- Gesammeltes (Zinns usw.) - marsch, 23.04.2005, 14:37
- Danke! hervorragende Fleißarbeit mit guten Quellen! - mae, 23.04.2005, 22:26
- Re: Von der Abgabe zum Zins - dottore, 24.04.2005, 14:13
- Re: Von der Abgabe zum Zins - mae, 24.04.2005, 19:23
- Re: Von der Abgabe zum Zins - Burning_Heart, 24.04.2005, 22:17
- Re: Von der Abgabe zum Zins - Euklid, 25.04.2005, 07:56
- Re: Von der Abgabe zum Zins - Cujo, 25.04.2005, 08:01
- Re: Von der Abgabe zum Zins - Euklid, 25.04.2005, 07:56
- Re: Von der Abgabe zum Zins - bernor, 24.04.2005, 23:01
- @bernor & Burning_Heart - mae, 25.04.2005, 02:07
- Kommt hin - Burning_Heart, 25.04.2005, 03:20
- Re: @bernor & Burning_Heart / Ist o.k. - bernor, 25.04.2005, 22:00
- Re: Von der Abgabe zum Zins - Burning_Heart, 24.04.2005, 22:17
- Re: Von der Abgabe zum Zins - mae, 24.04.2005, 19:23
- Re: Von der Abgabe zum Zins - dottore, 24.04.2005, 14:13
- Klasse! Kommt in die Sammlung (o.Text) - ---Elli---, 23.04.2005, 22:33
- Re: Gesammeltes.. - eine schöne Sammlung mit sehr gemeinen Fallstricken ;-) - nereus, 24.04.2005, 00:52
- Danke! hervorragende Fleißarbeit mit guten Quellen! - mae, 23.04.2005, 22:26
Re: Von der Abgabe zum Zins
-->Hi mae,
einen Zins (Zinssatz), den es irgendwo als etwas von Anbeginn der Zeiten, als etwas, das außerhalb des wirtschaftlichen Treiben"west" und unabhängig davon sozusagen"auf der Lauer liegt", um irgendwie in das Leben der Menschen zu treten, gibt es nicht.
Wie marsch in seiner exzellenten Zusammenstellung zeigt, beginnt der Zins als etwas, das eine Machtzentrale mit Hilfe ihrer Waffen (coercive power) erzwingen kann. Dabei handelt es sich um Abgaben aller Art, reicht von persönlichen Diensten bis zu Abgaben des zu diesem Zwecke zu erwirtschaftenden Surplus, vgl. den Übergang von der subsistenzwirtschaftlichen Produktionsweise zur tributären, über die Reinhard Bernbeck in der oft genannen Analyse (Die Auflösung der häuslichen Produktionsweise, 1994 berichtet hat (bitte auch die Analysen von Zandow dazu lesen).
Dieses ist ein noch und noch belegter, welthistorisch sozusagen ganz normaler Vorgang.
Da die naked power (Ausdruck von Bertrand Russell, Power: A New Social Analysis, 1938; er nahme sich als Prototypen den Agathokles vor, um -300, der mit seiner mamertinischen Söldnerarmee [!] die Herrschaft über Syrakus und Sizilien an sich riss), auf Dauer nicht funktioniert, bedarf die coercive power einer"Legitimierung".
Die reicht von"göttlicher Abkunft" (noch Caesar führt sich auf die Venus zurück, andere Bekannte auf"König David") über das Gottesgnadentum ("Wir, Heinrich der Verschleimte, von Gottes Gnaden König von...") über bestimmte"Herrscherfamilien-Merkmale" (Schädeldeformationen bei den Meso-Amerikanern bis zu den zum Boden reichenden Ohrläppchen bei den Inka, usw., usw.) über"priesterlichen" Schnickschnack (Moses/Aron,"Salbung","Krönung", Priesterkönigtum, usw.), bis hin zur aktuellen Form der Legitimierung, indem behauptet wird, das Volk selbst habe das, was mit ihm geschieht"so gewollt", da es entsprechende"Vertreter" gewählt hat bzw. hatte ("Demokratie" in diversen Varianten).
Nichtsdestotrotz wird"geherrscht", also Macht ausgeübt, was letztlich in der"Freiheit" (bis hin zu Willkür) endet, Abgaben nach gusto erheben zu können (Einführung bzw. Erhöhung). Dies ohne, dass die Passiv-Berechtigten (Steuerzahler), dies"von sich aus" erdacht bzw. in jeder einzelnen Stufe beschlossen hätten.
Wie entsteht nun aus der Zwangsabgabe der sog."private" Zins?
Um nicht erneut und ad nauseam den Nahen Osten bemühen zu müssen, wo die Dinge völlig klar sind und sich die Sätze von 33,3 % für Schulden der Macht-Struktur aus Getreide-Abgaben und von 20 % für entsprechende, auf Silber lautende Schulden mit keiner"Ã-konomie" erklären lassen, da diese nicht p.a. zu"erwirtschaften" sind (wären es"Ertragsanteile" an"Investitionen" gewesen, hätte sich aufgrund der"natürlichen" Erträge [ex Saatgut oder Viehherden] der Zinssatz selbst wenn er auf 33,3 % gesetzt gewesen wäre, letztlich nur auf 1 % p.a., also eine Null-Größe gerechnet, vgl. Wilhelmus Leemans, The Rate of Interest in Old Babylonian Times, 1950).
Das System ging nicht so: Man leiht sich etwas zu"produktiven Zwecken" und wird"privater" Schuldner. Sondern so: man ist <bAbgabenschuldner[/b] und muss die rückständigen [!] Abgaben mit diesen Horror-Sätzen verzinsen. Auf diesen Umstand sind die wirtschaftstheoretischen Gelehrten bei ihren"Zinstheorien", die en masse geboten werden, bisher m.W. nicht eingegangen (Grund: Sie hätten sonst eine"Machttheorie" des Zinses an den Anfang setzen müssen) und die wirtschafthistorischen Gelehrten gehen nur sehr zögerlich auf diesen Umstand ein (so etwas wie eine"Allgemeine Steuergeschichte" gibt es überhaupt nicht).
Einer von ihnen, der Italiener V.M. Scramuza hat in dem von Tenney Frank Ende der 1930er herausgegebenen Sammelband An Economic Survey of Ancient Rome einen vorzüglichen Beitrag über Roman Sicily gebracht, der sich mit dem Römischen Steuersystem in der ersten"Übersee-Kolonie" Roms beschäftigt.
Die Steuer wurde in Übernehme des Systems von Hieron (sikilischer Tyrann, gest. -466) so erhoben: Die Steuer war an decumani verpachtet (Steuerpacht gab's noch bis in 18./19. Jh.), die bei den Landeignern bzw. -pächtern (cultivatores) kassieren durften. Lieferte der Kultivator nicht das SOLL ab, wurde er das Vierfache [!] des ursprünglich Geschuldeten schuldig. Um die damit verbundenen Misshelligkeiten zu vermeiden (Verlust der Existenz sowohl als Eigentümer als auch als Pächter) war ihm dringend daran gelegen, die SOLL-IST-Differenz bei anderen zu beschaffen, was aus der Abgabenschuld nunmehr eine, einem"Privaten" gegenüber machte, die selbstverständlich zu verzinsen war.
Es war im übrigen just das Besteuerungssystem, das der naheliegenden Einfachheit halber (Transport, Transportkosten) immer wieder zu einem Metallabgabensystem mutierte (reichte vom alten Nahen Osten über den Mittelmeer-Raum z.B. noch ins 15. Jh. etwa in Deutschland und ins 19. Jh. der Kolonialmächte), das den"Handel" befeuerte, da dieser die einfachste und produktivste Form war, an das so dringend benötigte Abgabengut Metall zu kommen.
In einer höchst luziden Studie hatte schon Keith Hopkins, Taxes and Trade in the Roman Empire (200 B.C. - A.D. 400), 1980, für das Römische Reich nachgewiesen, dass es just diese Form der Abgabengut-Beschaffung war, die den Handel rasant anschwellen ließ (und nicht etwa eine rätselhaftes "Hochtauschen"), da sich viele dafür zu interessieren begannen, wie man an das verflixte Abgabengut"Geld" kommen könnte, für das man dann, so man es hatte (ohne es selbst schuldig zu sein), Zins abpressen konnte. Man denke an den Vorwurf Ciceros, dass Brutus (späterer Cäsarmörder) sich nicht scheute, Zinssätze von Privat bis 46 % p.a. zu kassieren.
Kein Mensch kann mit 46 % p.a."wirtschaften". Also sind solche"privaten" Sätze unmittelbarer Ausfluss des Steuersystems, das im Römischen Beritt bekanntlich höchst rigide war.
Den privaten Zinssatz senkte im Laufe der Jahrhunderte nicht etwa irgendeine Himmelsmacht, sondern der schlichte Fakt, dass die Fraktion der potenziellen Gläubiger zunahm und sie in immer schärfere Konkurrenz zueinander setzte. Nicht nur zu beobachten unter Iustitian, sondern auch viel später noch, z.B. im 19. Jh., wo in Form u.a. der allgemein bekannten Bankgründungswellen die Zahl jener (Privaten und Körperschaften) bekanntlich rasant zugenommen hatte.
Auf die Konkurrenz der (potenziellen) Gläubiger untereinander als Zinssenkungsgrund ist hier ebenfalls von bernor und ähnlich Burning_Heart aufmerksam gemacht worden.
Also Reihenfolge:
Abgabe (SOLL) ---> Beschaffungszwang des Abgabengutes bei IST < SOLL ---> Nachfrage nach Abgabengut bei Abgabengut-Haltern ---> Abgabengut-Halter können ihrerseits"Sub-Abgabe" fordern ("Privatzins") --->
a) Auftreten von"Wucherern", Solisten und/oder"Bankiersdynastien" (werden nach Erlöschen ihres Monopols [Zinsverbote, Juden usw.] durch Konkurrenz gezwungen, ihre Sub-Abgaben-Forderungen zu ermäßigen)
b) Auftreten von"Händlern" (Fernhandel zuerst!), die ihren Handelsgewinn (Verkauf minus Einkauf) ebenfalls"monetarisieren" (="Gewinn" in Form, Numeral, Standard usw. des Abgabengutes), um diesen letztlich in Form der Leihe des Abgabengutes zu"verrenten" (sofern sie nicht, siehe Fugger usw.) in andere Formen der Verrentung flüchten, in diesem Fall der Boden-Rente = Bezug von Boden-Zins). Phänomen des sinkenden Zinsfusses bei zunehmender wirtschaftlicher Aktivität (klassisch: 19. Jh).
c) Auftreten von"Investoren" im realwirtschaftlichen Bereich ("Industrialisierung"), da man sieht, dass der"Gewinn" aus"unternehmerischer" (sog."produktiver") Tätigkeit nicht nur qua"Verrentung" in Form von"Realkapital-Zins" (ex Eigentums-Zins), sondern auch qua"Finanzkapitalzins" (ex Geld-, alias GZ-, alias Abgabengut-Zins) sich verrenten lässt.
---> Entstehung des"modernen" Geld- und Kapitalmarktes ("Rentenmarktes") ---> Dort wird das zum GZ ("gesetzlich"!) mutierte Abgabengut gehandelt, wie wir es heute kennen.
Die Abgabe bleibt Substrat des Prozesses bzw. Basis der Pyramide. Sobald Abgaben und damit der Beschaffungszwang von GZ (und entsprechender Beschaffungswunsch und entsprechend der"Zins") entfallen, würde sich in einem sicherlich interessanten Prozess die Staats-, alias Abgabenwirtschaft wieder zurück zur Subsistenzwirtschaft entwickeln.
Und Eigentum, Zins und Geld entfallen.
Wo's herkommt, ginge es halt wieder hin. Falls das unerwünscht ist, kein Problem: Dann geht's so weiter wie bisher. Und da verschärft, mit immer deutlicherem Südkurs.
Gruß!

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