- HEUREKA: PrÀhistorischer Handel - Diogenes, 30.08.2005, 15:06
- Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel - freeman, 30.08.2005, 20:40
- Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel - Diogenes, 30.08.2005, 22:12
- Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel - freeman, 30.08.2005, 22:29
- Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel - Diogenes, 30.08.2005, 22:12
- Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel - dottore, 31.08.2005, 15:58
- Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel / Handel vs. Raub - Diogenes, 31.08.2005, 23:12
- Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel / Handel vs. Raub - dottore, 01.09.2005, 17:52
- Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel / Handel vs. Raub - Diogenes, 31.08.2005, 23:12
- Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel - freeman, 30.08.2005, 20:40
Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel
-->Hi Diogenes,
vorab besten Dank fĂŒr Dein unermĂŒdliches Suchen. Schauen wir uns die Sachen etwas genauer an.
>Ich habe auf Wikipedia einen Artikel ĂŒber prĂ€historischen Handel gefunden. Darin heiĂt es unter anderem:
>"Trade originated with the start of communication in prehistoric times. Trading was the main facility of prehistoric people, who bartered goods and services from each other. Peter Watson dates the history of long-distance commerce from circa 150,000 years ago.[1]
Warum âlong-distanceâ? WĂ€re es nicht einfacher gewesen, mit dem Nachbarn zu handeln?
Wie haben die Menschen âkommuniziertâ? Wie wusste ein Stamm (und prae-historisch dĂŒrfen wir von StĂ€mmen ausgehen), dass sich Hunderte, wenn nicht Tausende Kilometer entfernt ein anderer Stamm befindet, der etwas hat, was den ersten Stamm interessieren könnte?
@Popeye hat die StĂ€rke der prae-historischen StĂ€mme mit ca. 100 bis 150 Menschen angegeben, wenn ich mich richtig erinnere. Von Feld-Anthropologen ĂŒber die Wiki-Redaktion bis hin zu Studien bekannter Unternehmensberater ist die 150 als âDunbar Numberâ (Dunbar, Anthropologe in London) bekannt (abgeleitet vom Neocortex/GroĂhirnrinden-Volumen) und wird damit gearbeitet:
Die den prae-historischen StĂ€mmen handelt es sich zweifelsfrei um die mittlere Schicht (âsocial networksâ). Sehr schön auch in der Grafik zu erkennen, dass âpolitical networksâ (oben mit Zusatz âPower-Lawâ) in die Tausende gehen. Man braucht also schon etwas mehr Menschen, um ĂŒber mehrere Gruppen/StĂ€mme Macht und Herrschaft aufzurichten, was auch die Geschichte der Eroberer und Herrscherklassen lehrt (was aber hier nicht das Thema sein soll).
So haben wir also einen ersten entscheidenden Einwand gegen den Long-Distant-Trade: Die StĂ€mme hĂ€tten ĂŒber sehr lange Zeit hin (mindestens weit ĂŒber eine Jagd- oder Ernte-Saison) auf die meisten ihrer besten und stĂ€rksten Leute verzichten mĂŒssen, nur Alte, Kinder und Frauen wĂ€ren zu Hause geblieben. Dass der HĂ€uptling und sein Clan (ca. 7 bis 10, mutmaĂlich auch mehr) sich als âHĂ€ndlerâ auf den Weg gemacht hĂ€tte, kann ausgeschlossen werden.
Möglich allerdings: Vom Stamm mit einer mittleren, durchschnittlichen Zahl (âmean numberâ) von 150 hat sich (siehe die abfallende âErtragskurveâ) sich ein âĂberschussâ abgespalten, dies aber dann ein fĂŒr alle Mal (ĂŒber die Rolle dieser âĂberschĂŒssigenâ gibt es massenhaft Literatur, u.a. zur Klosterentstehung, zur âver sacrumâ-Problematik, auch Heinsohn ist zu nennen, letztes Stichwort âyouth bulgeâ).
Dieser âUnter-Stammâ zog natĂŒrlich nicht unbewaffnet los, sondern nahm just jene Waffen (die er nicht gegen seinen Stamm-Stamm eingesetzt hĂ€tte oder nur in AusnahmefĂ€llen) mit, die der Stamm-Stamm ebenfalls zur VerfĂŒgung hatte. Dort, wohin der Unter-Stamm zog bzw. sich dann endgĂŒltig niederlieĂ (möglicherweise eben durchaus âsehr weit wegâ), finden wir also logischerweise jene Waffen (Obsidian, Feuerstein), die âso weit wegâ gefunden wurden.
Davon, dass der Neu-Stamm - so wie die Lachse zum Laichen - wieder an den Ort des Stamm-Stamms zurĂŒckgekehrt wĂ€re und dies ĂŒberdies auch noch mit âWarenâ aus seinem zwischenzeitlichen oder endgĂŒltigen Siedlungsgebiet kann keine Rede sein. Er hĂ€tte zudem nicht nur seine eigenen Waffen (Obsidian!) mitnehmen mĂŒssen, sondern solche als âHandelsgutâ noch dazu.
Die hĂ€tte er dann anderen (welchen?) ĂŒberlassen mĂŒssen, was ihn selbst gefĂ€hrdet hĂ€tte. Das Modell, das hier aus blauem Himmel herab von den âFriedlich-Tauschâ-Freaks fabuliert wird, entpuppt sich vollends als lĂ€cherlich, wenn man dies mit einer bestens belegten âErkundungsfahrtâ vergleicht, nĂ€mlich der des Kolumbus in die Neue Welt, wie in seinem Brief (âDe insulis nuper inventisâ = Ăber die jĂŒngst entdeckten Inseln, diverse Ausgaben, auch andere Titel) an die spanischen Könige bestens dokumentiert.
Wenn schon der âfrĂŒhesteâ Handel mit Waffen (Obsidian) als Handelsgut der einen Seite gelaufen sein soll (und das bis heute als Konstante der Weltgeschichte), hĂ€tte Kolumbus mit den Indianern nicht Gold nicht gegen irgendwelchen Tand âgetauschtâ, sondern selbstverstĂ€ndlich gegen seine WAFFEN.
Warum hat er das denn nicht getan? War er wirklich blöder als jene, die 100.000e von Jahren vor ihm dieses schöne GeschĂ€ft so perfekt beherrschten, wie die von Dir aus dem Web gefischten Quellen (und natĂŒrlich viele andere mehr) so standhaft behaupten?
>und weiter:
>"There is evidence of the exchange of obsidian and flint during the stone age."
Ein Fund, entfernt vom Herkunfts-/Herstellort, fĂŒr Obsidian u.a. hier (es gibt noch detaillierte Karten),
Discovery Of Ancient Obsidian Quarry Helps Define Prehistoric Andean Trade Networks
Wieso âHandelâ? Wie es unter den prae-kolumbianischen StĂ€mmen zugegangen ist, haben wir oft genug beleuchtet (âOrigin of Warâ, usw.). Der weiteste Weg, den Obsidian zurĂŒck gelegt hat = 189 Meilen. Und dann das on top:
âIt was not always traded, however, and long-distance trade of Cotallalli obsidian can only be reliably traced back as far as 2,500 B.C.â
Da sind wir sogar schon mitten drin in den ununterbrochenen Macht- und TributerzwingungskĂ€mpfen. Wer handelt denn mit dem Feind (und sei er zunĂ€chst nur ein potenzieller) Waffenmaterial? Haben die sich in den kargen Anden ums Ăberleben kĂ€mpfenden StĂ€mme (dann Reiche) etwa gegenseitig aufgerĂŒstet? Ich habe selbst solche Obsidian-Waffen aus Mexiko und die sind so scharf, dass man sich damit rasieren kann (in Mexiko City wurde noch bis vor kurzem beim Barbier mit Obsidian rasiert).
>2) Neolithic polished axe from Waybrook Cottages, Alphington
>This flint axe was produced by the technique of 'pecking and grinding', which produces a polished finish. This is a labourious process, only required for functional use on the cutting edges of axes. The Waybrook Cottage axe, however, is polished all over, showing that much additional work was carried out to improve the axe's aesthetic appearance. Such axes are thought to have been highly prized status symbols, and are known to have been widely traded across western Europe.
>So schaut so dein Ding aus:
>[img]" alt="[image]" style="margin: 5px 0px 5px 0px" />
Was wir âwidely across Western Europeâ haben, sind Kriegs- und BeutezĂŒge ohne Zahl. Warum wurde das (Lindisfarne)
herrliche Manuskript geraubt? Die Herrschaften, die da ĂŒber See angereist kamen, hĂ€tten es doch unschwer âkaufenâ können - zumal die VerkĂ€ufer einfache, unbewaffnete Mönche waren, die ganz nebenbei auch noch gemetzelt wurden?
>3)
>About two thousand years ago, Hopewellian Indians, characteristic of eastern woodland tribes, moved into the region near present-day northeast Kansas. The Hopewellians brought domesticated plants, primitive agriculture, and ceramic-making with them. [/u]Long-distance trade[/u] was also a feature of this group.
Schönes Beispiel einer klassischen Machtstruktur. Diese Herrschaften haben mit Geometrie und Astronomie gearbeitet, damit sie schön zeichnen und Sternlein zÀhlen konnten? Nein. Die Geometrie diente der Landaufteilung (Untereigentum) und die Astronomie der Festlegung der Abgabentermine, vgl. a. Ray Hively / Bob Horn, Hopewellian geometry and astronomy..., 1984.
>4)<a href=http://www.kat.gr/kat/history/Ancient/IranOld.htm>Hisotry of Iran, The 5th to mid-3rd millennia</a>
>"Trade across the northern part of the plateau, through the sites of Hissar and Sialk, most probably involved the transshipment from Afghanistan to Mesopotamia of semiprecious stones such as lapis lazuli. The appearance of proto-Elamite tablets in Sialk IV may bear witness to such trade. So also may the appearance of similar proto-Elamite tablets at Tepe Yahya south of Kerman and in the great central desert provide evidence of trade connections between Mesopotamia and the east--in this case a trade that may have centred on specific items such as steatite and copper."
âProbablyâ? âMay provide evidenceâ? Wir hatten doch schon lang und breit gehabt, dass Lapislazuli nur zwischen Herrschern getauscht wurde (vgl. die Amarna-Briefe), nirgends davon eine Spur in so etwas wie einem âprivaten Bereichâ (Grab, âKaufmanns-Hausâ usw.). Und Kupfer war das Waffenmetall schlechthin (im Mix, zuletzt und am besten mit Zinn).
>(Die haben ĂŒbrigens auch mit Mesopotamien Handelsverbindungen gehabt, bereits ganz zu Anfang, bevor diese GroĂmĂ€chte wurden)
Nein. Aus dem Osten (Iran, Luristan, Elam, usw.) sind doch gerade die Eroberer mit ihren Bronzewaffen gekommen, die dann Mesopots kleine Bauerngruppen und -dörfer unterwarfen. Aus Mesopot heraus hat sich nicht eine einzige GroĂmacht entwickelt. Die Imperien haben immer die Eroberer errichtet, zuletzt noch die Perser - ebenfalls östlich von Mesopot belegen.
Welche mesopotamischen und zwar autochthonen (vgl. Bernbeck in extensis) Kleinbauern, Subsistenzler, Dorfgemeinschaften (immer an die 150 denken) sollen denn (womit?!) Lapis Lazuli gekauft haben? Fundlage in den ausgebuddelten Dörfern absolut Zero.
>5) Eine Karte, die prÀhistorische Handelsrouten darstellt: (Quelle: Römisch-Germanisches Zentralmuseum)
>[img][/img]
Die Karte ist von Guernsey selbst. Die Leute von Pressigny haben ihre Feuerstein-Waffen (âStone axesâ) per Schiff nach Guernsey gebracht und von dort Fische (!) und Getreide (!) mit nach Hause genommen, ca. 500 km Land- und Seeweg? Nix zu fischen an der Loire oder am nĂ€her gelegenen Meer? Keinerlei Getreideanbau im (unfruchtbaren?!) Zentral-Frankreich? Keine Möglichkeit, mit Saatgut zu arbeiten? Getreide gedeiht nur auf Guernsey?
Der Keramik-Handel ist ĂŒbrigens ca. 100 Jahre vor der römischen Invasion - und da gabâs auf der Insel keine Machtstrukturen? Ăbrigens: Aus der Normandie starteten auch William und seine Jungs 1066. Warum haben sie nicht mit der Insel âfriedlich gehandeltâ, sondern sie doch glattweg frech erobert?
>6) Ein Buch habe ich auch gefunden:
>Trade and exchange in prehistoric Europe: proceedings of a conference held at the University of Bristol, April 1992
>by Christopher Scarre; Frances Healy
>* Publisher: Oxford: Bloomington, IN: Oxbow Books in association with the Prehistoric Society and the SociĂ©tĂ© prĂ©historique française ; Available from D. Brown Book Co., ©1993.
>* ISBN: 094689762X
Danke. Solche BĂŒcher gibtâs in Mengen. Was da âexchangedâ (ausgetauscht) wurde, war der dumpfe (Stein) oder helle (Metall) Klang der Waffen. Die Artefakte liegen ĂŒberall herum. Warum nur findet man nirgends eine Spur der HĂ€ndler - oder schwebten die auf fliegenden Teppichen (wiederum aus dem Orient âgetradetâ) ein?
>Es gab also Handel lange vor dem Entstehen der ersten Hochkulturen.
Nein.
>Und das nicht nur lokal begrenzt sondern sogar ĂŒber lange Strecken.
Wanderten StÀmme, siehe oben, und bewaffnet.
>Die zitierten Quellen, die ich soweit gefunden habe, umfassen Europa, Nordamerika, die Anden und Zentralasien/Iran. Das zeigt: Handel ist bereits zu prÀhistorischer Zeit ein weit verbreitetes PhÀnomen.
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, zu glauben, dass eine weit entfernte Waffe dorthin âgehandeltâ wurde. Nebenbei: Bei Interlaken (Innerschweiz) in der Sihl wurde sogar ein Schwert mit griechischer (!) Inschrift gefunden. Was fĂŒr ein âdistant tradeâ, was fĂŒr eine Marge fĂŒr den HĂ€ndler!
>Ich denke, damit ist die Machtheorie entgĂŒltig reif zum einmotten.
Nein, lieber Diogenes, sie ist zwar noch nicht ganz âreifâ, aber wĂ€chst und gedeiht ganz prĂ€chtig. Dies auch Dank der vielen, exzellenten EinwĂ€nde, fĂŒr die ich nochmals herzlich danke.
GruĂ!

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