- Japanischer Staatsbankrott. Gestern in der Süddeutschen. - BossCube, 20.12.2000, 22:56
- Re: Japanischer Staatsbankrott. der HAMMER! Danke, danke, danke!!!!! owT mfg - Baldur der Ketzer, 20.12.2000, 23:02
- Re: Japanischer Staatsbankrott. der HAMMER! Danke, danke, danke!!!!! owT mfg - Harald, 21.12.2000, 08:22
- Re: Japanischer Staatsbankrott. der HAMMER! Danke, danke, danke!!!!! owT mfg - Baldur der Ketzer, 20.12.2000, 23:02
Japanischer Staatsbankrott. Gestern in der Süddeutschen.
Ohne Reformen droht in Tokio der Staatsbankrott
Japans Schulden gefährden die Weltwirtschaft
Bricht der Anleihenmarkt 2005 zusammen? / Zeitbomben in der öffentlichen
Vermögensrechnung / Ausweg Inflationspolitik
Von André Kunz
Im Jahre 2005, so hat David L. Asher, Ã-konom und Japanexperte am Massachusetts Institute of
Technology ausgerechnet, könnte die Weltwirtschaft ein Schreckensszenario erleben. Japans
Staatsbankrott. Dann nämlich werden die öffentlichen Schulden der zweitgrößten Industrienation rund
200 Prozent des Bruttoinlandproduktes ausmachen. 70 Prozent der jährlichen Steuereinnahmen
flössen in den Schuldendienst. Der Markt für japanische Regierungsanleihen bräche zusammen, die
langfristigen Zinsen stiegen und der Ruf nach Kontrolle der Kapitalströme würde laut. Japan müsste
auf Druck der G8 vom Internationalen Währungsfond (IMF) verordnete drakonische
Haushaltskürzungen einleiten und öffentliches Vermögen im Schnellverfahren versteigern.
Dieses Szenario - heute von japanischen Finanzbürokraten als launische Phantasie abgetan - ist näher
als es viele Ã-konomen und Politiker in Tokio wahrhaben wollen. Denn Japans Schuldenspirale wächst
dreht sich immer schneller. Verantwortlich für die gigantische Verschuldung sind in erster Linie die
Politiker der regierenden Liberal-Demokratischen Partei, die seit 1993 mehr als 1000 Milliarden DM in
die kränkelnde Konjunktur gepumpt haben.
Das wäre kein Problem, wenn die Milliarden nur den Aufschwung gebracht hätten. Doch im
Gegenteil, Japans Wirtschaft fährt im Kriechgang weiter und wird dieses Jahr nicht mehr als 1,5
Prozent Wachstum erreichen. Für das laufende Quartal sagen Ã-konomen bereits wieder ein
Negativwachstum voraus, das schon im März in eine ausgewachsene Rezession münden könnte.
Die Krise ist anders
Vielleicht wäre die Weltgemeinschaft gut beraten, vorsorglich heute schon ein Notfallteam des
Internationalen Währungsfonds nach Tokio zu schicken. Dieses Team würde als erstes feststellen,
dass Japan nicht von derselben Krise bedroht ist, wie seine Nachbarn in Asien vor drei Jahren.
Thailand, Indonesien und Südkorea borgten unverantwortlich viele Dollar im Ausland, die japanische
Regierung dagegen hat das Geld von der eigenen Bevölkerung geborgt. Das heißt nicht, dass Japan
deswegen weniger gefährdet wäre.
Ein Blick auf die Entwicklung der öffentlichen Verschuldung reicht. In diesem Fiskaljahr werden
Japans Verbindlichkeiten einschließlich derer von lokalen Körperschaften auf 645 Billionen Yen (12
900 Milliarden DM) steigen. Das Bruttoinlandprodukt beträgt voraussichtlich etwa 500 Billionen Yen
(10 000 Milliarden DM). Damit wird die Verschuldung rund 130 Prozent des Bruttoinlandproduktes
ausmachen. Noch 1993 hatte Japan noch mit einem Budgetüberschuss von 3 Prozent abgeschlossen
und war mit rund 200 Billionen Yen verschuldet. Heute meldet Tokio ein Budgetdefizit von zehn
Prozent. Für den Schuldendienst braucht die Zentralregierung jetzt schon 65 Prozent der Einkünfte, die
übrig bleiben, wenn sie die Plichtbeiträge an die lokalen Körperschaften ausgezahlt hat. Selbst das
Finanzministerium gibt zu, dass Japan mit einem jährlichen Wirtschaftswachstum von 1,75 Prozent
keine Chance hat, je aus dieser Schuldenfalle herauszukommen.
Alptraum Zinserhöhung
Schlimmer sehen allerdings die Prognosen für die nächsten Jahre aus. Ohne drakonische Einschnitte
im Budget und neue Steuereinnahmen steigt die Verschuldung bis 2005 - das gibt sogar das
Finanzministerium zu - auf 180 Prozent des BIP; Ã-konomen aus der Privatindustrie rechnen sogar
durchwegs mit über 200 Prozent.
Solange die Zinsen auf dem heutigen tiefen Niveau verharren, wäre dies nicht unbedingt alarmierend.
Doch das werden sie nicht, und mit jedem Prozentpunkt, um den die langfristigen Zinsen steigen, wird
der jährliche Schuldendienst um rund 15,4 Milliarden Mark teurer. David L. Asher redet darum nicht
unbegründet von einem „finanziellen Vulkan im Ausmaß des Fuji“, der in Japan vor dem Ausbruch
steht. Dabei hat Asher nicht einmal Zahlen berücksichtigt, die erst seit Mitte Oktober bekannt sind.
Das Finanzministerium veröffentlichte erstmals eine staatliche Bilanz und kam zum Schluss, dass das
Inselreich bereits heute technisch bankrott ist.
Dabei ging das Ministerium von drei möglichen Berechnungen aus. Im besten Fall fehlen heute 133
Billionen Yen (2660 Milliarden DM) in der Staatskasse, wenn keine Pensionsverpflichtungen des
Staates eingerechnet werden. Im schlimmsten Fall fehlen schon 776 Billionen Yen (15 320 Milliarden
DM), einschließlich künftiger Pensionsverpflichtungen des Staates und der Arbeitgeber. Die dritte
Berechnung geht von einem Netto-Defizit von 270 Billionen Yen (5400 Milliarden DM) aus und
berücksichtigt nur die staatlichen Pensionsverpflichtungen. Zwar warnt Mamoru Yamazaki,
Chefökonom von Barclay Capital in Tokio vor schnellen Schlüssen bezüglich der Staatsbilanz, weil die
Berechnung von Pensionsverpflichtungen international sehr unterschiedlich gehandhabt werde.
Yamazaki zieht deshalb die Verschuldungsrate im Vergleich zum Bruttoinlandprodukt vor, und die sei
wirklich besorgniserregend.
Aufschlussreicher sind die offiziellen Zahlen über die Vermögenswerte der japanischen
Zentralregierung. Denn dort wird eine Grauzone beleuchtet, die Politiker und Finanzexperten in der G8
aufmerksam verfolgen sollten. Rund 40 Prozent der angegebenen staatlichen Vermögen sind nämlich
als Kredite an öffentliche Körperschaften und lokale Regierungen verbucht. Und diese Schuldner
haben ein Problem. Sie stehen entweder kurz vor dem Konkurs oder haben das Geld an klamme
Mittel- und Kleinunternehmen ausgeliehen. Hier ticke eine Zeitbombe, sagen kritische Ã-konomen;
höchstwahrscheinlich existierten die fraglichen Vermögen gar nicht mehr.
Vizefinanzminister Toshiro Muto versuchte die Ã-ffentlichkeit zu beruhigen: Ein Staat funktioniere
nicht wie ein Unternehmen und müsse keine Gewinne erwirtschaften. Außerdem habe der Staat ja die
Möglichkeit, so Muto, notfalls unter Zwang Geld von der Bevölkerung einzufordern - durch höhere
Steuern und Abgaben. Eine andere Möglichkeit läge auch darin, die Pensionen zu kürzen, was die
Regierung bereits in Kommissionen prüft. Und als letzter Ausweg bliebe immer noch eine künstlich
ausgelöste Inflation, um den Wert der Schulden zu senken.
Jede der drei Auswege würde aber bedeuten, dass die japanische Regierung höchst unpopuläre
Entscheidungen zu fällen hätte. Pläne für Steuer- und Abgabenerhöhungen werden derzeit von der
zentralen und lokalen Regierungen geprüft. Sicher käme im Notfall eine Erhöhung der Konsumsteuer
von fünf Prozent auf 15 bis 20 Prozent. Die Folgen für die Konjunktur wären allerdings verheerend.
Der ohnehin schleppende Konsum in der Bevölkerung würde definitiv abgewürgt. Darum ist es nicht
verwunderlich, dass die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)
von der japanischen Notenbank erstmals ein Inflationsziel fordert.
Konzerthallen und Straßen
Längerfristig betrachtet sind dies nur Notlösungen. Was Japan tatsächlich braucht, ist eine radikale
Abkehr von der bisherigen Fiskalpolitik, um den Staatsbankrott zu verhindern. David Asher vom MIT
schlägt gleichzeitig auch eine für das politische Establishment unter der Führung von Premier Yoshiro
Mori fast unvorstellbare Änderung vor. Asher betrachtet ein Moratorium für öffentliche Investitionen
über die nächsten fünf Jahre als unvermeidlich. Japan gibt derzeit 20 Prozent seines Haushalts,
dreimal mehr als Deutschland für Bauwerke wie Konzerthallen in 2000-Seelen-Dörfern und
Schnellstrassen in abgelegenen Küstengebieten aus. Ein solches Moratorium bedeutete zwar für die
Bauindustrie - 560 000 Baufirmen garantieren in Japan rund sechs Millionen oder zehn Prozent aller
Jobs -- ein Riesenschock, aber gemäß Asher würde damit mehr Kapital verfügbar für
Privatunternehmen um in die Wirtschaft zu investieren. Natürlich müsste Japan laut Asher das Defizit
aufrecht erhalten, aber statt Brücken und Straßen zu finanzieren, sollten Arbeitslosen besser
unterstützt und weitergebildet werden.
In einem zweiten Schritt müsste Tokio endlich die Steuern nach dem Gesetz einziehen. Rund 60
Prozent der japanischen Unternehmen bezahlen heute keine Steuern. Davon schreibt ein Viertel
Verluste, der Rest nutzt jede erdenkliche Gesetzeslücke zur Steuerflucht aus.
Solange diese seit Jahrzehnten dauernde Praxis in Tokio geduldet wird, sind verlässliche
Budgetberechnungen fast unmöglich.
Auf der Angebotsseite müsste die Regierung nach Asher eine zweijährige Steuerbefreiung für private
Hauskäufe einführen und die prohibitiv hohe Kapitalgewinnsteuer für Handänderungen bei
Landkäufen abschaffen. Damit könnte ein privater Bauboom ausgelöst und die zu erwartenden
Stellenverluste im Baugewerbe vermindert werden. Gleichzeitig müsste die Regierung die staatliche
Pensionsversicherung mit neuen Alternativen für die private Vorsorge entlasten. Die öffentlichen
Schulden müssten wohl oder übel - zum Leidwesen der japanischen Kleinsparer - in langfristige
Staatsanleihen mit Nullzinsen umgewandelt werden.
Ohne diese drakonischen Maßnahmen, die in Tokio eine starke politische Führung, wenn nicht eine
völlig veränderte, verlangen, wird die zweitgrößte Industrienation in den nächsten vier Jahren weiter
kränkeln und am Ende die Weltwirtschaft mit sich in den Abgrund reißen. Sollte Japan tatsächlich
Richtung Staatsbankrott steuern, dann wird er mit einer schnellen Abwertung des Yens beginnen, die
asiatischen Währungen mitreißen und eine globale Finanz- und Wirtschaftskrise auslösen, gegen die
die Mexiko- und Asienkrise als kleine Pannen in einer boomenden Weltwirtschaft betrachtet würden.
Das Notfallteam des IWF landet besser heute als morgen in Tokio.
So endet wohl diese Blase im totalen Fiasko.
J.
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