- oT:Zur Wiedereinweihung der Frauenkirche (30.10.) ein Interview m. Arnulf Baring - Tobias, 25.10.2005, 14:05
- Die Frauenkirche war in der DDR Mahnmal - Gabriela, 25.10.2005, 21:38
- Kompliment, Du bist ein kluges Mädchen, Gabriela (o.Text) - Frank, 26.10.2005, 16:51
- Die Frauenkirche war in der DDR Mahnmal - Gabriela, 25.10.2005, 21:38
oT:Zur Wiedereinweihung der Frauenkirche (30.10.) ein Interview m. Arnulf Baring
-->Auszüge:
SPIEGEL-GESPRÄCH
"Unsere kulturelle Identität"
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SPIEGEL: Herr Professor Baring, als gebürtiger Dresdner - freuen Sie sich über die neue Frauenkirche?
Baring: Ja, ihre Auferstehung ist eine ganz große Freude. Die Zerstörung in der Dresdner Bombennacht vom 13. Februar 1945 hatte etwas Geheimnisvolles an sich, weil die Kirche noch zwei Tage weiterstand und dann dramatisch in sich zusammenfiel. Die beiden Wände, die stehen geblieben waren, sahen aus wie Hände, die den Himmel um Hilfe bitten. Die Frauenkirche war mehr als eine Kirche, sie war ein Symbol - des Untergangs der Stadt.
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SPIEGEL: Ein positives Verhältnis angesichts des Holocaust - wie soll das gehen?
Baring: Wir sind in Gefahr, den Holocaust absolut zu setzen. Joschka Fischer hat oft gesagt, dass der Kern unseres Selbstverständnisses Auschwitz sein muss. Ich finde, das geht nicht. Nichts wird dieses Land von der Erinnerung an den Holocaust befreien. Aber ein solches Verbrechen kann nicht Kern der Identität sein. Das überlebt ein Volk nicht. Wenn es, wie Adorno gesagt hat, barbarisch ist, nach Auschwitz Gedichte zu schreiben, dann darf es nach Auschwitz auch kein Deutschland geben, schon gar kein selbstbewusstes. Aber wenn es nicht selbstbewusst ist, wenn es nicht von sich verlangt, Positives für Europa zu bewirken - und natürlich für sich selbst -, dann wird es versacken.
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SPIEGEL: Von kirchlichem Geist ist aber auch in Sachsen nicht mehr viel zu spüren.
Baring: Und doch ist er da, im historischen Untergrund. Das zeigt schon der Vergleich zu Brandenburg. Ich finde den Unterschied zwischen Brandenburg und Sachsen bis heute bemerkenswert: in der Haushaltsführung, im Menschenverständnis. Die Sachsen sind viel höflicher. Und die Landschaft! Wenn Sie von Berlin nach Dresden fahren, ist die Landschaft plötzlich bewegter, hügeliger. Die Dörfer werden viel hübscher. Sachsen ist durchweg eine alte Kulturlandschaft, was Brandenburg - des Heiligen Römischen Reiches Streusandbüchse - nie war. Das ist ein Gebiet karger Äcker.
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SPIEGEL: Es mehren sich die Zweifel daran, dass die Alliierten Hitlers Kriegsmaschine treffen wollten. Viele sagen heute, die Bombardierung sei ein Racheakt gewesen, der das kulturelle Gedächtnis der Stadt ausradieren wollte.
Baring: Die Zerstörung war ein terroristischer Akt. Es sind ja vor allem die Wohngebiete der historischen Altstadt bombardiert worden und nicht die Stadtteile, in denen Industrie lag.
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SPIEGEL: Dennoch war man sich lange einig, die Bombardierung Dresdens als Strafe hinnehmen zu müssen. Und dass einer wie Sie inzwischen ausspricht, dass er den Feuersturm für ein Kriegsverbrechen hält, zeigt eine atmosphärische Änderung. Wie erklären Sie sich, dass sich die Deutschen auf einmal auch als Opfer sehen dürfen?
Baring: Ich glaube nicht, dass die Gefahr des Aufrechnens besteht. Das ist immer das Argument derer, die sagen: Das dürfen wir nicht. Ich glaube, eine wirkliche Versöhnung ist erst dann möglich, wenn alle Opfer als Opfer anerkannt sind und die Deutschen damit auch das große Leid, das durch Hitler über deutsche Menschen gekommen ist, richtig erkennen können. Es ist ja ganz unnatürlich, wenn wir alle anderen betrauern und die eigenen Opfer nicht. Das glaubt uns doch keiner.
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SPIEGEL: Wie hat sich die Bombardierung Dresdens auf Sie ausgewirkt?
Baring: Einerseits habe ich womöglich tiefe Schuldgefühle, überlebt zu haben. Andererseits gibt es in mir natürlich auch die große Dankbarkeit, überlebt zu haben. Das Haus meiner Großmutter wurde während der zweiten Angriffswelle getroffen. Ich wollte gern im Keller bleiben, weil ich dachte: Hier unten ist es feucht und angenehm, und draußen ist das Chaos. Hinten in unserem Hof war eine Postkartenfabrik, die brannte lichterloh. Und im Keller schwankte es wie auf einem Schiff. Meine Großmutter hat gesagt: Hier sind wir überhaupt nicht sicher, und hat mich rausgezerrt. Das war wahrscheinlich weiblicher Instinkt, der klüger war.
SPIEGEL: Das hat Ihnen das Leben gerettet?
Baring: Ja. Es sind später über 50 Leichen aus dem Keller geborgen worden. Da in dem ganzen Haus knapp 60 Leute lebten, sind also nur ganz wenige rausgekommen. Meine Großmutter und ich flüchteten in einen kleinen Park in der Nähe. Da war ein Brunnen, der natürlich im Februar leer war, aber ein bisschen Wasser war noch drin, und wir konnten die Decken, die wir um uns geschlagen hatten, befeuchten, weil der Funkenflug sehr stark war.
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