- Prosciutto wo bist Du??????? - hoerby, 18.07.2005, 09:42
- Unter den Lebenden. - Prosciutto, 18.07.2005, 11:07
- Re: an Prosciutto - welthöchste Suizidrate - Baldur der Ketzer, 18.07.2005, 16:33
- Unter den Lebenden. - Prosciutto, 18.07.2005, 11:07
Re: an Prosciutto - welthöchste Suizidrate
-->Hallo, Prosciutto,
es gibt etliche Gründe, wieso man besser das Handtuch schmeißt. Eine schlimme Krankheit im Endstadium an der Schwelle zur Hilflosigkeit etwa. Da in der Schweiz Sterbehilfe relativ großzügig erlaubt ist (EXIT u.a.), und auch der Zugang zu Schußwaffen für Einheimische recht freizügig ist, stelle ich mir diese als die Hauptgründe dazu vor - andernorts müssen die Leute halt abwarten, bis der Rochus sich erbarmt.
*Nur* aus Sorgen oder momentaner Perspektivlosigkeit sein Leben zu beenden, wird von der Mehrheit kaum verstanden werden. Denn als Mitteleuropäer oder sogar Schweizer wird man von 95% der restlichen Weltbevölkerung beneidet, die würde sofort mit uns tauschen.
Das hilft aber dem Betreffenden nicht, der im Loch hockt und nicht mehr rauskommt. Denn der sieht es ja aus einem anderen Blickwinkel, und es ist seine Haut.
Der lockere Spruch, Selbstmord sei sinnlos, weil man ja gleich wieder da wäre, ist ziemlich hintergründig.
Denn wenn man von der Weiterexistenz des Bewußtseins ausgeht, und sich die Mühe macht, mal rüberzuhören, und wenn man diese Möglichkeit für immerhin diskutabel hält, wird man hören, daß man nötige Erfahrungen (die wir angeblich machen müssen) besser hier auf Erden durchstehen, als sie drüben nachzuempfinden, das wäre schwieriger und unangenehmer und langwieriger.
Man kann das so oder so sehen.
Ich hatte auch ein paar Verwandte mit Schicksalen, bei denen man sich wundern muß, wie sie es nur im Leben aushielten. Einige verzweifelten daran und wurden mürrisch, versteinert und verdrossen. Andere wurden völlig neue Menschen und überwanden alle Hammerschläge.
Ich fürchte, daß - wenn es eine gnadenlose, rücksichtslose, rüpelhafte Vorsehung oder Natur gibt - diese genauso bleibt, wenn wir schlau gedacht haben, uns davon stehlen zu können. Dann werden wir uns wieder in ähnlicher Lage vorfinden, aber vielleicht in einer schlechteren Position als Jetzt.
Wenn Du Gesundheitsprobleme hast, kann ich Deine Depression nachfühlen. Alle anderen Sorgen und Lästigkeiten treten weit zurück, wenn man plötzlich ein Gesundheitsproblem hat. Das, was einem unüberwindlich schien, ist dann gar kein Thema mehr, es wird vom Elementaren verdeckt.
Und deswegen ist es ganz gut, in depressiven Zeiten mal in ein Hospital zu gehen, und sich umzusehen. Das relativiert dann die eigene Situation fast immer und macht einen wieder dankbar und zufrieden, selbst, wenn man eine halbe Stunde vorher noch furchtbar unten war.
Nach dem (Un-)Sinn des Lebens haben die Menschen aller Völker schon seit Jahrtausenden gesucht, wir sind damit nicht die ersten.
Im Vergleich zu diesen, geht es uns heute prächtig, wir haben Wissen, wir können Hilfe finden, so gesehen haben wir den besten unter den Jokern gezogen, aber daß dieser Planet nicht paradiesisch ist, wissen auch alle. Er ist grausam, unerbittlich, manchmal teuflisch.
Und dann kommt es darauf an, was wir aus dieser vorgefundenen Situation machen. Jedes Bißchen an Hilfe für uns und andere bekommt seinen Sinn, unter diesen Umständen.
Materielle Dinge treten in den Hintergrund, wenn Du Dir vergegenwärtigst, wie es wäre, übermorgen abtreten zu müssen. Das Saldo Deines Lebens, die Erinnerungen, wären kaum Luxusartikel, sondern Erlebnisse und Erinnerungen mit/an Menschen, die wir getroffen haben. Die machen das Leben aus.
Das, was wir mitnehmen können, auch.
Und damit sind wir beim Sinn des Lebens: wenn bei unserer Beisetzung alle sagen, das war ein feiner Kerl, er bleibt liebevoll in unserer Erinnerung, haben wir das Beste aus uns gemacht.
Diese Erinnerungen können auch rein persönlicher Art sein, es muß nicht gleich ein Albert Schweizer oder ein Prof. Sauerbruch sein.
Es ist fies, daß wir den Lebensplan nicht kennen, sofern es einen gibt. Auch daran haben sich schon viele den Kopf zerbrochen.
An Tagen, an denen wir Niederlagen einstecken müssen oder Schmerz empfinden, werden wir das System hassen und verfluchen. Aber wir ändern es dadurch ja nicht, wir müssen durch. Steigen wir aus, gehen wir über Neuanfang zum Start, und müssen uns nochmal hochbuckeln, wo wir heute schon sind.
Solche Stimmungen haben wir alle mal, egal, welchen Alters.
Dauern sie zu lange, sollte man keine Scheu haben, sich mal Hilfe zu holen, dafür ist sie ja da. Hilfe anderen gegenüber - siehe oben.
Und wenn man sich nur mal mit anderen aussprechen kann und merkt, daß man mit seinen Gefühlen nicht der einzige ist, ist auch schon die halbe Miete gewonnen.
Zum Schluß ein Fazit: nimm das Leben nicht so ernst, es dauert auch so schon nicht allzu lange. Nimm das Beste daraus mit, und versuche, das Nachteilige zu minimieren. Lerne die Qualität des gegenwärtigen Augenblicks schätzen.
Beste Grüße vom Baldur

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