- mehr vom 'Heuschrecken-Business' - Emerald, 30.10.2005, 06:25
- Re: 'Heuschrecken-Business' - gut beschrieben (OT) - Goldfinger, 30.10.2005, 10:40
- Re: @Emerald: Zitate u. Copyright - Elli (Boardmaster)--, 30.10.2005, 10:51
mehr vom 'Heuschrecken-Business'
-->Quelle: NZZ am Sonntag (Neue Zürcher Zeitung)
Die neuen Räuber-Barone
Eine Reihe von Skandalen in der Hedge-Fund-Branche zeigt die wahre Schwachstelle der US-Fondsmanager: Selbstüberschätzung. Von Heike Buchter
Bei Sotheby's und Christie's bieten sie in der ersten Reihe mit, in den Galerien der In-Viertel Soho und Chelsea treten sie als Kunstmäzene auf, und nachts nippen sie Apfel-Martinis in den VIP- Lounges des Meatpacking District. Hedge-Fund-Manager sind nicht mehr nur die Teufelskerle der Wall Street - sie sind New Yorks Society-Stars.
Die Elite-Vermögensverwalter faszinieren durch ihre Einkaufsmacht. Da leistet sich Steven Cohen, Gründer von SAC Capital Management, einen Monet. Ken Griffin, Kopf des 10 Mrd. $ schweren Citadel-Fonds, entschied sich kürzlich für ein Stillleben von Cézanne für 60 Mio. $. Der für seine beissenden Kommentare bekannte Daniel Loeb von Third Point kauft ganze Sammlungen moderner Kunst auf.
Heikler Mix
Hedge-Funds gibt es seit den vierziger Jahren, aber sie sind erst während der letzten Börsenbaisse zu voller Blüte gekommen. Während klassische Aktienfonds in der Flaute nach dem Platzen der Internet-Blase Milliarden verloren, fuhren Hedge-Funds Renditen im zweistelligen Prozent-Bereich für ihre Klientel ein. Hedge-Fund-Manager sind im Gegensatz zu ihren Kollegen mit den Investmentfonds frei, zusätzliches Kapital zu leihen und in Derivate zu investieren. Sie dürfen Short- Positionen einnehmen, das heisst Aktien leihen und verkaufen und darauf spekulieren, sie später zu einem niedrigeren Preis zurückkaufen zu können.
George Soros oder Carl Icahn sind die Legenden der Branche. Sie hüten ihre Strategie wie Coca-Cola das Geheimrezept für die braune Brause. Mit ihren komplexen mathematischen Modellen durchstreifen sie die Finanzmärkte auf der Jagd nach Traumrenditen. Dass kaum jemand versteht, wie sie ihre Gewinne zustande bringen, trägt zu ihrem Nimbus bei.
Durch Glamour geblendete Anleger und an Selbstüberschätzung leidende Vermögensverwalter - wie brisant der Mix ist, zeigte sich in den letzten Monaten. Das Gründer-Trio der KL Group machte selbst in Palm Beach, Floridas elitärer Rentner-Enklave, Eindruck: Won Sok Lee, Yung Bae Kim und John Kim fuhren Maserati, Porsche und Mercedes, der hauseigenen Masseuse stellten sie einen Jaguar. Doch im Februar waren nicht nur mehr als 200 Mio. $ verschwunden, sondern auch zwei der Gründer. Die Ermittler versuchen noch immer, zu klären, wohin die Millionen versickert sind. Eines fanden sie aber schon heraus: Bei den mondänen Fondsmanagern handelte es sich in Wirklichkeit um College-Absolventen, deren Börsenerfahrung vor allem im Day-Trading über das Internet bestand.
Noch härter traf es die Anleger bei Bayou. Als Anteilseigner - durch unstimmige Informationen über das Abschneiden misstrauisch geworden - ihr Kapital zurückforderten, liefen ihre Anfragen ins Leere. Als die Behörden eingriffen, fanden sie einen Brief auf dem Schreibtisch des Finanzchefs. Darin gestand er jahrelange Bilanzmanipulationen und drohte seinen Selbstmord an. Die Schuldigen sind geständig, doch der grösste Teil der über 300 Mio. $ des Fondskapitals fehlt.
«Hinter den jüngsten Skandalen steckt nicht unbedingt kriminelle Energie», sagt Randy Shain. «Oft haben die Fonds-Gründer einfach nicht die nötige Erfahrung und versuchen dann, ihre Verluste durch immer riskantere Einsätze zurückzugewinnen.» Shains Firma Back Track Report überprüft Lebensläufe von Fondsmanagern. Gewitzt durch schlechte Erfahrungen, greifen vor allem Pensionskassen zu neuen Methoden: Sie lassen künftige Geschäftspartner durch Privatdetektive auf ihre Seriosität überprüfen.
Doch auch die Profis sind nicht sicher. Im jüngsten Fall um den Wood River Fonds zogen die geprellten Investmentbanker von Lehman Brothers sogar vor Gericht. Auch die CSFB hatte gemäss «Business Week» gegen den Initiator John Whittier eine Klage angestrengt, dann aber eine aussergerichtliche Einigung erzielt. Gewisse Beobachter ziehen Parallelen zur Internet-Blase: Hedge-Funds ziehen immer mehr Investoren an und das Geld der Investoren immer mehr Manager. «Meiner Ansicht nach hängt die höhere Zahl solcher Skandale mit dem rasanten Wachstum zusammen, das wir gesehen haben», sagt George Van, Gründer der gleichnamigen Beratungsfirma und ein Veteran der Branche.
Kaum reguliert
In nur zehn Jahren stieg die Zahl der Hedge-Funds von 600 auf 8000, das verwaltete Kapital von 100 Mrd. auf 1000 Mrd. $. Die Performance hat aber an Glanz verloren. Im laufenden Jahr liegt der Tremont-Hedge-Funds-Index der CSFB mit 5,9% im Plus. Zwar gab der S&P-500-Index im gleichen Zeitraum um 1,11% nach. Doch weit entfernt sind die Zeiten, in denen die smarten Fonds mit Zuwächsen von über 20% verblüfften. Kritiker fürchten, dass die Manager nun auf riskantere Strategien setzen, um ihre Bilanz aufzupolieren.
Die US-Börsenaufsicht SEC ist sich der Gefahren rund um Hedge-Funds zwar bewusst. Doch bisher ist die Branche von einer strengeren Regulierung verschont geblieben. Ab Februar müssen sich die Fonds immerhin bei der Behörde anmelden. Dann wissen geprellte Anleger künftig wenigstens, in welcher Villa sie anrufen müssen, wenn sie ihr Geld vermissen.

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