- @dottore - noch eine Frage zu"Macht" und"Recht", vgl. Max Weber - weissgarnix, 31.08.2005, 14:28
- Re: Nur der Staat kann in die Rolle des Schuldners (!) zwingen - dottore, 31.08.2005, 18:13
- danke. damit gehe ich jetzt erst mal in Klausur... RE: Nur der Staat kann..... (o.Text) - weissgarnix, 31.08.2005, 18:46
- Re: Nur der Staat kann in die Rolle des Schuldners (!) zwingen - dottore, 31.08.2005, 18:13
@dottore - noch eine Frage zu"Macht" und"Recht", vgl. Max Weber
-->Hallo dottore,
seit Lektüre Deines Aufsatzes verbringe ich wieder eine Menge Zeit mit meinen - bereits recht verstaubten - Schriften zu Rechts- und Staatswissenschaften, eine ganz persönliche"Umwegrentabilität" dieser Diskussion, für die ich Dir jedenfalls sehr dankbar bin. Zugegeben nicht halb so spannend wie Pharaonen-Briefe, UR III Kontrakte oder Papyrus Lansig, aber trotzdem: wie stehst Du denn zu diesen, sagen wir mal"soziologischen" Einwänden?
Wie ich zuletzt anhand von Popitz' Beispiel versucht habe zu belegen, gibt es mM nach wesentlich subtilere Formen von Macht (quasi im Bereich des"Privaten"), die Knappheit hervorrufen und damit den Prozess des Wirtschaftens in Gang setzen.
Und jetzt lese ich gerade mal wieder bei Max Weber, dass es durchaus auch subtilere, quasi"private" Formen von"Rechtsdurchsetzung" gewesen sein könnten, die den Prozess in Gang hielten. Hierzu folgender Ausschnitt aus Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 2. Teil, 6. Abschnitt, Kapitel"Soziologische und ökonomische Wirkungen der Rechtsordnung für den Einzelnen - Staatliches und außerstaatliches Recht" (Hervorhebungen duch den Vf.):
Wir wollen vielmehr überall da von »Rechtsordnung« sprechen, wo die Anwendung irgendwelcher, physischer oder psychischer, Zwangsmittel in Aussicht steht, die von einem Zwangsapparat, d.h. von einer oder mehreren Personen ausgeübt wird, welche sich zu diesem Behuf für den Fall des Eintritts des betreffenden Tatbestandes bereithalten, wo also eine spezifische Art der Vergesellschaftung zum Zweck des »Rechtszwanges« existiert. Der Besitz eines solchen Apparates für die Ausübung physischen Zwanges war nicht immer ein Monopol der politischen Gemeinschaft. Für psychischen Zwang besteht ein solches Monopol - wie die Bedeutung des nur kirchlich garantierten Rechts zeigt - auch heute nicht. Es wurde ferner schon gesagt, daß die direkte Garantie objektiven Rechts und subjektiver Rechte durch einen Zwangsapparat nur einen Fall des Bestehens von »Recht« und »Rechten« bildet. Selbst innerhalb dieses engeren Gebiets aber kann der Zwangsapparat sehr verschieden geartet sein. Im Grenzfall kann er in der einverständnismäßig geltenden Chance der Zwangshilfe jedes an einer Vergemeinschaftung Beteiligten im Fall der Bedrohung einer geltenden Ordnung bestehen. Als »Zwangsapparat« kann es alsdann freilich nur in dem Fall noch gelten, wenn die Art der Verbindlichkeit zu dieser Zwangshilfe fest geordnet ist. Der Zwangsapparat und die Art des Zwanges kann auch bei Rechten, welche die politische Anstalt durch ihre Organe verbürgt, außerdem durch die Zwangsmittel von Interessentenverbänden verstärkt werden: die scharfen Zwangsmaßregeln der Kreditoren- und Hausbesitzerverbände: organisierter Kredit- bzw. Wohnungs-Boykott (schwarze Listen) gegen unzuverlässige Schuldner wirken oft stärker als die Chance der gerichtlichen Klage. Und natürlich kann sich dieser Zwang auch auf staatlich gar nicht garantierte Ansprüche erstrecken: dann sind diese trotzdem subjektive Rechte, nur mit[tels] anderer Gewalten. Das Recht der Staatsanstalt stellt sich Zwangsmitteln anderer Verbände nicht selten in den Weg: so macht die englische »libel act« schwarze Listen durch Ausschluß des Wahrheitsbeweises unmöglich. Aber nicht immer mit Erfolg. Die auf dem »Ehrenkodex« des Duells als Mittel des Streitaustrages beruhenden, dem Wesen nach meist ständischen Verbände und Gruppen mit ihren Zwangsmitteln: im wesentlichen Ehrengerichte und Boykott, sind im allgemeinen die stärkeren und erzwingen meist mit spezifischem Nachdruck (als »Ehrenschulden«) gerade staatsanstaltlich nicht geschützte oder perhorreszierte, aber für ihre Gemeinschaftszwecke unentbehrliche Verbindlichkeiten (Spielschulden, Duellpflicht). Die Staatsanstalt hat vor ihnen teilweise die Segel gestrichen. Es ist zwar juristisch schief, wenn das Verlangen gestellt wird, ein spezifisch besondertes Delikt, wie der Zweikampf, solle einfach als »Totschlagsversuch« oder als »Körperverletzung« bestraft werden - Delikte, deren Merkmale es nicht teilt -; aber die Tatsache bleibt bestehen, daß die Zweikampfbereitschaft, trotz des Strafgesetzes, in Deutschland für den Offizier noch heute4 staatliche Rechts pflicht ist, weil staatliche Rechtsfolgen an ihr Fehlen geknüpft sind. Anders steht es außerhalb des Offizierstandes. Das typische Rechtszwangsmittel »privater« Gemeinschaften gegen renitente Mitglieder ist der Ausschluß aus dem Verband und [von] seinen materiellen oder ideellen Vorteilen. Bei Berufsverbänden von Ärzten und Anwälten ebenso wie bei geselligen und politischen Klubs ist es die ultima ratio. Der moderne politische Verband hat sehr vielfach die Kontrolle dieser Zwangsmittel usurpiert. So ist den Ärzten und Anwälten jenes äußerste Mittel auch bei uns abgesprochen, in England die Überprüfung des Ausschlusses aus Klubs, in Amerika selbst für politische Parteien, ferner die Prüfung der Rechtmäßigkeit der »Label«-Führung auf Anrufung den staatlichen Gerichten zugewiesen. Dieser Kampf zwischen den Zwangsmitteln verschiedener Verbände ist so alt wie das Recht. Er hat in der Vergangenheit sehr oft nicht mit dem Siege der Zwangsmittel des politischen Verbandes geendet, und auch heute ist dies nicht immer der Fall. So ist eine Handhabe, die Unterbietungs-Konkurrenz gegen einen Kartellbrüchigen zu unterbinden, heute nicht gegeben. Ebenso sind die schwarzen Listen der Börsenhändler gegen solche, die den Differenzeinwand erheben, bei uns nicht antastbar, während im Mittelalter die entsprechenden Statutenbestimmungen der Kaufleute gegen die Anrufung der geistlichen Gerichte sicher kanonisch-rechtlich nichtig waren, dennoch aber fortbestanden. Und auch da muß das staatliche Recht heute die Zwangsmacht der Verbände weitgehend dulden, wo sie nicht nur gegen Mitglieder, sondern auch oder gerade gegen Außenstehende sich wendet und diese ihren Normen zu unterwerfen trachtet (Kartelle nicht nur gegen Mitglieder, sondern gegen solche, die sie zum Eintritt zu zwingen beabsichtigen; Gläubigerverbände gegen Schuldner und Mieter).
gruss,
weissgarnix

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