- Wird es ernst?? - hoerby, 21.07.2005, 21:25
- Re: Wird es ernst??Inhaltlich voll korrekt! - Frank, 21.07.2005, 21:40
- Wer aus dem EWS nichts gelernt hat... - Diogenes, 21.07.2005, 22:51
- Re: Wer ist german-foreign-policy.com? - R.Deutsch, 22.07.2005, 08:52
Wird es ernst??
-->Die stärkste Bank und der Verfall des Euro
http://www.german-foreign-policy.com/de/news/art/2005/54836.php
Das Berliner Finanzministerium dementiert Berichte über die Rückkehr zur D-Mark und Auflösungserscheinungen in der bisherigen Euro-Zone. Anlass sind Empfehlungen mehrerer Kreditinstitute, wonach die wirtschaftlichen Spannungen zwischen den Mitgliedsstaaten des Europäischen Währungsverbundes durch Neueinführung nationaler Zahlungsmittel ausgeglichen werden könnten. Szenarien über den Ausstieg aus dem Euro hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages bereits im April entworfen. Im Juni forderte der italienische Minister für Arbeit und Soziales ein Referendum über die Rückkehr zur Lira, um durch eigene Zinspolitik dem Staatsbankrott zu entgehen. Auch der deutsche Wirtschaftsminister Clement beklagt die einheitliche Zinssetzung im Eurosystem, die zu einer allgemeinen Lähmung führe. In einer französischen Analyse, die dieser Redaktion vorliegt, wird die Wiedereinführung nationaler Währungen bei Beibehaltung eines gewandelten Euro empfohlen. Mehrere deutsche Händler bieten ihre Waren bereits jetzt in doppelter Auspreisung an. Die anhaltenden Diskussionen über die Auflösung der bisherigen Euro-Zone führen zu einem deutlichen Verfall des Wechselwerts.
Am Dienstag fiel der Euro auf einen Referenzkurs von unter 1,20 US-Dollar, was an den Devisenmärkten als beunruhigend angesehen wurde. Daraufhin ließ die Europäische Zentralbank (EZB) den Wechselwert am gestrigen Mittwoch leicht erhöhen und fing die Verluste kurzfristig auf - eine psychologische Operation, sagen Frankfurter Händler, die gegenüber german-foreign-policy.com auf die fortgesetzte Talfahrt des Euro verweisen.
Blockiert
Die Währungsschwäche bildet krisenhafte Entwicklungen in mehreren Staaten der Euro-Zone ab, die unter Einnahmeschwund, wachsenden Schulden und anhaltender Erdrosselung des privaten Konsums leiden. Ursächlich sind Disparitäten im Produktionssektor, dessen Lieferpotential nicht voll ausgeschöpft werden kann. Von den Folgen (u.a. Arbeitslosigkeit und Senkung der Realeinkommen) besonders betroffen sind Deutschland, die Niederlande, Italien, Griechenland, Portugal. Bedienten sich diese Länder vormals nationaler Währungsstrategien, erhöhten oder senkten die Zinsen und druckten mehr Geld, so unterliegen sie heute den monetären Zielen der EZB. Das Frankfurter Institut hat sich einer Inflationsmarge von höchstens 2 Prozent verschrieben und blockiert damit jede Kompensation der Krise.
Aggressiv
Auf die irritierenden Konsequenzen dieser Poltik wies die Londoner HSBC, die zweitgrößte Bank des Kontinents, in einer am 5. Juli veröffentlichten Studie hin.1) Demnach ist ein Zusammenbruch der Währungsunion zu befürchten, wenn nicht Reformmaßnahmen ergriffen werden - in Italien durch Wiedereinführung der Lira. Auch andere Beobachter sind der Auffassung, dass Italien nur gewinnen könne, wenn es die Euro-Zone verlässt, eine Neue Lira einführt (NLI) und sie der Abwertung um etwa 20 Prozent aussetzt. Für diesen Fall sagt"GaveKal Research" eine unmittelbare Tilgung des römischen Haushaltsdefizits um etwa ein Drittel und den Rückgang der Arbeitslosigkeit auf 7 Prozent voraus.2) Der dabei zur Anwendung kommende Trick:"Die italienischen Verbindlichkeiten würden umgewandelt werden - von einer starken (Euro-)Währung, die das Land nicht kontrollieren kann, in eine schwache, die man beliebig nachdruckt". Auch Berlin wird dieser Weg empfohlen, es sei denn, die EZB entschiede sich für eine"aggressive Wachstumspolitik" durch Senkung der Zinsen gegen Null.
Überbewertet
Da ein solcher Richtungswechsel nicht in Sicht ist, zweifeln an der Aufrechterhaltung der Währungsunion inzwischen sowohl deutsche wie französische Ã-konomen. In einer (wirtschaftsliberalen) Ausarbeitung der Bonner Universität wird dem eventuellen Auseinanderbrechen der zentralisierten Geldpolitik ohne jedes Bedauern entgegen gesehen.3) Eine aktuelle französische Analyse, die dieser Redaktion vorliegt, weist auf wirtschaftliche Unvereinbarkeiten in der Eurozone hin, wie sie bei den jüngsten EU-Budgetverhandlungen in Brüssel Mitte Juni zu Tage traten.4) Die Autoren halten den Euro für chronisch überbewertet und deswegen außerstande, sich gegen die internationale Dollar-Konkurrenz durchzusetzen.
Vorgeschmack
Den aktuellen Überlegungen Pariser Regierungskreise, eine deutsch-französische Kernwährung durch Ausgliederung der EU-Bankrotteure zu etablieren, wird eine Absage erteilt. Allein die Rückkehr zu nationalen Geldprägungen verspreche ein Ende der wirtschaftlichen Dysfunktionen in der EU, heißt es in dem Zirkular. Um einen abrupten Abbruch des Euro-Umlaufs zu vermeiden, sollten die neu zu schaffenden Landeswährungen und die EZB-Schöpfung"koexistieren". Für den Fall der Beibehaltung des gegenwärtigen EZB-Systems warnen die Autoren vor sozialen Revolten. Einen Vorgeschmack habe die Abstimmung über den Verfassungsvertrag am 29. Mai in Frankreich gegeben.
Reserve
Geht es nach deutschen Wirtschaftswissenschaftlern aus Bremen, ist der Euro nicht durch Renationalisierung zu retten, sondern nur durch ein noch strengeres System supranationaler Geldpolitik.5) Die Analytiker bemängeln, dass die gegenwärtige EZB keine wirkliche Notenbank ist. Zwar steuert sie die Geldemission, aber überlässt die tatsächliche Herstellung den weiter bestehenden Nationalbanken. Deren Seriosität halten die Autoren im Falle eines Staatsbankrotts nicht für unbedingt gewährleistet und wollen den Euro einer einzigen Reservebank unterstellen - der deutschen"Bundesbank als stärkste(r) Bank im Eurosystem".

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