- Staatsquote - marsch, 07.05.2005, 11:16
Staatsquote
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<a target=_blank href=http://www.17juni53.de/chronik/5311/nov53_kabinettc.pdf>4. Kabinettssitzung [der Bundesregierung] am Mittwoch, den 4. November 1953</a>
Der Bundeskanzler stimmt dem Bundesminister für Wohnungsbau zu, daß es ungesund ist, 40% des Volkseinkommens über die öffentlichen Kassen laufen zu lassen; vor allem, wenn mit diesen Geldern etwa Autofabriken finanziert würden. Es komme darauf an, die Grenze zu finden, wie weit spekulative Erwartungen über die wirtschaftliche Entwicklung im Haushalt berücksichtigt werden könnten. Er bittet, Vorschläge zu machen, auf welchem Wege der hohe Prozentsatz der Steuern am Volkseinkommen gesenkt werden kann.
Schon interessant! Damals stritten sie sich über eine Staatsquote von 40% am Volkseinkommen (entspricht ca. 30% vom BIP, siehe Graphik) und bezeichneten das schon 1953 als "ungesund". Und trotzdem ging alles seinen Weg.
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Aber wen wundert's?
Politisches Kalkül gewann die Oberhand. Das westdeutsche Rentenniveau lag schon 1956 durchaus höher als in den meisten anderen Industrieländern; mehrfach hatte der Bundestag bis dahin Rentenerhöhungen beschlossen. Dennoch war der Einkommenszuwachs der Rentner geringer geblieben als jener der Beschäftigten, und die Rentner hatten keine Garantie, daß sich diese Schere nicht noch weiter öffnen würde. So klang die Idee sozialpolitisch überzeugend. Rentenerhöhungen automatisch an das Wachsturn der (Brutto-)Lohn- und Gehaltssumme bei den Arbeitnehmern zu koppeln. Kanzler Adenauer war, als geborener Taktiker, im Wahljahr für die neuartige Dynamisierung der Renten. Sein Wirtschaftsminister Erhard kämpfte vehement dagegen an. Erhard sah nämlich voraus, daß der Anteil der Rentner an der Gesamtbevölkerung immer weiter steigen würde; deshalb fürchtete er, daß die dynamisierten Renten auf Dauer nur durch hohe Staatszuschüsse an die Rentenversicherungen bezahlt werden könnten. Das ganze Modell, so seine prophetische Sorge, könne überhaupt nur in einer Wirtschaft des steten Wachstums funktionieren. Natürlich hatte Erhard recht, wie wir heute wissen; aber ebenso natürlich wurden seine Bedenken im Wahljahr nicht gehört. Das Gesetz wurde im Parlament einvernehmlich verabschiedet und rückwirkend zum Jahresanfang 1957 in Kraft gesetzt. Zum Mai desselben Jahres wurden die Renten um 65 bis 70 Prozent erhöht, im Oktober gewann Adenauer die Wahl und hatte fortan für vier Jahre die absolute Mehrheit im Bundestag.
Aus"Die D-Mark" von Wolfram Bickerich
"dottores" 'Staatsproblem' ist vielleicht nicht lösbar, aber zumindest"in die Länge zu ziehen":
Erhards Konzept der Marktwirtschaft - das Attribut sozial wurde erst später von Erhards wichtigstem Mitarbeiter Alfred Müller-Armack hinzugefügt - basierte auf einer heutzutage ganz einfach klingenden Überlegung: Marktwirtschaft ist, weil sie auf der Leistung einzelner beruht, besser als eine Steuerung durch den Staat. Wettbewerb ist eine Bedingung der Marktwirtschaft, kommt aber nicht von allein, sondern muß vom Staat gesichert werden. Wirtschaftliches Wachstum ist die beste Sozialpolitik, denn es führt zu Vollbeschäftigung und ermöglicht zugleich gute Sozialleistungen für Benachteiligte. Der Staat - dies der soziale Aspekt - ist zum Schutz der wirtschaftlich Schwachen verpflichtet; eine derartige Umverteilung zugunsten der Benachteiligten darf aber nicht das Wachstum gefährden. Später brachten Erhard und seine Epigonen ihr Konzept auf ein zugkräftiges Schlagwort: Soviel Markt wie möglich, soviel Staat wie nötig.
Aus"Die D-Mark" von Wolfram Bickerich
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