfführer sprechen. Inzwischen sucht er weitere mögliche Objekte. Er muss drei Vorschläge nach Bern bringen. Bis das Projekt gestartet werden kann, wird es ein bis zwei Monate dauern.
Grossenbacher erwähnt in keinem seiner Gespräche die Absicht der Schweizer Regierung. «Wenn die Leute von Geld hören, reden sie ganz anders», meint er. Und wer weiss, ob in dem Dorf, das die Schweiz dereinst auserwählen wird, in der Zwischenzeit nicht eine andere Hilfsorganisation tätig geworden ist.
''aus der Sonntagszeitung von Zürich''

gesamter Thread: