- Der Zinszauberer II + III: Der Populist + The Magic Trap - Frank, 02.08.2005, 10:04
Der Zinszauberer II + III: Der Populist + The Magic Trap
-->Das Creutz-Syndrom, Teil 2: Der Populist
Hinweis: Populismus = Literaturbewegung, die den Klassenkampfgedanken vertritt
Das Zinszauberstück ist zwar das gefährlichste, aber längst nicht das einzigste Täuschungsmanöver des Meisters. Die Liste seiner großen und kleinen Zaubernummern ist lang. Immer wieder gern gesehen wird zum Beispiel die Serie „BuBa-Daten frisieren - leicht gemacht“. Beispielsweise EXPONENTIELLES WACHSTUM lässt sich zwar schön in der Theorie zeigen (Josephspfennig), ist aber in der Praxis oft nicht so ausgeprägt, wie nach der Theorie zu erwarten. In dem Zusammenhang wurde ein hier eingestelltes Diagramm „Geldvermögen und Sozialprodukt, Entwicklungsvergleich 1950-2000“ (Quelle: Bundesbank, H. Creutz Nr. 110) von Paul C. Martin als „unsägliche Grafik“ bezeichnet und angeboten, mitzuteilen, was die angebliche „Quelle“ (Bundesbank) dazu gesagt hat. Atemberaubend auch der Schocker „Vom Zins zum Dritten Weltkrieg“. Hübsch wiederum die Nummer „Halbe Antwort“, wo auf meine Frage nach den Aufgaben der Banken die Tatsache verschwiegen wurde, dass 40 % der Einlagen von anderen Banken stammen - ein Schelm, der Böses dabei denkt. Eine mitreißende Lachnummer ist dann die Behauptung, „saldierte Restgrößen“, also etwa die Differenz aus den
Zinserträgen von 24 Mrd. Euro
und den
Zinsaufwendungen von 55,5 Mrd. Euro
der inländischen Unternehmen in 2001 von
55,5 Mrd. - 24 Mrd. = 31,5 Mrd.
taugten nicht für finanztechnische Untersuchungen. (Zinserträge sollen gefälligst mit Zinseinnahmen ADDIERT werden, damit eine ordentliche LAST entsteht, hier dann fast 70 Mrd.) Spannung verspricht dann wieder die Krimi-Rätselfolge „Eigene Ermittlungen“. Besonders eindrucksvoll jedoch ist folgende Vorführung:
„Statistiker aufs Creutz gelegt - reich macht arm“
Dabei bewegt sich der Meister mit viel Dynamik am Rande der Legalität - prickelnd! In der fünften Auflage des Zauberbuchs „Das Geld-Syndrom“ startet die Nummer auf Seite 395 mit der Frage
„Wie kommt es zu den Wechselbeziehungen zwischen Arm und Reich?“
Als Basis für die Antwort definiert der Meister sodann die Hälfte des Durchschnittseinkommens (70.000 DM pro Jahr) als ARMUTSGRENZE und das Doppelte als REICHTUMSGRENZE. Diese Grenzen betragen also 35.000 und 140.000 DM.
Dann stellt er fest, dass die über dem Durchschnitt liegenden Einkommensanteile in der Bevölkerung immer so groß sein müssen wie die unteren. Das ist auch völlig logisch: Wir stellen uns die Bevölkerung als nur zwei Menschen vor, der eine verdient 100.000, der andere 40.000. Das Durchschnittseinkommen ist dann
(100.000+40.000)/2 = 70.000.
Der eine verdient
100.00-70.000 = 30.000
über, der andere
70.000-40.000 = 30.000
unter dem Durchschnitt - rein mathematisch geht es nicht anders.
Nach diesem eher langweiligen Teil kommt nun der eigentliche Showeffekt. Eine Grafik der Verteilung der verfügbaren Einkommen (Quelle: Eigene Ermittlungen) mit einer rasant nach oben weisenden Kurve fasziniert zunächst das Auge, dann ertönt die Stimme des mathematischen Magiers: „Und je mehr auf der rechten Seite die Einkommen in die Höhe schießen, umso eher fallen auf der linken Seite Einkommen unter die Armutsgrenze. Zunehmende Armut in einem Land ist also immer ein Zeichen überproportional wachsenden Reichtums!“
Das sitzt! Reich macht arm, irgendwie hat das Publikum das ja schon immer gewusst, nun hat es der Meister eindrucksvoll BEWIESEN.
Seine Schlussfolgerung: Der hohe Armutsanteil in Portugal oder Großbritannien „beweist nur, dass der Wohlstand einer extremeren Verteilung unterliegt, die Diskrepanzen zwischen Arm und Reich also größer sind als in den Ländern mit geringeren Armutsquoten. Eine Anhebung der Wirtschaftsleistung würde in den betroffenen Ländern nur dann zu einem Abbau der Armutsquote führen, wenn die Reicheren ihre Ansprüche an den Zuwachs des Sozialprodukts reduzieren würden.“
Dass dies nun sehr starker Tobak ist, fiel mir bereits auf, als ich vor einiger Zeit noch selbst mit im Publikum saß. Komisch, dass es sonst keiner bemerkt hat.
Wir betrachten wieder unsere Zwei-Personen-Gesellschaft! Der besser Verdienende hat sich beruflich qualifiziert und verdient dadurch 120.000. Damit steigt das Durchschnittseinkommen auf (120.000+40.000)/2 = 80.000. Die Armutsgrenze liegt nun bei 40.000 - und der weniger Verdienende statt früher um 30.000 nun um 40.000 darunter. Nach der Sichtweise von Creutz hat ihn der besser Verdienende durch seine berufliche Qualifikation um 10.000 weiter unter die Armutsgrenze gestoßen. Zwar merkt der weniger Verdienende davon nichts, denn für ihn hat sich absolut gesehen überhaupt nichts geändert, aber wenn man ihm das erklärt, dass er durch den besser Verdienenden nun „um 10.000 ärmer“ geworden ist, dann könnte er doch wenigstens ein bisschen Hass entwickeln auf diesen reichen Pinkel dort oben, oder?
Auch hier ist der Trick ganz plump. Während die Statistiker eine Armutsgrenze immer STATISCH (als festen Einkommenswert) definieren, zieht der Meister eine eigens selbst gebastelte Armutsgrenze aus dem Zauberhut, welche DYNAMISCH ist, weil sie dem Durchschnittseinkommen folgt. Das bringt den gewünschten Effekt.
Und den könnte man dann als populistische Demagogie ansehen. Hierzu passt der folgende Ausfluss aus dem düsteren Pamphlet „Die Schatten des Zinses sind nicht nur unmoralisch“:
„ALLE Zinsen fließen IMMER von der Arbeit zum Besitz. Mit jeder Zinszahlung erhalten also diejenigen noch mehr Geld, die bereits ZUVIEL hatten und es verleihen konnten. Umgekehrt fließt zusätzliche Kaufkraft bei jenen ab, denen bereits Geld FEHLTE und die es sich deshalb leihen MUSSTEN“
Zum Glück für ihn kann man auch hier wohl nicht von Böswilligkeit ausgehen, sondern höchstens von Vorsatz. Dass jedoch der Meister in seiner Schrift denjenigen Teil der Bevölkerung, der über der „Reichtumsgrenze“ liegt, verächtlich macht, lässt sich wohl kaum leugnen.
Wenden wir uns nun aber der aktuellen Nummer zu, für die der Meister schon fleißig geprobt hat! Diese finde ich besonders fies, weil sie DEN EIGENEN LEUTEN einen Erfolg versprechenden Weg in die Zukunft versperrt. Sie heißt
„The Magic Trap - die magische Falle“.
Vorhang auf!
Das Creutz-Syndrom, Teil 3: Der Hellseher
Wären die Freigeldfreunde nicht so sehr für die Kunststücke des Meisters, sondern für Tatsachen empfänglicher, hätten sie schon längst - und zwar MIT FREUDE - erkannt, dass durch die Ausgestaltung des modernen Geldes mit seinem sehr geringen Bargeldanteil (ca. 6 % beim Euro) Hortung in großem Stil überhaupt nicht mehr möglich ist und somit Zinsen nicht mehr wie in Zeiten von Gesell und Keynes erpresst werden können.
Zentralbankzinsen von NULL wie seit vielen Jahren in Japan, von 1 % wie noch vor kurzem in USA und von 2 % in Europa wären damals unmöglich gewesen - heute sind sie Realität. In Japan wie in USA sind die realen Notenbankzinsen sogar NEGATIV. Die Kapitalmarktzinsen sind entsprechend niedrig, deutlich unter 5 % in all den Ländern. Auf Girokonten gibt es selten überhaupt noch Zinsen.
Wie das? Ganz einfach: Das „Nicht-Bargeld“ (zum Großteil M1, vollständig M2 und M3) von ca. 94 % kann NUR AUF GESCHÄFTSBANKEN (in deren Computern) existieren und steht damit grundsätzlich zur Kreditvergabe bereit. Niemand kann dieses „Nicht-Bargeld“ in einer Matratze verschwinden lassen oder in der Garage lagern. Ob es zinsbringend verliehen wird und wie hoch der Zins dabei ist, bestimmt der Sparer längst nicht mehr mit. Er muss heute knallhart akzeptieren, was die Banken ihm an Zinsen bieten. Mit Bargeld zur Bank marschieren und dort 5 % verlangen mit dem Hinweis „sonst lasse ich mein Geld zu Hause“ funktioniert nicht mehr.
Und auch bei null Prozent auf dem Girokonto, das wegen seiner Gebühren und der Inflation nun eine negative Rendite bedeutet, besteht kein allgemeines Bedürfnis, Bargeld zu Hause zu lagern. Auch ohne Verzinsung wird das Geld lieber auf der Bank gelassen, weil man es dort sicherer wähnt. Der Kunde ist also bereit, einen kleinen Bonus (NEGATIVEN ZINS) dafür zu zahlen, dass die Bank sein Geld bewacht.
Mini-Editby TUX und EvaEinfach draufklicken,um HTML-TAGseinzufügen(Hinweise) weitere HTML-TAGshier einen Link eingeben (optional):Titel des Links (sofern URL angegeben):URL einer Grafik: Persönliche Eingaben als Cookie speichernDie Freiwirte beklagen sich oft darüber, man würde sie in der Politik nicht wahrnehmen. Das stimmt nicht ganz: Die Idee vom Schwundgeld und der damit verbundene „Ankurbelungseffekt“ sind den Zentralbankern gut bekannt. Wörgl hat ja gezeigt, dass es funktioniert, obwohl es sich hier nicht um echtes Schwundgeld, sondern um besteuertes Geld/Tauschmittel handelte. Es „schwand“ (verdarb) kein Geld?/Tauschmittelanteil, sondern dieser Anteil „entschwand“ nur in die öffentliche Kasse des Bürgermeisters. Und nun kommt es: In den besonders krisenhaften Jahren 2002/2003 haben sowohl die Zentralbank in USA als auch Japan ernsthafte Überlegungen angestellt, Giralgeld zur Ankurbelung der Wirtschaft zu besteuern. Obwohl die Presse berichtete, griffen die Freigeldleute diese völlig neue Entwicklung kaum auf. Dabei war es doch eine kleine SENSATION. Nicht nur dauerhaft niedrige Zinsen waren im Kapitalismus möglich, sondern auch die Installation einer Art Soft-Schwundgeld im Bankenbereich wurde ernsthaft erwogen!
Damit zeigte sich: Mit unserem heutigen, mit „elektronischem“ Geld ausgestatteten Geldsystem sind sehr niedrige Zinsen grundsätzlich möglich bzw. ist sogar die Realisierung eines negativen NOMINAL-Zinses sehr wahrscheinlich möglich. Somit ist dieses System potenziell in der Lage, sich einem wesentlichen Ziel der Freiwirte zumindest zu nähern.
Hinzu kommt folgende ERFREULICHE Tatsache: Ebenso wie der Zinseszinseffekt selbst wird auch der Effekt einer Zinssenkung auf das Kapitalwachstum vom Gefühl her unterschätzt. Wir stellen uns zwei Anlagen vor, eine mit 8 %, eine mit 4 % verzinst. In zehn Jahren hat die erste 116 % Zinsrendite gebracht, die zweite jedoch nur 48 %. Obwohl der Zinssatz genau halbiert wurde, bringt die zweite deutlich weniger als die halbe Rendite der ersten. Bei den Realzinsen, auf die es letztlich ankommt, sieht das sogar noch viel besser aus: Wird die Inflationsrate (aktuell 2 % in Deutschland) berücksichtigt, dann dürfen wir mit 6 % bzw. 2 % rechnen, und das bringt uns 79 % bzw. 22 % effektiven Zinsgewinn. Die Zinssenkung um die HÄLFTE hat also den realen Zinsgewinn rund auf ein VIERTEL gesenkt. Und je mehr Zeit vergeht, umso größer wird diese Diskrepanz noch.
Doch die berechtigte Hinterfragung der alten Ziele auf Grund der neuen Situation kam für den großen Meister nicht in Betracht. Daher betreibt er hartnäckig - etwa in einer zweiteiligen Untersuchung über Bargeld in (r)evolution - die Aufrechterhaltung der Illusion, durch Androhung von Hortung könnten auch heute noch die Zinsen hoch gehalten werden.
In den Zeiten der Vordenker war das möglich und ist oft unter dem Begriff LIQUIDITÄTSFALLE beschrieben worden. (Formulierungen wie „Geldstreik“ oder „Verknappung“ gehören dazu und meinen Hortung zwecks Erpressung hoher Zinsen.)
Doch dieses Instrument liegt längst auf dem Müllhaufen der Geldgeschichte!
Aber das darf nicht sein. Darum hat der Meister auf der Bühne immer diese geheimnisvolle Kiste dabei mit der Aufschrift „The Magic Trap“. Da soll die gefährliche Falle drin sein. Ist sie aber nicht. Was also tun? Manipulieren!
Um das Publikum zu überzeugen, die Liquiditätsfalle könne zu jeder Zeit herausgeholt werden, wendet der Meister neben der üblichen Taktik „Beeindrucken durch den Anschein von Wissenschaftlichkeit“ weitere Tricks an. Hier nur drei Beispiele:
Einwand 7 gegen eine Geldreform (s. HW 4/2003):
„Heute hortet doch niemand mehr Geld, und wenn, so ist das kein Problem mehr.“
Antwort Creutz: „Mit ziemlicher Regelmäßigkeit erscheinen in der Presse Berichte über Verstorbene, die unter Matratzen oder sonst erkleckliche Geldsummen versteckt hatten. Noch größere Summen werden immer wieder bei Einbrüchen aus Wohnungen gestohlen und Millionenbeträge beim Ausräumen privater Bankschließfächer erbeutet.“
Der Trick: Ein schönes Schauermärchen hat noch immer den Verstand benebelt.
Kommentar: Diese Berichte soll er mal vorweisen, dann die Summen addieren, zur Sicherheit VERHUNDERTFACHEN und mit M0 vergleichen. Der Anteil wird weniger als winzig sein, also ohne jeden Effekt.
Und weiter Creutz: „Auch wenn es darüber keine genauen Zahlen gibt: Die Höhe der dem Wirtschaftskreislauf entzogenen Geldsumme ist beträchtlich.“
Der Trick: „Die reine, einfache Behauptung ohne Begründung und jeden Beweis ist ein sicheres Mittel, um der Massenseele eine Idee einzuflößen.“ (Le Bon, Psychologie der Massen, S. 88)
Kommentar: Nun wissen wir es: Unser Magier ist auch noch HELLSEHER.
Aber mit dem kleinen Gebiet von 6 % gibt er sich nicht ab. Da könnte vielleicht doch mal eine unangenehme Frage kommen. Deshalb setzt der Meister zum halsbrecherischen Hochseilakt an. Die Teilnummer heißt
„Ein Loch im Ganzen“
und läuft sehr schnell ab, damit der Trick nicht erkannt wird:
„In welchem Umfang sich heute Geld dem Angebot am Kapitalmarkt entzieht, lassen die weltweit vagabundierenden und ständig noch eskalierenden Spekulationsmilliarden erahnen.“ (in: Die Schatten des Zinses...)
Der Trick: Niemand im Publikum ist Spekulant - mit „Spekulationsmilliarden“ kennt sich somit keiner aus, das Ganze wird also geglaubt. Pech gehabt, Meisterchen, hier ist jemand, der in etwa weiß, wie es an den internationalen Finanzmärkten zugeht. Nämlich genauso wie im Tante-Emma-Laden: Willst du ein Stück Butter, dann wandert das Stück Butter vom Regal in deine Tasche, und deine Euros wandern von deinem Portmonee in meine Kasse. Genauso ist es mit einem Spekulationsobjekt, wie einer Aktie: Willst Du meine Aktie, dann wandert meine Aktie von meinem Depot in deins, und dein Geld wandert (als digitaler Datensatz auf einer der bankenverbindenden Platforms) von deinem Konto auf meines. DORT STEHT ES GENAUSO FÜR VERLEIHVORGÄNGE ZUR VERFÜGUNG WIE AUF MEINEM KONTO. Verallgemeinert: Der Grad der Spekulation hat NULL EINFLUSS auf das Geldangebot am Kapitalmarkt, denn durch Aktien-, Devisen-, Rohstoff- und sonstige Spekulation wird die grundsätzliche Möglichkeit der Verleihung von M1, M2 und M3 überhaupt nicht beeinträchtigt.
Kommentar: überflüssig
Das eben zeichnet einen guten Führer aus: Wie groß der Unsinn auch ist, den er den Geführten einredet, es wird einfach geglaubt.

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