- Neues vom Polizeistaat oder Rechte für Sklaven - RetterderMatrix, 03.07.2005, 15:26
- Re: Neues vom Polizeistaat oder Rechte für Sklaven - MC Muffin, 03.07.2005, 15:40
- Auf dem linken Ohr taub - Kasi, 03.07.2005, 16:25
- Linksverseucht? - MC Muffin, 03.07.2005, 18:00
- Gehts noch? - Kasi, 03.07.2005, 22:33
- Klar... - Wassermann, 03.07.2005, 23:36
- Gehts noch? - Kasi, 03.07.2005, 22:33
- Linksverseucht? - MC Muffin, 03.07.2005, 18:00
- Auf dem linken Ohr taub - Kasi, 03.07.2005, 16:25
- Re: Neues vom Polizeistaat oder Rechte für Sklaven - MC Muffin, 03.07.2005, 15:40
Neues vom Polizeistaat oder Rechte für Sklaven
-->Notstand als Normalität -
oder das neue Hamburger Polizeigesetz
Geht es nach dem Willen der Mitte-Rechts-Regierung wird ab Sommer 2005
in der Freien und Hansestadt Hamburg das “schärfste Polizeigesetz
Deutschlands” gelten. Dabei wird als Begründung auch hier, wie bereits
bei zahlreichen anderen bundes- und europaweiten Sicherheitspaketen der
letzten Jahre, die veränderte Sicherheitslage nach dem 11. September
2001 vorgeschoben.
Mit dem geplanten Gesetz soll die Eingriffschwelle für polizeiliches
Handeln auf ein Minimum reduziert werden. Die neuen Maßnahmen reichen
von Aufenthaltsverboten bis zu zwölf Monaten, über 14-tägigen
Unterbindungsgewahrsam, verdachtsunabhängigen Personenkontrollen,
Videoüberwachung öffentlicher Plätze, erleichterte Rasterfahndung bis
hin zum polizeilichen Todesschuss. In der Konsequenz heißt das, dass mit
diesem Gesetz die Freiheitsrechte aller massiv beschnitten werden;
vorrangig richtet es sich aber gegen diejenigen, die sich außerhalb der
kapitalistischen Verwertungslogik befinden oder sich dieser bewusst
widersetzen. Betroffene der neuen polizeilichen Maßnahmen werden somit
u.a. Angehörige der Drogenszene, MigrantInnen, Flüchtlinge,
BauwagenbewohnerInnen und Menschen, die dem Staat aufgrund ihrer
politischen Meinung oder ihres Handelns ein Dorn im Auge sind sein.
Immer wieder genannt in der Diskussion um das Gesetz sind natürlich auch
die Hooligans, denen man gerade auch im Hinblick auf die Fußball-WM 2006
adäquat begegnen müsse.
Bürgerrechte - rechtlose BürgerInnen?
War es noch vor wenigen Jahren unvorstellbar, dass die Herrschenden den
Menschen ohne einen bürgerlichen Aufschrei der Empörung elementare
Freiheitsrechte entziehen - abgesehen von den rassistischen
Sondergesetzen wie z.B. der Residenzpflicht, wird dies im Jahr 2005 mit
geradezu bedrohlicher Offenheit als konkretes Ziel des Gesetzes benannt.
Dies wird schönfärberisch mit dem angeblichen Schutz des Einzelnen
begründet. So heißt es beispielsweise in der amtlichen Begründung des
Gesetzesentwurfs unter “Allgemeines”: “Es ist Aufgabe des Staates, seine
Bürger vor Straftaten zu schützen. (...) Nur wenn der Einzelne vor
Straftaten geschützt ist, kann er sich nach seinen Wünschen und
Fähigkeiten frei entfalten.(...) Diese staatliche Schutzpflicht ist in
erster Linie Aufgabe der Polizei. Sie hat für eine umfassende und
bestmögliche Gefahrenabwehr zu sorgen. Hierfür muss die Polizei auch die
rechtlichen Möglichkeiten erhalten, die für eine solche
Aufgabenerfüllung notwendig sind. Freiheitsgrundrechte als Schutzrechte
des Bürgers gegenüber dem Staat müssen dabei ebenfalls berücksichtigt
werden.” Wer soll hier vor wem geschützt werden? Die Reichen vor den
Armen? Die priviligierten Passbesitzer in den westlichen Metropolen vor
Flüchtlingen?
Innensenator Nagel setzt selbstverständlich in der Argumentationslinie
von Angst und Schrecken noch einen drauf, indem er den Gesetzesentwurf
in der Presse wie folgt verkauft: “Die Gesetzesnovelle schafft für
Hamburg ein modernes Polizeirecht. Damit wird zum einen auf die aktuelle
weltweite Bedrohungslage reagiert. Seit dem 11. September 2001 hat sich
die Sicherheitslage grundlegend gewandelt. Dies gilt seit den Anschlägen
von Madrid vom 11. März 2004 in besonderem Maße auch für Europa. Die
derzeitigen Befugnisse der Polizei zur Gefahrenabwehr sind nicht mehr
ausreichend, um den neueren Erscheinungsformen der schweren Kriminalität
wie insbesondere dem internationalen Terrorismus, aber auch den
unterschiedlichen Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität
wirksam begegnen zu können.
Der Schwerpunkt der Gesetzesänderungen liegt bei verbesserten
Eingriffsgrundlagen für die Polizei. (...) Darüber hinaus werden
Rechtsgrundlagen geschaffen, die der aktuellen technischen Entwicklung
insbesondere im Bereich der Telekommunikation in besonders geeigneter
Weise Rechnung tragen. In diesem Bereich entspricht vor allem das PolDVG
(Polizeiliches Datenverarbeitungsgesetz) derzeit nicht mehr den
aktuellen Notwendigkeiten.”
Die mit der aktuellen Novellierung verbundene Weiterentwicklung des
Hamburger Polizeirechts liegt auf einer bundesweit zu beobachtenden und
schon seit vielen Jahren auszumachenden Trend. Neben mancherlei eher
symbolischen Regelungen geht es im Kern um den weiteren Umbau des
Polizeirechts: weg von den Prinzipien des liberalen Rechtsstaats hin zu
einem neuen Polizeirecht des “Präventionsstaates”, “Sicherheitsstaates”,
“Polizeistaates”.
Im traditionellen Polizeirecht des liberalen Rechtsstaates ist das
polizeiliche Eingriffshandeln auf die Gefahrenabwehr begrenzt, und damit
nur in Fällen unmittelbar bevorstehender Gefahren und nur gegenüber den
für die Störung Verantwortlichen zulässig. Im Polizeirecht des
“Sicherheitsstaates” werden, über die Gefahrenabwehr hinaus,
Gefahrenvorsorge und vorbeugende Verbrechensbekämpfung als
Polizeiaufgaben definiert und für diese Aufgabenstellung als
erforderlich angesehene Befugnisse ins Polizeirecht aufgenommen. Hier
werden nicht nur die Aufgabenbereiche der Polizei massiv ausgedehnt,
sondern auch die Lehren der Geschichte auf dem Müllhaufen entsorgt: 60
Jahre nach der Befreiung vom deutschen Faschismus findet der
kontinuierliche Ausbau des Repressionsapparates einen neuen Höhepunkt.
Die Polizei wird zum ersten “Problemlöser” ernannt, der Bürger zum
Rechtlosen und potentiell Kriminellen erklärt.
In der Logik der der Regierung ist also die Freiheit der/des Einzelnen
ein Opfer was zugunsten einer sich stetig verschärfenden
“Sicherheitspolitik” notwendigerweise erbracht werden muss - wer das
nicht einsieht, wird schon sehen was sie/er davon hat...
Die Neuerungen und Änderungen im Einzelnen
Im Folgenden sollen die einzelnen beabsichtigten Änderungen näher
betrachtet werden, wobei diese im Wesentlichen in drei Gruppen
eingeteilt werden können. Zum einen handelt es sich um Befugnisse, die
bisher bereits explizit geregelt sind, bei denen aber entweder die
Eingriffsschwelle gesenkt wird oder die Eingriffsmöglichkeit erweitert
wird (I). Zum anderen werden Maßnahmen, die bisher nicht explizit im
Polizeigesetz erwähnt sind, aber bereits in der Praxis Anwendung
gefunden haben (wie z.B. längerfristige Aufenthaltsverbote),
spezialgesetzlich geregelt (II). Darüber hinaus sollen für die Anwendung
neuer Überwachungstechnologien die entsprechenden Rechtsgrundlagen
geschaffen werden (III).
I. Ausweitung bereits vorhandener Befugnisse
1. Unterbindungs- und Erzwingungsgewahrsam ( § 13 SOG - Sicherheits- und
Ordnungsgesetz)
War die Ingewahrsamnahme nach Polizeirecht bisher nur bis zum Ende des
folgenden Tages möglich, soll jetzt per Gerichtsbeschluss eine
Höchstdauer von 14 Tagen möglich sein. Außerdem soll diese quasi
“vorweggenommene Freiheitsstrafe” auch zur Durchsetzung von
Aufenthaltsverboten und Wegweisungen möglich sein, beispielsweise, um
die offene Drogenszene dauerhaft aus dem Stadtbild zu verbannen.
Zielgruppe der längerfristigen Freiheitsentziehung sind außerdem die von
den Behörden mit Schrecken erwarteten Massen von Hooligans zur
Fußball-WM 2006.
2. Verdachtsunabhängige Kontrolle (§ 4 Abs. 2 PolDVG)
Waren verdachtsunabhängige Kontrollen bisher nur an “gefährlichen Orten”
und “polizeilichen Kontrollstellen” möglich, soll jetzt eine
Rechtsgrundlage für verdachtsunabhängige Kontrollen (einschließlich
Durchsuchung mitgeführter Taschen etc.) in größeren Gebieten (z.B.
Stadtteile) geschaffen werden, wenn “aufgrund von konkreten
Lageerkenntnissen in dem betreffenden Gebiet mit Straftaten von
erheblicher Bedeutung zu rechnen ist.”
Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass die Definitionsmacht
hinsichtlich der “Lageerkenntnisse” ausschließlich der Polizei
vorbehalten ist. Damit schafft diese Regelung faktisch eine
Generalermächtigung für die Polizei, bestimmte (unliebsame)
Personengruppen jederzeit und an jedem Ort beliebig kontrollieren zu
können.
Die verdachtsunabhängige Kontrolle, auch Schleierfahndung genannt, ist
eine klassische Befugnis für die Polizei gegenüber Jeder und Jedem. Sie
ist schon aus diesem Grunde als Notstandsbefugnis aufzufassen, da sie
sich ohne Ausnahme gegen Jede und Jeden richtet, die/der sich in einem
bestimmten Gebiet aufhält - die Überprüfung einschließlich
Taschenkontrolle also vollkommen willkürlich stattfindet. Das diese
Kontrollen damit über jene der Identitätsfeststellungen an den
“gefährlichen Orten” (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 PolDVG) weit hinausgehen, liegt
auf der Hand und lässt aus juristischer Sicht jedenfalls massive Zweifel
an der Verfassungsmäßigkeit der neuen Regelung aufkommen. Doch auch die
Identitätsfeststellung an sich kann für die Betroffenen mit
weitreichenden Konsequenzen verbunden sein: Wer sich nicht ausweisen
kann oder will, kann durchsucht oder mit auf die Polizeiwache genommen
werden. Das einzige, was den kontrollierten Menschen in der Regel
erspart bleiben dürfte, ist die erkennungsdienstliche Behandlung.
3. Präventive Rasterfahndung (§ 23 Abs. 1 PolDVG)
Die Rasterfahndung war schon in der Vergangenheit gem. PolDVG (§ 23)
zulässig und wurde u.a. nach dem 11. September 2001 eingesetzt. Bis dato
ist die Anordnung der Rasterfahndung allerdings nur zulässig, wenn diese
zur Abwehr einer “unmittelbar bevorstehenden Gefahr” erforderlich ist.
Im Gegensatz zu anderen Gerichten haben Hamburger Gerichte das Vorliegen
einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr, und damit auch die Legalität
der Rasterfahndung noch viele Monate nach dem 11. September 2001 bejaht.
Um sich in Zukunft der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Rasterfahndung
zu entledigen, soll nun auf das Kriterium der “unmittelbar
bevorstehenden Gefahr” als Voraussetzung der Anordnung einer solch
weitreichenden Maßnahme verzichtet werden. Statt dessen soll es
zukünftig ausreichend sein, dass “tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme
rechtfertigen, dass dies zur Verhütung von Straftaten erforderlich ist”.
Es sind also nicht einmal mehr nachprüfbare Tatsachen erforderlich,
vielmehr soll “Grummeln im Bauch” eines Polizeibeamten ausreichen
(BdK-Vertreter auf einer öffentlichen Veranstaltung).
Mit dem Verzicht auf das Kriterium der umittelbaren Gefahr (z.B. für
Leib und Leben) verlieren die entsprechenden Regelungen aber auch ihren
Charakter als Notstandsbefugnisse. Oder anders herum: Der Notstand
nähert sich der Normalität an. Eine Rechtfertigung für eine
Rasterfahndung kann es aber überhaupt nur im Notstandsfall geben, denn
von ihr werden planmäßig Unverdächtige betroffen. Diese müssen sich den
Abgleich von personenbezogenen Daten mit den Rasterkriterien gefallen
lassen. Im Fall der Übereinstimmung kommen weitere Maßnahmen bis hin zu
Observationen und Hausdurchsuchungen in Betracht. Die Erfahrungen mit
der Rasterfahndung nach dem 11. September 2001 haben gezeigt, welche
Folgen diese für die Betroffenen haben: vom Verlust des Arbeitsplatzes
über den von Bankkonten bis hin zu dem des Studienplatzes, ist alles
möglich.
4. Verdeckte Ermittler (§ 12 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 PolDVG)
War der Einsatz verdeckter Ermittler bisher nur bei nachweisbarem
Kontext zur “Organisierten Kriminalität” erlaubt, dürfen sie künftig
generell zur Abwehr von Straftaten von erheblicher Bedeutung eingesetzt
werden.
II. Neue spezialgesetzliche Regelungen
1. Der polizeiliche Todesschuss (§ 25 Abs. 2 SOG)
Der schon in der Vergangenheit unter entsprechender Auslegung des SOG
zulässige und in extrem wenigen Fällen auch praktizierte polizeiliche
Todesschuss, soll jetzt in der neuen Fassung des SOG explizit geregelt
werden. Künftig kann also die Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr
vollkommen legal von der Schusswaffe Gebrauch machen, um die
“öffentliche Sicherheit und Ordnung” gegen einen “Störer” zu
verteidigen. Hatte die Polizei bisher (zumindest nach dem Gesetz) auch
im Bereich der Gefahrenabwehr die Pflicht, verhältnismäßig gegen einen
“Störer” vorzugehen, kann an dieser Stelle jetzt auch der Todesschuss
stehen. Das was bislang die Ausnahme war, wird damit zu einem geregelten
und grundsätzlich zulässigen Vorgang gemacht und ist folglich Teil des
ganz normalen Ausnahmezustands, der mit dem neuen Polizeigesetz Einzug
halten soll.
2. Aufenthaltsverbote zur Verhinderung der zukünftigen Begehung von
Straftaten (§ 12 b SOG)
Diese wurden auf der rechtlichen Grundlage der polizeilichen
Generalklausel (§ 3 SOG) bereits in der Vergangenheit (zumindest im
Jahre 2001) durchgesetzt und gerichtlich in der Regel nicht beanstandet.
Ziel der Aufenthaltsverbote war dabei vor allem die “offene
Drogenszene”. Jetzt soll für die Aufenthaltsverbote eine gesicherte
spezialrechtliche Grundlage geschaffen werden, die die maximale Dauer
auf zwölf Monate festgelegt. Vorgesehen ist, dass die langfristigen
Aufenthaltsverbote künftig zur Verhinderung jeglicher Straftat (nicht
etwa nur erheblicher Straftaten) zulässig sein sollen und sich zudem
nicht auf einen bestimmten Ort, sondern allgemein auf “Gebiete der
Freien und Hansestadt Hamburg” beziehen. Da der Begriff “Gebiet”
gesetzlich nicht definiert ist, kann ein solches Aufenthaltsverbot nach
dem Wortlaut des Gesetzes nahezu das gesamte Stadtgebiet umfassen.
Nach der amtlichen Begründung soll es sich insbesondere gegen
“Intensivdealer” richten. Das Ziel ist klar erkennbar: Die “offene
Drogenszene” soll aus dem Stadtbild zu vertrieben werden. Hiermit wird
einmal mehr deutlich, worauf die repressive Drogenpolitik des Senats
letztendlich abzielt. Neben den massiven Einsparungen bei Einrichtungen
der Drogenhilfe und -beratung sowie den Schließungen derselben in
“Szenevierteln” ist, ergänzend zur Stigmatisierung und Kriminalisierung
der “offenen Drogenszene”, mit Aufenthaltsverboten von bis zu zwölf
Monaten die Vertreibung der “offenen Drogenszene” bis an den äußersten
Stadtrand gewollt. Schließlich sollen sich weder konsumfreudige
Szeneyuppies noch diejenigen, die über den Hauptbahnhof kommend ihr Geld
in die “weltoffene und tolerante Freie und Hansestadt Hamburg” tragen
wollen, durch den Anblick der Resultate einer völlig verfehlten
Drogenpolitik gestört fühlen.
Es ist außerdem zu erwarten, dass dieses Instrument auch im Zusammenhang
mit dem Demonstrationsrecht immer häufiger Anwendung finden wird. Eignet
es sich doch insbesondere im Zusammenhang mit dem möglichen 14-tägigen
Unterbindungsgewahrsam dazu, politischen Widerstand und Proteste, wie
z.B. gegen die Räumung eines Bauwagenplatzes, bereits weit im Vorfeld
und auf Dauer zu unterbinden. Aber auch im Rahmen der kommenden
Fußballweltmeisterschaft ist eine Anwendung vorherzusehen. Die amtliche
Begründung geht bereits konkret darauf ein.
3. Großer Lauschangriff (§ 10 Abs. 3 PolDVG)
In Reaktion auf die aktuelle Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zum “großen Lauschangriff” nach der StPO
werden Regelungen eingeführt, die den Anforderungen etwa des besonderen
Schutzes von BerufsgeheimnisträgerInnen oder bestimmter Varianten der
Kommunikation zwischen Vertrauten gerecht werden sollen.
III. Rechtsgrundlagen für neue Überwachungstechnologien
1. Videoüberwachung von öffentlichen Plätze, Arrestzellen und
polizeilichen Kontrollen
( § 8 Abs. 3-6 PolDVG)
Es soll nun möglich sein, öffentliche Plätze per Video zu überwachen,
wenn es sich dabei um Orte handelt, an denen es bereits wiederholt
(zweimal reicht aus) zu Straftaten gekommen ist. Dass die Entscheidung,
welche Orte für die Videoüberwachung ausgesucht werden nicht nach
kriminalpräventiven Erwägungen getroffen werden, zeigt sich schon daran,
dass bereits im vorhinein klargestellt wurde, dass ein Gebiet von der
Videoüberwachung ausgenommen sein wird: der Kiez.
Die ebenfalls neu eingeführte Videoüberwachung von Arrestzellen und
polizeilichen Kontrollsituationen zeigt explizit, dass das neue
Polizeigesetz in keiner Weise dem Schutz der Bürger Innen dienen soll.
Wäre eine Videoüberwachung bei jeder Kontroll- und Festnahmesituation
vorgeschrieben, würde dies ja vielleicht einen Schutz vor polizeilichen
Übergriffen bieten. So ist es aber gerade nicht. Die Polizeibeamten
können vielmehr in jeder Situation selbst entscheiden, ob und wie lange
sie die Kamera einschalten. So ist einer weiteren Willkür der Polizei
Tür und Tor geöffnet.
2. Automatisiertes Kfz-Kennzeichen-Lesesystem ( § 8 Abs. 6 PolDVG)
Mit der anlassfreien und lageunabhängigen Erfassung von Kfz-Kennzeichen
und deren Abgleich mit den Fahndungsdateien des polizeilichen
Informationssystems wird in das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung von Personen eingegriffen, von denen in ihrer großen
Mehrheit keine Gefahr ausgeht und die zudem in keinem Verdacht stehen,
Straftaten begangen zu haben. Die unterschiedliche Erfassung stellt
vielmehr alle VerkehrsteilnehmerInnen unter einen Generalverdacht, der
erst bei Nichtübereinstimmung mit den polizeilichen Fahndungsbeständen
entfällt. Die Möglichkeit, dass damit gesuchte Fahrzeuge leichter
ermittelt werden können, rechtfertigt dies nicht. Es ist zudem zu
befürchten, dass mit der Einführung dieses Fahndungsmittels eine
Infrastruktur geschaffen wird, die sich nicht auf den damit ursprünglich
verfolgten Zweck, gestohlene Fahrzeuge aufzuspüren, beschränkt. Vielmehr
besteht die Gefahr, dass weitere Begehrlichkeiten bis hin zur Erstellung
von Bewegungsprofilen über “auffällige Personen” geweckt werden und
ihnen - je nach aktueller Bedrohungssituation - entsprochen wird.
3. Distanz-Elektroimpulsgeräte ( § 18 Abs. 4 SOG)
Dabei handelt es sich um eine Waffe, die es ermöglicht, auf eine Distanz
von maximal 6,4 Metern “angreifende und aggressive Personen” in
kürzester Zeit, d.h. nach etwa 0,5 Sekunden, so außer Gefecht zu setzen,
dass sie zu keiner gezielten Aktion mehr fähig sind.
Die Wirkungsweise besteht darin, dass aus einer Kartusche mit Hilfe von
Druckluft zwei Projektile abgeschossen werden, die mit dünnen Leitungen
mit dem “Taser” verbunden bleiben. Über diese Drähte wird bei Kontakt
mit dem Menschen ein Elektroimpuls geleitet, der in Bruchteilen einer
Sekunde jegliche kontrollierbare Muskelreaktion der/des Getroffenen
ausschließt. So kann es beim unkontrollierten Hinfallen der/des
Getroffenen mangels Abstützfunktion der Arme und Hände in unglücklichen
Fällen auch zu schwerwiegenden Verletzungen kommen. Laut amtlicher
Begründung soll die neue Waffe deshalb zunächst nur in mindestens zwei
Beamte umfassenden Teams von besonders geschulten Spezialeinheiten
eingesetzt werden die auch einüben, dass der Kollege des Schützen
die/den Getroffenen möglichst auffängt oder deren/dessen Aufprall
mildert. Die einschränkenden Vorschriften über den Schusswaffengebrauch
gelten für den “Taser” nicht! Einer Ausweitung des Einsatzes ist somit
vom Gesetz her keine Grenze gesetzt.
4. Handy-Ortung, § 10b Abs. 3 Nummer 2 PolDVG
Die Handy-Ortung ist nicht zur Bekämpfung von Straftaten erlaubt,
sondern nur zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr für Leib,
Leben oder Freiheit einer Person. Aber auch das ist reine
Auslegungssache...
5. Telekommunikationsüberwachung (TKÜ)
Die ebenfalls geplante präventive Telekommunikationsüberwachung (TKÜ)
wurde, sicherlich zum Bedauern des ehemaligen Polizeipräsidenten und
jetzigen Innenministers Udo Nagel (CDU), bis auf Weiteres aus dem neuen
Gesetzespaket gestrichen. Grund hierfür ist eine bereits vor dem
Bundesverfassungsgericht anhängige Klage gegen die Bestimmungen der TKÜ
des Niedersächsischen Polizeigesetzes, die voraussichtlich positiv
beschieden, und damit die zu Rede stehenden Regelungen der TKÜ als
verfassungswidrig erklären wird. Das ist, in Anbetracht dessen, was das
neue Polizeigesetz insgesamt mit sich bringt, sicherlich kein wirklicher
Grund zum Aufatmen.
IV. Fazit
Das Hamburger Polizeigesetz, gerühmt als eines der schärfsten der BRD,
reiht sich ein in den gesellschaftlichen Umbau von oben: Hartz IV, um
die Armen noch ärmer zu machen, Stadtumstrukturierungsmaßnahmen, um
“unliebsamen Personen” aus den angesagten Viertel zu vertreiben und sie
an den Rand der Gesellschaft zu drängen, kriegerische Auslandseinsätze
zur Sicherung bundesdeutscher imperialer Interessen, verschärfte
Asylgesetzgebung, rassistische Sondergesetze und Abschiebelager zur
Abschottung Europas etc. Regt sich Protest und Widerstand gegen dieses
kapitalistische System von “Teile und Herrsche”, von Verarmung und
Entsolidarisierung, so soll gerade das neue repressive Polizeigesetz in
Hamburg Ruhe schaffen: Ruhe für die Herrschenden in ihren Villen,
Bankenvierteln und Chefetagen. Somit muss sich jeglicher Widerstand in
dieser Stadt auch gegen die zu erwartende Repression richten. Deswegen:
Schließt euch zusammen, damit der Ausnahmezustand nicht zum Normalfall
wird! Stören wir ihre Ruhe!
Quelle:
http://www.rote-hilfe.de/hamburg/content/hhknast.htm

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