- Frage an die Rechtsexperten zur Volksabstimmung zur EU - Verfassung - prinz_eisenherz, 24.04.2005, 08:25
- Re:kleiner Hinweis - Jermak Timofejewitsch, 24.04.2005, 08:52
- Kleiner Widerspruch - prinz_eisenherz, 24.04.2005, 16:14
- Re: Warum eine Entscheidung durch Plebiszite in unserem Land die schlechtere - demokratische Alternative ist... Uwe, 24.04.2005, 16:31
- Re: schade, dass uns Herr Röttgen die Antwort auf die Frage vorenthält - Jermak Timofejewitsch, 24.04.2005, 17:02
- Re: schade, dass uns Herr Röttgen die Antwort auf die Frage vorenthält - bernor, 25.04.2005, 13:43
- Eine erste, bescheidene Erwiederung - prinz_eisenherz, 24.04.2005, 17:55
- Re: Ich dachte Berliner sind helle? - Uwe, 24.04.2005, 19:00
- Re: schade, dass uns Herr Röttgen die Antwort auf die Frage vorenthält - Jermak Timofejewitsch, 24.04.2005, 17:02
- Re: Frage, gibt es eigentlich noch die BRD?? Das ist kein Scherz. - hoerby, 24.04.2005, 17:54
- Kannst Dir ja vorsichtshalber einen Reichsausweis holen ;-)) (m.L.) (o.Text) - Zahnloser, 24.04.2005, 18:23
- Sorry, falscher Link! (o.Text) - Zahnloser, 24.04.2005, 18:26
- Die sogenannte"Bundesrepublik Deutschland" ist kein Staat, erst recht - hoerby, 24.04.2005, 20:31
- Sorry, falscher Link! (o.Text) - Zahnloser, 24.04.2005, 18:26
- Kannst Dir ja vorsichtshalber einen Reichsausweis holen ;-)) (m.L.) (o.Text) - Zahnloser, 24.04.2005, 18:23
- Re:kleiner Hinweis - Jermak Timofejewitsch, 24.04.2005, 08:52
Re: Warum eine Entscheidung durch Plebiszite in unserem Land die schlechtere
-->Hallo, prinz_eisenherz.
Wenn auch kein Rechtsexperte, sondern eher"Sammler", versuche ich den Sieger im Streit"Onkel./. Neffe" festustellen:
Der Volksentscheid oberhalb der Länder und Kommunalebenen ist im GG nur für die Neugliederung von Ländern vorgesehen GG Art. 29).
Die Möglichkeiten zur Grundgesetzänderung ist in GG Art. 79 geregelt.
Für die Belange, die durch EU-Entscheide entstehen, gilt GG Art. 23"
Aus nachfolgender Parlamentsrede, die am 28.05.2004 in der 112. Budestagssitzung vom MdB Dr. Norbert Röttgen gehalten wurde, ist folgender Satz herausgezogen: „Wir können rechtlich aber nicht einfach so formulieren, wie wir politisch reden;..."<a name="r0"></a>, was wohl auch mit einschließt, dass man politisch durchaus etwas propagieren kann, was man juristisch gar nicht formulieren kann (meine Interpretation).
Hört man die Stimmen der Politiker, wohl auch die Stimmen der Politiker, die Entscheidungen treffen ("Informationselite"<a name="r1"></a>), so stehen sie wohl derzeit zum Thema unter dem Leitgedanken, wie"verkauft" man das"Ja" zu EU-Verfassung am teuersten an die Bundespolitik.
Zudem ist die EU-Verfassung eh eine"Veranstaltung zur Beschäftigung", da die <a name="r2">Gerechtlichen Grundlagen, die einer EU-Verfassung gleichkommen</a>, schon existieren, so eben die Sicht des Herrn Dr. Röttgen, womit er wohl nicht ganz unrecht hat, nach meinem dafürhalten.
Hier nun die Rede, der ich ein Zitat aus dem Text als Überschrift gegeben habe:
<hr>
<h1>Warum eine Entscheidung durch Plebiszite in unserem Land die schlechtere demokratische Alternative ist...</h1>
<center>[img][/img]
<a href=http://www.norbert-roettgen.de/>Dr. Norbert Röttgen MdB CDU/CSU</a>
(rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion)
"... - eine Informationselite kann das schaffen -..."</center>
Auszug aus dem Protokoll der 112. Bundestagsitzung (Pkt. 22; 28.05.2004)
- Anker-/Sprungzielmarken nachtäglich an unveränderte Textteile gesetzt -
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort hat der Kollege Dr. Norbert Röttgen, CDU/ CSU-Fraktion.
Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte in meinem Beitrag nur auf die von der FDP-Fraktion vorgeschlagene Verfassungsänderung eingehen. Das Grundgesetz ist der wichtigste Rechtstext in unserer Demokratie. Darum sind an Änderungen dieses Rechtstextes hohe Anforderungen zu stellen, was die fachliche Qualität anbelangt. Es ist die politische Frage zu beantworten, ob wir die Grundentscheidungen, die die Verfassungsväter und -mütter getroffen haben, wirklich verändern wollen. Ich möchte zu beidem etwas sagen, zur fachlichen Qualität Ihres Vorschlags und zu der Grundsatzfrage, ob es richtig ist, einen Volksentscheid zur Einführung der EU-Verfassung zu ermöglichen.
Zum ersten Thema: Was ist von Ihrem Vorschlag fachlich zu halten? Sie formulieren in Ihrem Entwurf, dass es um die Einführung einer europäischen Verfassung geht. Natürlich reden wir politisch über die EU-Verfassung, über den Verfassungsvertrag. Es gibt auch gute politische Gründe dafür, so zu reden. Es verdeutlicht, dass es ein wichtiges Werk ist. Es spiegelt sich darin insbesondere wider, wie dieser Entwurf erarbeitet worden ist, nämlich nicht mit der bisherigen Methode der Vertragsänderungen. Die Herren der Verträge, die Mitgliedstaaten, haben die Gesetzgebung ein Stück weit aus ihren Händen gegeben und haben insbesondere Parlamentarier aus den Mitgliedstaaten - nicht nur Parlamentarier, aber auch Parlamentarier - an der Erstellung des Verfassungsentwurfs beteiligt.
<a name="#Geschwätz">Wir können rechtlich aber nicht einfach so formulieren, wie wir politisch reden</a><sup>zurück</sup>; das Grundgesetz hat andere Anforderungen an die Sprache. Deshalb müssen wir fragen: Wird im Rechtssinne eine Verfassung eingeführt? Wird mit dieser Vertragsänderung, um die es geht, das bisherige Vertragswerk eine neue Qualität, nämlich Verfassungsqualität, gewinnen? Das ist Ihre rechtliche Anforderung dafür, dass der Volksentscheid überhaupt stattfindet.
<a name="#EWGVertrag">Ich möchte dazu nur aus zwei Urteilen zitieren, die ich mir gestern noch einmal durchgelesen habe, die schon alt sind. In einem Urteil aus dem Jahre 1991 - das ist schon lang her - stellt der Europäische Gerichtshof fest, dass der EWG-Vertrag"obwohl er in der Form einer völkerrechtlichen Übereinkunft geschlossen wurde, nichtsdestoweniger die grundlegende Verfassungsurkunde einer Rechtsgemeinschaft" darstellt. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1968 stellt das Bundesverfassungsgericht fest - das ist im 22. Band -, die Europäische Gemeinschaft sei eine im Prozess fortschreitender Integration stehende Gemeinschaft eigener Art. Nun zitiere ich:"Der EWG-Vertrag stellt gewissermaßen die Verfassung dieser Gemeinschaft dar."</a><sup>zurück</sup>
Die Europäische Union hat eine Verfassung. Die europäischen Verträge haben seit langem Verfassungsqualität. Was macht denn eine Verfassung aus? Ich zitiere dazu die Begründung des Gesetzentwurfs der FDP-Fraktion: Es ist die Entscheidung"über Inhalt, Grenzen, Organisation, Ausgestaltung und Verteilung politischer Macht". Alles das ist in den Verträgen bereits entschieden. Wir haben die Souveränitätsübertragung. Wir haben ein System der Kompetenzverteilung. Wir haben mit dem Europäischen Gerichtshof ein Verfassungsgericht. Darum besteht kein Zweifel: So wenig man den Zeitpunkt bestimmen kann, zu dem die europäischen Verträge Verfassungsqualität angenommen haben, so sicher ist, dass sie bereits seit langem Verfassungsqualität haben. Darum ist Ihr Entwurf aus europarechtlichen Gründen unzulänglich.
Ich möchte mich mit dem Entwurf aber auch verfassungsrechtlich beschäftigen. Sie schreiben in Ihrem Begründungstext,"ohne ausdrückliche Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger" sei der Verfassungstext"nicht ausreichend legitimiert". Das finde ich wirklich bedrückend - das sage ich mit allem Ernst, ohne jeden taktischen Hintersinn. Sie wie wir alle gehen davon aus, dass Ihr Gesetzentwurf keine Mehrheit findet. Wollen Sie im Ernst behaupten, dass die Europäische Union, wenn diese Vertragsänderung im bislang üblichen Verfahren ratifiziert wird, in Zukunft unter einem Legitimationsmangel leidet?
(Peter Hintze [CDU/CSU]: Keineswegs!)
So steht es in Ihrem Begründungstext schwarz auf weiß. Wollen Sie auch sagen, dass die früheren Entscheidungen grundlegendster Art, der Maastricht-Vertrag und die Einführung der Währungsunion, das heißt die Abgabe nationaler Währungshoheit, unter einem Legitimationsmangel leiden? Was ist mit dem Grundgesetz, zu dem niemals ein Plebiszit durchgeführt wurde? Leidet das auch unter einem Legitimationswandel?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wie verhält es sich mit künftigen Änderungen, da ja nur einmal ein Volksentscheid durchgeführt werden soll? Sie sagen, dafür sei keine plebiszitäre Entscheidung nötig.
Man kann ja in der Sache unterschiedlicher Auffassung sein, aber mich stört, mit welcher Leichtfertigkeit in dem Gesetzentwurf die Legitimation der wesentlichen rechtlichen Grundlagen des Staates wie der Europäischen Union infrage gestellt wird. Hier haben Sie einen schweren Fehler gemacht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Nun zu der Frage, ob es richtig ist, über diese Verfassung per Volksentscheid zu entscheiden. In diesem Hause gibt es ja bezüglich der Präferenz für Volksentscheide eine ganz originelle Konstellation zwischen FDP und der rot-grünen Koalition. Die FDP sagt, wir wollen nur hier, aber nirgends sonst einen Volksentscheid zulassen. Rot-Grün sagt, wir wollen über alles einen Volksentscheid zulassen, nur nicht über diese Frage.
(Rüdiger Veit [SPD]: Nicht überall!)
- Im Grunde überall. - Beide Positionen sind von der Taktik und der Sache her nicht glaubwürdig.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir können mit der Frage der Legitimation - das ist eine Kernfrage der Demokratie, denn Demokratie ist Legitimation - nicht taktisch umgehen, sondern wir müssen mit ihr verantwortungsvoll und sachlich umgehen. Es ist bedauerlich, dass die CDU/CSU-Fraktion die einzige Fraktion im Parlament ist, die sich der Verantwortung in diesem Punkt bewusst ist. Sie taktiert nicht, sondern praktiziert Verantwortung.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dirk Niebel [FDP]: Sie gehen doch am Volk vorbei!)
Sie, Frau Lührmann, haben eben das klare Bekenntnis abgelegt: Sie wollen einen Volksentscheid darüber. Aber der Bundesaußenminister hat ihn verboten. Insbesondere die Grünen sind ja ein immer folgsameres Kind der Regierung geworden. Sie, Herr Bundesaußenminister, können, wie ich glaube, mit dieser Fraktion sehr zufrieden sein. Wenn es ernst wird, sagen Sie ihr, was sie machen soll. Das sagt auch etwas über Ihr Selbstverständnis aus.
Ich möchte darauf eingehen, ob es richtig ist, durch Volksentscheide Entscheidungen zu fällen, und möchte begründen - da gebe ich Ihnen Recht -, dass die europäische Verfassung ein gutes Beispiel dafür darstellt, warum eine Entscheidung durch Plebiszite in unserem Land die schlechtere demokratische Alternative ist. Nach meiner festen Überzeugung liegt das nicht daran, dass wir Abgeordnete des Bundestages die besseren Entscheider wären, dass wir schlauere und bessere Entscheidungen träfen, als wenn das Volk abstimmen würde. Der Grund liegt vielmehr in den objektiven Bedingungen, der Möglichkeit, eine schwierige Frage verantwortlich zu entscheiden.
Voraussetzung dafür, um überhaupt verantwortlich und vernünftig entscheiden zu können, ist das Vorhandensein eines Verfahrens, mit dem man in der Lage ist, die Komplexität eines Gegenstandes zu verarbeiten. Der entscheidende Punkt ist, ob wir davon sprechen können, dass die Voraussetzung dafür existiert, verantwortlich zu entscheiden, und ob das Verfahren, das Entscheidungen vorausgeht, die Möglichkeit bietet, die Komplexität des Gegenstandes zu verarbeiten. Das parlamentarische Verfahren bietet sie, unabhängig davon, ob uns das im Einzelfall gelingt. Wir sind im Parlament in der Lage, strukturiert plurale Auffassungen miteinander zu diskutieren und zu einem Ergebnis zu kommen, für das wir uns dann politisch und demokratisch rechtfertigen müssen.
Ich bin fest davon überzeugt - damit komme ich zum Ende -, dass die plebiszitäre Entscheidung genau diesen Mangel hat: Sie bietet kein Verfahren, das in der Lage wäre, der Komplexität eines Gegenstandes in der für demokratische Legitimation nötigen Breite - <a name="InfoElite">eine Informationselite kann das schaffen</a><sup>zurück</sup> - gerecht zu werden. Es geht bei dieser Frage um das Funktionieren unserer Demokratie, um nichts weniger. Für dieses Funktionieren haben wir als Parlament eine doppelte moralische Pflicht: die Pflicht, zu begründen, dass es zur parlamentarischen Verantwortung keine praktische Alternative gibt, und die Pflicht, diese Verantwortung durch den Stil unserer Auseinandersetzungen -
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, darf ich Sie erinnern, dass Sie zum Ende kommen wollten?
Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU):
- und durch den Inhalt der konkreten Entscheidungen zu leben. Das ist unsere Pflicht; wir können sie nicht übertragen, sondern müssen sie selber erfüllen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
<hr>
Zum"versöhnlichen Ausklang", hier noch die Ergebnisse einer Suchabfragen nach den Begriffen &EU, &Verfassung &Grundgesetz &Volksentscheid im Forumsarchiv (eine Einzelabfrage der Begriffe liefert weitaus mehr):
~ Am 21.07.2004 stellt Popeye zur Beobachtung: Mal sehen was draus wird...
~ Am 24.07.2004 stellt Popeye"CDU-Stimme" zum Volksentscheid vor: Lehrstück Demokratie..."
~ Am 25.07.2004 Popeye nimmt die"Informationselite" und anderes ins Visier: ... auch sichtzt der Sachverstand nicht bei den gewählten Volksvertretern..."
~ Am 30.08.2004 stellt Albrecht Forderung nach Volksabstimmung zur EU-Verfassung hier vor.
All' dies wäre wohl nicht notwendig, wenn Dein schlauer Neffe mit seinem Wissen in Bezug auf den Volksentscheid in Verbindung mit Grundgesetz und EU-Verfassung falsch liegen würde und es die Möglichkeit des Volksentscheids geben würde.
Aber möglicherweise würde ein"Volksentscheid" ein anderes Urteil in Sache"Onkel./. Neffe" liefern.
Gruß,
Uwe

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