- Ein Unternehmer alter Schule - bonjour, 03.05.2005, 15:07
- @bonjour: Bitte Copyright beachten - ---Elli---, 06.05.2005, 14:12
Ein Unternehmer alter Schule
-->einer, der keine Lust auf Billiglohnländer hat.
gruß b.
Auf der Schokoladenseite des Kapitalismus
Walter Wiebold produziert Pralinen. Er tut das mit großem Erfolg am Standort Deutschland. Und er schafft Arbeitsplätze - auf seine Art
Holger Schmale
ELMSHORN, im Mai. Walter Wiebold ist ein großer, ein stattlicher Mann. Man könnte auch sagen: ein Genussmensch. Wohlgefällig gleitet sein Blick über den Konferenztisch, der mit Köstlichkeiten beladen ist. Schokoladentrüffeln in allen Formen, Farben, Geschmacksrichtungen, in Schüsseln, auf Etageren und Tabletts arrangiert. Wiebolds Leben und Arbeiten ist nichts anderes als Schokolade. Alles, was dort auf dem Tisch verlockt, ist sein Werk, ist seins. Da er aber gerade am rechten Maß seiner Stattlichkeit arbeitet, belässt er es an diesem Mittag bei einem liebevollen Blick auf die Pralinen.
Das ändert jedoch nichts an seiner guten Laune. Der Mann ist Inhaber der Confiserie Wiebold. Das ist ein feiner Name für eine feine Sache, die man weniger elegant auch als Trüffel-Fabrik bezeichnen kann. In drei Schichten am Tag, an sieben Tagen der Woche produzieren hier 280 Leute mit computergesteuerter Technik, aber auch immer noch mit allerlei Handarbeit feinste Pralinen. Walter Wiebold ist also Unternehmer, ein Mittelständler, und dass so einer gute Laune hat in diesen trüben deutschen Wirtschaftstagen, das ist doch ungewöhnlich.
Aber er hat gute Gründe. Der Umsatz seiner Firma hat sich 2004 verdoppelt, und auch in den vorangegangenen Jahren hat er kräftig zugelegt - beim Umsatz, beim Gewinn, bei Investitionen und bei den Arbeitsplätzen. Weshalb funktioniert das hier, in der kleinen Stadt Elmshorn kurz hinter Hamburg - aber anderswo nicht? Sollten wir hier, in dem ein wenig ramponiert wirkenden Flachbau in einem eher unwirtlichen Gewerbegebiet den Schlüssel zur Lösung der deutschen Wirtschaftsmisere finden?
Möglicherweise haben der Erfolg und die gute Laune des Chefs etwas mit dem kleinen Kärtchen zu tun, das zur Grundausstattung eines jeden Wiebold-Mitarbeiters gehört."Ich will einen guten Tag! Ich will einen schönen Tag! Wir wollen einen erfolgreichen Tag!" steht auf dem Kärtchen."Das ist so etwas wie unser Lichtschalter", sagt Wiebold. Seine Leute sind angehalten, auf die Kärtchen zu schauen, wenn sie in den Betrieb kommen. Damit wird sozusagen die gute Laune, die Energie für den Arbeitstag freigeschaltet.
Manchem werden die Losungen vertraut sein. Sie stammen aus dem amerikanischen Bestseller"Fish!", in dem auf mitreißende Weise erzählt wird, wie die Verkäufer auf dem Fischmarkt von Seattle aus ihren eher trübsinnigen Jobs auf dem Wege der Autosuggestion ein großes, attraktives Spiel machen. Daraus ist eine Motivationslehre entstanden, die sich auf alle Arbeitsbereiche anwenden lässt."Wenn wir uns dafür entscheiden, die Arbeit, die wir tun, zu lieben, dann können wir jeden Tag Glück, Lebenssinn und Erfüllung erfahren", heißt es in dem Buch.
Also alles nur eine Frage der Motivation? Ist Wiebold so erfolgreich, weil seine Packerinnen sich jeden Tag wahnsinnig darauf freuen, acht Stunden am Band zu stehen und Trüffeln in Tüten zu stecken? Der Standort, an dem dies geschieht, ist doch der gleiche, der anderen Unternehmen solche Probleme bereitet. Schon recht, sagt Wiebold, und gibt zu, dass die Sache mit dem Lichtschalter auch nicht jeden Tag bei jedem funktioniert. Aber es hilft. Ebenso, wie das Kärtchen, das der Pralinenboss für seine Führungskräfte entworfen hat. Hier hat er Anleihen in der japanischen Autoindustrie genommen."Wir fragen bei jeder Entscheidung fünf mal warum", heißt es da."Warum überhaupt? Warum jetzt? Warum geht es nicht anders? Warum macht es uns produktiver und verbessert die Qualität? Warum verdienen wir damit mehr Geld?"
Wir befinden uns immer noch am Standort Deutschland. Und trotz der eher modernistischen Motivations-Anwandlungen des Walter Wiebold wird bald deutlich werden, dass hier ein Mensch wirkt, der etwas von einem Unternehmer der alten Schule hat. Einer, der mit Ideen und Mut zum Risiko einen Weg geht, der ihn trotz schwieriger Rahmenbedingungen zu außergewöhnlichem Erfolg führt. Dazu passt, dass er seine Profession von Grund auf gelernt und früh begonnen hat. Als Junge musste er in der kleinen Pralinenmanufaktur seines Vaters mithelfen, die ihren Ursprung in der Küche des Elternhauses hatte. Noch heute hat Wiebold seinen Warmhalteteller aus Kindertagen zur Hand, in dem sein Vater 1968 die ersten Pralinen mit flüssiger Schokolade überzog. Mit 16 begann Walter Wiebold eine Lehre als Konfektmacher, mit 18 baute er eine kleine Pralinenfabrik in Brasilien auf, mit 25 musste er nach dem Tod des Vaters den elterlichen Betrieb übernehmen.
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<ul> ~ http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/seite_3/444752.html</ul>

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