- Karl Polanyi und die Folgen - Popeye, 01.08.2005, 12:19
- Re: Markt-Hass - endlich haben wir's! - dottore, 01.08.2005, 17:30
- Re: Markt-Hass - endlich haben wir's!... doch wo bleibt der Rächer? - Uwe, 01.08.2005, 19:05
- Re:... doch wo bleibt der Rächer? Schraubt schon mal den Silencer auf (o.Text) - dottore, 01.08.2005, 19:18
- Re:... der Rächer? Schraubt schon mal den Silencer auf - Uwe, 01.08.2005, 19:32
- Re:... doch wo bleibt der Rächer? Schraubt schon mal den Silencer auf (o.Text) - dottore, 01.08.2005, 19:18
- Mehr Bilder - Zandow, 02.08.2005, 15:11
- Re: Markt-Hass - endlich haben wir's!... doch wo bleibt der Rächer? - Uwe, 01.08.2005, 19:05
- Re: Markt-Hass - endlich haben wir's! - dottore, 01.08.2005, 17:30
Re: Markt-Hass - endlich haben wir's!
-->Hi Popeye,
also die nächste battle royal. Nach Geld, Zins, Eigentum usw. also jetzt die Märkte.
Das interessiert mich vor allem sehr. Ich war in aller Wolle gefärbter lupenreiner Marktwirtschaftler und über"meinen" Mises ließ ich wirklich nichts kommen. Alles"Ã-sterreichische" ist auf den ersten Blick auch so bestechend, dass man niederknieen musste.
Tja, tempi passati.
Von Leuten wie Polanyi hatte ich lange Zeit weder was gehört noch eine Ahnung. Seine"Transformation" flog noch 2001 sofort in die Ecke - als Zumutung für jeden"echten" Marktwirtschaftler. Dazu noch garniert mit dem Weinerlich-Linksaußen Stiglitz als Vorwort-Fuzzi! Das vorweg.
Inzwischen völlig neue Lage, jedenfalls für mich. Zur"Marktfeindlichkeit" darf ich gleich mal sagen: Das stimmt so nicht. Für mich sind"Märkte" und damit Marktwirtschaft ein Derivat von Abgaben- und Zwangssystemen.
Marktsysteme gingen nicht etwa Abgabensystemen voraus, das waren vielmehr Subsistenzsysteme, wie bis heute noch in Stammesgesellschaften zu beobachten, die nirgends von sich aus Märkte entwickelt haben. Dass sie heute mit dem bekannten "Cargo" (nochmals der schöne Eingangsdialog zu Guns, Germs, and Steel) operieren (Walkman im Ohr und TV in der Hütt'n) ist kein Ergebnis ihres autochthonen Treibens, sondern jener Strkturen, die sich bereits anderswo auf Erden ex Abgabenwirtschaft, ergo ex Kapitalismus, ergo ex"Privat"-Eigentum, Geld, Zins usw. entwickelt hatten.
Der Markt, dein kleiner Freund & Helfer, um sich in der pöhsen Welt der Macht besser behaupten (= leichter an GZ/STZM kommen) zu können. Der Markt ist eine Enklave (auf Wunsch auch gern Exklave) im Macht-Areal. Weshalb Märkte nie im Machtzentrum liegen (oder dort entstanden sind - auf dem Burghof unterm Bellfried gab's nichts zu handeln oder zu ver-handeln, dort wurde ge-horcht und abgelegt), sondern außerhalb (Forum = Markt von foris = draußen).
Deshalb war dies hier:
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auch kein"Handelszentrum", sondern ein Stronghold der Macht (man beachte die schönen sog."Stallungen"), die nicht etwa auf Handels- und Gewerbefleiß basierte, deren"Erträge" dann den Gesamtkomplex finanzierten (oder waren es gar doch freiwillige Beiträge der Handelnden und Wandelnden?), sondern vom Umland per Zwangsabgaben nährte und die Umländer zum wackeren Mauer- usw. -Bau anhielt.
Wie dort also haben wir es querbeet nach Osten, Süden, Norden, Westen zu betrachten - von Uruk ("L'explosion urbaine" 4000-3000 BC, schön in Michaels Roafs Atlas dargestellt) bis Theben, von Hatussa bis zu den akropoleis (akro!) der Griechen und dem Kapitol in Rom, das auch nicht gerade"um einen Markt herum", sondern fortissimo auf dem bekannten Hügel liegt.
Nun steht davon nichts bei Polanyi und auch der ihm geistesverwandte Moses Finley hat dazu nichts beizutragen, wiewohl der durchaus breite Schneisen schlug und ein Besprecher seiner"Ancient Economy" jubelt:
"A splendid contribution to the economic history of classical antiquity. It compels the reader to recognize the depth of the transformation [ah, Polanyi, hör dir trapsen] from the ancient consumer economy based on slave and serf labor to the modern capitalist, investment, production, profit economy."
Aber angeblich soll's ja umgekehrt gelaufen sein: Zuerst sei der Markt gekommen, auf dem sich das per"Investment" allenthalben"Produzierte" dann von"Kapitalisten" in"Profit" verwandeln ließ. Und dann -"irgendwie" - als schlimmes Beiprodukt: der Knecht, der Sklave und damit all die anderen Erscheinungen, die den fromm in seiner Studierstube hockenden Historiker immer wieder zum Erstaunen bringen. Wie ist der Mensch bloß jemals auf die Idee gekommen, andere zu zwingen - statt sich mit ihnen von Anbeginn bis heute friedlich-schiedlich aus-zu-tauschen, auf"Märkten" halt?
Doch weiter:
>Auch @dottore scheint diesem - eher marktfeindlichen Ansatz - prinzipielle Gültigkeit zuzumessen.
> z. B. hier.
Nicht"prinzipielle" Gültigkeit, sondern geltend ex principio, also,"womit" es halt begann - das Wirtschaften (nicht Produzieren). Das träfe besser.
>Was hier vor allem interessiert ist die Sicht Polanyis, dass Märkte in den „ancient economies“ (etwa bis 600 BC - dann erst in Griechenland) keine, oder keine große Rolle gespielt haben können, weil der Güteraustausch durch Prinzipien der Reziprozität und Redistribution dominiert wurden - Zitat:
>„What is to be done, though, when it appears that some economies have operated on altogether different principles, showing a widespread use of money, and far-flung trading activities, yet no evidence of markets or gain made on buying or selling? It is then that we must re-examine our notions of the economy. (Polanyi, 1957, xvii).
Ein Punktschuss. Die Frage in der Tat: Warum gibt's Geld und Handel? Handel, um an dieses"Geld" zu kommen, da man es doch leider schuldig ist; wer käme sonst auf die Idee, bepackt mit irgendwelchen Sachen loszuziehen, statt daheim in gemütlicher Runde zu hocken und ein Schwätzchen zu machen?
Ich stelle mir gerade vor, was in den von mir jüngst - nicht ohne kugelsicheres Wams - beehrten Sikilo-Städtchen Corleone und Prizzi, wo so ziemlich jeder mit jedem tagsüber schwatzt und plaudert und die Zeit still steht, geschehen würde, kämen dunkle Limousinen vorgefahren, und die Aussteigenden (alles schwarz, Brillenfassung inklusive) würden kundtun:"Amici carissimi - am nächsten Ersten sind wir wieder bei euch! Macht bis dahin 10 Millionen Euro locker! Und vergesst die Polizei... Grazie!"
WAS würden die höchst ehrenwerten Corleone- und Prizzianer tun? Weiter schwatzen?
>Es ist vor allem diese marktfeindliche und marktferne Sicht Polanyis, die in der jüngeren Literatur vermehrten Angriffen ausgesetzt ist - wobei interessant ist, dass Polanyis Frau seine marktfeindliche Sicht wie folgt kommentiert:
>„'It is given to the best among men somewhere to let down the roots of a sacred hate in the course of their lives. This happened to Polanyi in England. At later stages, in the United States it merely grew in intensity. His hatred was directed against market society and its effects, which divested man of his human shape.”(Polanyi - posthum in: The Livelihood of Man, 1977, xvi).
Ein treffliches argumentum ad hominem - noch dazu über Bande! Und der arme P. (posthum!) konnte sich noch nicht mal wehren.
"Markt-Hass" - das ist es wirklich. Aber vielleicht hat ihn seine verehrte Gattin zu oft zum Einkaufen in den Super-"Markt" geschickt und der arme Tölpel wurde anschließend immer ausgemeckert, weil er (geht doch allen Männern so) genau das Falsche mitgebracht hatte und von dem Richtigen immer nur die Hälfte oder gleich das Zehnfache des Bestellten?
Aber es wird ihm ein Rächer einst erwachsen...
>Eigentlich sollte nun ein längerer Scan aus: Moris Silver, Economic Structures of Antiquity, London 1995, aus Kapitel 5: The Existence of Markets, Seite 97 -152, folgen, aber das ist schlicht zu lang.
>Wer Interesse an dieser kritischen Auseinandersetzung Silvers mit den 7 Kernthesen von Polanyi zu „ancient markets“ hat, möge sich bitte bei mir unter KUB.Popeye@gmx.de melden dann erhält er/sie den Scan (nicht redigiert) per eMail zugeschickt.
Darum darf sehr herzlich gebeten werden. Morris Silver ist ein so begnadeter Market-Maker, dass er nicht ungeprüft entkommen darf.
In Vorfreude + mit bestem Gruß!

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