- HEUREKA: PrÀhistorischer Handel - Diogenes, 30.08.2005, 15:06
- Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel - freeman, 30.08.2005, 20:40
- Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel - Diogenes, 30.08.2005, 22:12
- Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel - freeman, 30.08.2005, 22:29
- Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel - Diogenes, 30.08.2005, 22:12
- Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel - dottore, 31.08.2005, 15:58
- Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel / Handel vs. Raub - Diogenes, 31.08.2005, 23:12
- Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel / Handel vs. Raub - dottore, 01.09.2005, 17:52
- Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel / Handel vs. Raub - Diogenes, 31.08.2005, 23:12
- Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel - freeman, 30.08.2005, 20:40
Re: HEUREKA: PrÀhistorischer Handel / Handel vs. Raub
-->Hi dottore,
>Warum âlong-distanceâ? WĂ€re es nicht einfacher gewesen, mit dem Nachbarn zu handeln?
Wenn der Nachbar hat, was man benötigt, sicher.
>Wie haben die Menschen âkommuniziertâ? Wie wusste ein Stamm (und prae-historisch dĂŒrfen wir von StĂ€mmen ausgehen), dass sich Hunderte, wenn nicht Tausende Kilometer entfernt ein anderer Stamm befindet, der etwas hat, was den ersten Stamm interessieren könnte?
Wenn man es nicht bereits von den Altvorderen weis, wÀre Mundpropagenda eine Möglichkeit. Es spricht sich herum, wer was woher hat.
(Ich frage mich machmal: Woher weiĂ denn meine Frau immer, wo es gerade was gibt? Kaffetratsch. *g*)
>@Popeye hat die StĂ€rke der prae-historischen StĂ€mme mit ca. 100 bis 150 Menschen angegeben, wenn ich mich richtig erinnere. Von Feld-Anthropologen ĂŒber die Wiki-Redaktion bis hin zu Studien bekannter Unternehmensberater ist die 150 als âDunbar Numberâ (Dunbar, Anthropologe in London) bekannt (abgeleitet vom Neocortex/GroĂhirnrinden-Volumen) und wird damit gearbeitet:
>Die den prae-historischen StĂ€mmen handelt es sich zweifelsfrei um die mittlere Schicht (âsocial networksâ). Sehr schön auch in der Grafik zu erkennen, dass âpolitical networksâ (oben mit Zusatz âPower-Lawâ) in die Tausende gehen.
Man steigert seine Bevölkerungszahl sicher nicht, wenn man dauernd Krieg fĂŒhrt und auf RaubzĂŒge geht - so blutet ein Stamm höchsten aus.
>Man braucht also schon etwas mehr Menschen, um ĂŒber mehrere Gruppen/StĂ€mme Macht und Herrschaft aufzurichten, was auch die Geschichte der Eroberer und Herrscherklassen lehrt (was aber hier nicht das Thema sein soll).
Wiesoll ein Stamm mit 150 Leuten fĂŒnf andere StĂ€mme unterwerfen und unter Kontrolle halten? Ăber weite Gebiete?
>So haben wir also einen ersten entscheidenden Einwand gegen den Long-Distant-Trade: Die StĂ€mme hĂ€tten ĂŒber sehr lange Zeit hin (mindestens weit ĂŒber eine Jagd- oder Ernte-Saison) auf die meisten ihrer besten und stĂ€rksten Leute verzichten mĂŒssen, nur Alte, Kinder und Frauen wĂ€ren zu Hause geblieben. Dass der HĂ€uptling und sein Clan (ca. 7 bis 10, mutmaĂlich auch mehr) sich als âHĂ€ndlerâ auf den Weg gemacht hĂ€tte, kann ausgeschlossen werden.
1) brauchen ein paar gute Marschierer sicher nicht Monate fĂŒr einige hundert Kilometer.
2) muĂ man zum Handeln nicht die besten Krieger schicken, sondern die besten Verhandler.
3) ist es vollkommen unlogisch, daĂ ein Stamm, der ein paar MĂ€nner fĂŒr eine Handelsreise nicht entbehren kann, dann alle MĂ€nner fĂŒr einen Raubzug entbehren kann.
4) sind bei einem Raubzug MĂ€nner nicht fĂŒr einige Zeit sondern fĂŒr immer zu entbehren. Die fallen nĂ€mlich mit Sicherheit einige: entweder im Kampf oder sie sterben hinterher an Wundinfektionen.
5) Ist ein Raubzug in seinem Ausgang weit ungewisser. Man kann den Kampf auch verlieren.
6) Raub wird mit der Zeit schwieriger, der betroffene Stamm wird zur Verteidigung GegenmaĂnamen treffen. Handel hingegen wird mit der Zeit einfacher - man lernt sich kennen und baut Beziehungen auf.
7) Raub bringt Gegenraub und RachefeldzĂŒge. Handel hingegen erhĂ€lt den Frieden und begĂŒnstigt spĂ€tere BĂŒndnisse (so kann man groĂ werden).
8) SchwÀchen Raub und Kampf die eingene MannstÀrke, sodaà man selber leichter anderen zum Opfer fÀllt - ein Sieger, der sich zu Tode siegt.
>Dieser âUnter-Stammâ zog natĂŒrlich nicht unbewaffnet los, sondern nahm just jene Waffen (die er nicht gegen seinen Stamm-Stamm eingesetzt hĂ€tte oder nur in AusnahmefĂ€llen) mit, die der Stamm-Stamm ebenfalls zur VerfĂŒgung hatte. Dort, wohin der Unter-Stamm zog bzw. sich dann endgĂŒltig niederlieĂ (möglicherweise eben durchaus âsehr weit wegâ), finden wir also logischerweise jene Waffen (Obsidian, Feuerstein), die âso weit wegâ gefunden wurden.
Wenn sie die StĂ€mme - Ă la Machthypothese - dauernd gegenseitig abschlachten, wir das Problem Ăberbevölkerung sicher nicht auftreten.
>Davon, dass der Neu-Stamm - so wie die Lachse zum Laichen - wieder an den Ort des Stamm-Stamms zurĂŒckgekehrt wĂ€re und dies ĂŒberdies auch noch mit âWarenâ aus seinem zwischenzeitlichen oder endgĂŒltigen Siedlungsgebiet kann keine Rede sein. Er hĂ€tte zudem nicht nur seine eigenen Waffen (Obsidian!) mitnehmen mĂŒssen, sondern solche als âHandelsgutâ noch dazu.
Waffen braucht man nicht nur zum KĂ€mpfen sondern auch zum Jagen.
Feuerstein und Obsidian sind nicht nur fĂŒr Waffen gut, man braucht auch zum Herstellen von Werkeugen.
Feuerstein und Obsidian sind schlicht ĂŒberlebensnotwendig. Man muĂ sie beschaffen und das immer wieder, weil sie nicht ewig halten. Wenn man sie im eigenen Gebiet nicht findet, muĂ man notgedrungen marschieren. Man immer wieder neue benötigt, ist handeln dem Rauben vorzuziehen, s. o.
>Die hĂ€tte er dann anderen (welchen?) ĂŒberlassen mĂŒssen, was ihn selbst gefĂ€hrdet hĂ€tte.
Wen gefÀrdet ein Feuerstein oder Obsidian? Niemanden.
Oder 5 bis 10 Mann Handelsdelegation gegen einen ganzen Stamm? Viel GlĂŒck.
>Das Modell, das hier aus blauem Himmel herab von den âFriedlich-Tauschâ-Freaks fabuliert wird, entpuppt sich vollends als lĂ€cherlich,
Wer neben dem Draufhauen auch das Handeln beherrscht, hat einen Ăberlebensvorteil. Die Hau-Immer-drauf-Fetischisten bringen sich gegenseitig um und sterben aus. Hirn plus Muskeln schlĂ€gt Nur-Muskeln
>Wenn schon der âfrĂŒhesteâ Handel mit Waffen (Obsidian) als Handelsgut der einen Seite gelaufen sein soll (und das bis heute als Konstante der Weltgeschichte), hĂ€tte Kolumbus mit den Indianern nicht Gold nicht gegen irgendwelchen Tand âgetauschtâ, sondern selbstverstĂ€ndlich gegen seine WAFFEN.
>Warum hat er das denn nicht getan? War er wirklich blöder als jene, die 100.000e von Jahren vor ihm dieses schöne GeschĂ€ft so perfekt beherrschten, wie die von Dir aus dem Web gefischten Quellen (und natĂŒrlich viele andere mehr) so standhaft behaupten?
1) Hat Kolumbus mit seinem Tand das bessere GeschÀft gemacht.
2) Haben die Indiander das mit den Waffen spÀter nachgeholt. Haben es wohl nicht sofort begriffen.
3) MuĂ fĂŒr die Indiander der Handel wohl OK gewesen sein, sonst hĂ€tten sie ihn nicht gemacht.
4) Wieso haben die Indianer zuerst handeln probiert? Die paar Leute hÀtten sie auch platt machen und ausrauben können.
Im ĂŒbrigen sehe ich nicht, was an einer Recherche im Web falsch sein soll, das machst du schlieĂlich nicht anderst. Was die Quellen angeht, handelt es sich dabei durchaus um rennomierte Museen und Institute. Die Fachleute dort werden schon ihre GrĂŒnde haben, wenn sie etwas als Handel bezeichenen.
Das dich das nicht freuen kann, ist mir klar.
>>1) Discovery Of Ancient Obsidian Quarry Helps Define Prehistoric Andean Trade Networks
>Wieso âHandelâ? Wie es unter den prae-kolumbianischen StĂ€mmen zugegangen ist, haben wir oft genug beleuchtet (âOrigin of Warâ, usw.).
Mag sein, aber offensichtlich war die Erörterung nicht erschöpfend. Die Archaelogen von Fach sind sicher nicht allesamt unfÀgig.
>Der weiteste Weg, den Obsidian zurĂŒck gelegt hat = 189 Meilen.
Durchaus in ein paar Tagen zu schaffen und alle mann sind fĂŒr Jagdsaison und ernte verfĂŒgbar.
> Warum wurde das (Lindisfarne)
>von den Wikingern im 8. Jh. Zerstört und dabei dieses
>herrliche Manuskript geraubt? Die Herrschaften, die da ĂŒber See angereist kamen, hĂ€tten es doch unschwer âkaufenâ können - zumal die VerkĂ€ufer einfache, unbewaffnete Mönche waren, die ganz nebenbei auch noch gemetzelt wurden?
Weit sinddie Wikinger damit auf lĂ€ngere Sicht nicht gekommen. Sie haben es gerade mal 200-300 Jahre geschafft mit ihrem PlĂŒndern, dann war es vorbei. FĂŒr eine ReichsgrĂŒndung hat es nie gereicht.
Dauernd Tote zu verkraften und gleichzeitig auf immer besser gerĂŒstete Feinde zu treffen... vielleicht hĂ€tten sie sich doch auch auf Handel besinnen sollen?
Nur weil es Gewalt und PlĂŒnderung immer gegeben hat, schlieĂt das Handel nicht aus. Das Aufzeigen von Gewalt ist ist kein zwingendes Argument gegen die Existenz von Handel.
>>3)
>>About two thousand years ago, Hopewellian Indians, characteristic of eastern woodland tribes, moved into the region near present-day northeast Kansas. The Hopewellians brought domesticated plants, primitive agriculture, and ceramic-making with them. [/u]Long-distance trade[/u] was also a feature of this group.
>Schönes Beispiel einer klassischen Machtstruktur. Diese Herrschaften haben mit Geometrie und Astronomie gearbeitet, damit sie schön zeichnen und Sternlein zÀhlen konnten? Nein. Die Geometrie diente der Landaufteilung (Untereigentum) und die Astronomie der Festlegung der Abgabentermine, vgl. a. Ray Hively / Bob Horn, Hopewellian geometry and astronomy..., 1984.
Dein SchluĂ ist voreilig.
Wir sind hier ca. 2000 vor und die Geometrischen Figuren stammen aus 0 - 250 nach:
"The geometrically designed earth-works near Newark, Ohio have been the subject of curiosity for centuries. They are Hopewellian, and are now dated at approximately 0-250 AD."
>âProbablyâ? âMay provide evidenceâ? Wir hatten doch schon lang und breit gehabt, dass Lapislazuli nur zwischen Herrschern getauscht wurde (vgl. die Amarna-Briefe),...
Die Bronzezeit begann bereits vor der Entstehung der ersten Hochkulturen.
Die Amana-Briefe sind sehrl viel jĂŒnger, daraus einen SchluĂ ĂŒber die PrĂ€historie zu ziehen halte ich fĂŒr nicht zulĂ€ssig.
>...nirgends davon eine Spur in so etwas wie einem âprivaten Bereichâ (Grab, âKaufmanns-Hausâ usw.). Und Kupfer war das Waffenmetall schlechthin (im Mix, zuletzt und am besten mit Zinn).
...und nebenbei Rohstoff fĂŒr Werkzeuge. Wobei sich sowohl Werkzeuge als auch Waffen mit der Zeit verschleiĂen und zu Neubeschaffung zwingen. Womit die Ăberlegung Handeln oder PlĂŒndern zum Zug kommt.
>>(Die haben ĂŒbrigens auch mit Mesopotamien Handelsverbindungen gehabt, bereits ganz zu Anfang, bevor diese GroĂmĂ€chte wurden)
>Nein. Aus dem Osten (Iran, Luristan, Elam, usw.) sind doch gerade die Eroberer mit ihren Bronzewaffen gekommen, die dann Mesopots kleine Bauerngruppen und -dörfer unterwarfen. Aus Mesopot heraus hat sich nicht eine einzige GroĂmacht entwickelt. Die Imperien haben immer die Eroberer errichtet, zuletzt noch die Perser - ebenfalls östlich von Mesopot belegen.
Es ist von Handelsverbindungen in prĂ€historischer Zeit die Rede, die EroberungsfeldzĂŒge kommen spĂ€ter.
Interessant finde ich, das die Eroberer vorher auch HĂ€ndler waren. Möglicher weise lag es am Handeln, daĂ sie stark genug wurden um spĂ€ter zu erobern. Stichwort: Ăberlebensvorteil Handel.
>Welche mesopotamischen und zwar autochthonen (vgl. Bernbeck in extensis) Kleinbauern, Subsistenzler, Dorfgemeinschaften (immer an die 150 denken) sollen denn (womit?!) Lapis Lazuli gekauft haben? Fundlage in den ausgebuddelten Dörfern absolut Zero.
Wieso sollen sie nichts erhandeln haben können, die Maori hatten Werkzeuge und Waffen aus Jade und waren auch Jungsteinzeitler.
Vielleicht nicht gerade Lapislazuli in rauhen Mengen, aber einiges Kupfer.
Zitat:"in this case a trade that may have centred on specific items such as steatite and copper."
Bauern brauchen Werkzeug. Kupfer hatten sie selber keiner, zum Rauben hat es auch nicht gelangt, wurden spÀter ja selber erobert. Bleibt nur handeln.
>>5) Eine Karte, die prÀhistorische Handelsrouten darstellt: (Quelle: Römisch-Germanisches Zentralmuseum)
>>[img][/img]
>Die Karte ist von Guernsey selbst. Die Leute von Pressigny haben ihre Feuerstein-Waffen (âStone axesâ) per Schiff nach Guernsey gebracht und von dort Fische (!) und Getreide (!) mit nach Hause genommen, ca. 500 km Land- und Seeweg? Nix zu fischen an der Loire oder am nĂ€her gelegenen Meer? Keinerlei Getreideanbau im (unfruchtbaren?!) Zentral-Frankreich? Keine Möglichkeit, mit Saatgut zu arbeiten? Getreide gedeiht nur auf Guernsey?
Nein, aber eine zusÀtzliche Ration ist sicher nicht unwillkommen. Vielleicht war es auch ertragreicher/bequemer zu handeln, als selber den Buckel auf dem Feld krumm zu machen?
>Der Keramik-Handel ist ĂŒbrigens ca. 100 Jahre vor der römischen Invasion - und da gabâs auf der Insel keine Machtstrukturen?
Wahrscheinlich ja, StÀmme haben auch Machtstrukturen. Aber wieso sind die Machthaber nicht losgezogen wie Sie lustig waren und haben die Töpfe geraubt?
>Ăbrigens: Aus der Normandie starteten auch William und seine Jungs 1066. Warum haben sie nicht mit der Insel âfriedlich gehandeltâ, sondern sie doch glattweg frech erobert?
Das ist nach den Römern. Wie gesagt schlieĂt ein Eroberungszug noch keinen Handel aus weder vorher noch nachher, sonst dĂŒrfte es weder jemals Handel gegeben haben noch hĂ€tten wir heute irgendwo einen.
>Danke. Solche BĂŒcher gibtâs in Mengen. Was da âexchangedâ (ausgetauscht) wurde, war der dumpfe (Stein) oder helle (Metall) Klang der Waffen. Die Artefakte liegen ĂŒberall herum.
So wie es ausschaut, war die"finstere" PrÀhistorie nicht so finster, wie du glaubst. Nicht alles war Mord und Todschlag.
>Warum nur findet man nirgends eine Spur der HĂ€ndler - oder schwebten die auf fliegenden Teppichen (wiederum aus dem Orient âgetradetâ) ein?
Die HĂ€ndler werden den Weg allen VergĂ€nglichen gegangen sein. Wie groĂ ist die Chanche, daĂ von unsereiner in 2000 bis 3000 Jahren noch was zum Ausgraben ĂŒbrig ist?
Von den sieben Weltwundern der Antike, die jĂŒnger, massiv und aus weit dauerhafteren Materialien waren, steht gerade mal eines und selbst dem setzt der Zahn der Zeit zu. Die anderen bieten nur noch ein paar Reste zum Ausgraben.
>Nein, lieber Diogenes, sie ist zwar noch nicht ganz âreifâ, aber wĂ€chst und gedeiht ganz prĂ€chtig. Dies auch Dank der vielen, exzellenten EinwĂ€nde, fĂŒr die ich nochmals herzlich danke.
BezĂŒglich des"Gedeihens" bin ich anderer Ansicht.
Dein Kompliment dagegen freut mich sehr, Danke.
GruĂ
Diogenes

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