- @ andré - Turon, 26.10.2005, 16:26
- Re: was ich mal feststellern will: - Fremdwort, 26.10.2005, 18:57
- Re: Feststellung von 1918: - Digedag, 26.10.2005, 19:19
- Re: @ Turon - Aufrechnungen sind wenig hilfreich, es bedarf mehr - André, 26.10.2005, 20:50
- Re: @ Turon - Aufrechnungen sind wenig hilfreich, es bedarf mehr - Dieter, 26.10.2005, 23:53
- Hallo andré - Turon, 27.10.2005, 15:06
- Re: was ich mal feststellern will: - Fremdwort, 26.10.2005, 18:57
Re: @ Turon - Aufrechnungen sind wenig hilfreich, es bedarf mehr
-->Hallo Turon,
offensichtlich war mein Beitrag nicht klar genug, deshalb nochmals ausführlicher.
Meines Erachtens gilt:
Das Aufrechnen von gegenseitigem Unrecht führt zu nichts.
Ein geschehenes Unrecht kann man nicht mit neuem Unrecht gutmachen.
Dass vielen Polen bei den Teilungen und während des letzten Krieges Unrecht getan wurde, ist unbestritten und wird hier allgemein anerkannt.
Die unselige Idee der Nationenbildung geknüpft an eine Sprache ist vor allem eine Schöpfung der Neuzeit, die lange Zeit überdies nicht überall in Europa praktiziert wurde, gewiss erst sehr spät in Deutschland, lange nach den zitierten Teilungen Polens. Bekanntlich war auch August der Starke von Polen eingeladen, ihr König zu sein. Es waren immer Herrschaften von Machtdynastien, die auf nationale Belange wenig Rücksicht nahmen, überdies wahrscheinlich mit diesem Begriff gar nichts anfangen konnten.
Die Frage, wieweit man denn historisch zurückgehen wolle, um all das vermeintliche „Recht“ vor allem jedoch das gegenseitige Unrecht zu begutachten, erscheint wenig hilfreich. Bekanntlich gab er zur Zeit der Völkerwanderung wieder ganz andere Besiedlungen. Die Germanen kamen ja auch aus dem Osten!
Es sollte doch nur um das gehen, was die noch heute Lebenden, ggf. als Kinder erlebt
und erlitten haben. Alles andere, und darin stimmen wir hoffentlich überein, ist reine Machtpolitik,
die nur Anlass zu neuen Streitigkeiten geben könnte.
Was an der polnischen (der offiziellen) Haltung hier als unbefriedigend angesehen wird, ist doch primär das Nicht-anerkennen-wollen, dass den deutschen Vertriebenen Unrecht geschehen ist. Bekanntlich war die Bevölkerung von Danzig (noch in den 20er Jahren) zu 97% deutsch Stettin zu über 99%. Ein Verstecken hinter Stalin ist bei dem Geschehenen zwar verständlich, jedoch sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Dass polnische Politiker überdies meinen, noch Forderungen stellen zu können (s. Sejm-Beschluss) ist Ausdruck einer Haltung, die eine Aussöhnung nur sehr bedingt oder gar nicht will. Das gilt gewiss nicht für die zahlreichen Polen, die ich kenne oder kennen gelernt hatte, sondern ausdrücklich für die die Staatsorgane und möglicherweise für die entsprechend beeinflusste Presse.
Insofern weicht die offizielle polnische Nachkriegspolitik völlig ab von derjenigen Frankreichs.
Bekanntlich hatten französische Truppen auch das Saarland besetzt und Frankreich wollte es nicht mehr deutsch wissen und hatte seine willigen Helfer. Aber nicht nur mit De Gaulle, sondern danach bestätigt durch alle französischen Regierungen gab es eine Aussöhnung, sodass bereits lange von einem sehr freundschaftlichen Verhältnis gesprochen werden kann. (Siehe deshalb auch die Beiträge von Helmut, der als deutscher auch en france chez soi sein kann!).
Dass zumindest zahlreiche polnische Politiker und die Presse an einer Aussöhnung wenig Interesse haben, belegen zwei Nachkriegsbeispiele:
1. der Kniefall Willy Brandts, der nicht respektiert wurde.
2. die Anmaßung mitreden zu wollen, wenn Russland und Deutschland eine Gaspipeline (an der auch weitere EU-Länder angeschlossen werden sollen) durch internationales Gewässer vereinbaren. Es ist zu offensichtlich, dass die polnischen Politiker nicht nur mitverdienen wollen sondern auch eine Möglichkeit suchen, wie sie ein zusätzliches Faustpfand gegen Deutschland in die Hand bekommen könnten. Aus unserer Sicht ist es ein der großes Verdienst Schröders hier nicht mitgespielt zu haben.
Und was das Nationalitätsbewusstsein anbelangt, so ist und kann dies bei den Polen gar nicht so unterentwickelt sein, wie Du anzunehmen scheinst, zumindest im Vergleich zu Deutschland. Hier ist das Selbstverständnis und die Selbstachtung bereits in kompletter Auflösung begriffen. Deutschland ist bereits voll zu einer, wenn auch teilweise unbotmäßigen amerikanischen Kolonie degeneriert. Gesungen wird bereits nahezu ausschließlich amerikanisch, die Sprache wird immer mehr amerikanisiert auch von denjenigen, die den US gegenüber eine kritische Haltung einnehmen. Unzählige sind ohne eigenen inneren Kompass, ja wissen gar nicht mehr, dass es so etwas gibt. Aber gerade aus dieser Entwicklung des Unkenntlichwerdens einer verbindlichen Werteskala sind bereits gravierende Gefahren erwachsen, die sich noch weiter zuspitzen dürften.
Insoweit ist es erfreulich, dass die Notwendigkeit einer kulturellen Neuorientierung in Europa bereits diskutiert wird.
Es bleibt also noch viel zu tun. Und die Verpflichtung liegt vor allem in einer Änderung der Einstellung der Politiker und Medien. Um im Sinne der europäischen Idee zu einer Abwertung der unsäglichen Nationalstaaten zu kommen ist offensichtlich eine Aufgabe für Generationen.
Mit den besten Grüßen
A.

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