- Nachtigall ik hör dir tapsen - Diogenes, 29.12.2000, 08:37
- Hier die vollständigen Artikel: - Diogenes, 29.12.2000, 08:39
- Re: Nachtigall ik hör dir tapsen - dottore, 29.12.2000, 09:51
Hier die vollständigen Artikel:
Aus: Die Presse, 28.12.2000
Türkei: Von der Finanzkrise zur Rezession? Produktion und Konsum flauen stark ab
Der Alltag in Istanbul ist vom wirtschaftlichen Problemen geprägt.
Von unserem Korrespondenten JAN KEETMAN
ISTANBUL. Ahmets kleiner Getränkeladen an einer beleb-
ten Straße in Istanbul ist so etwas wie ein Treffpunkt für seine Kunden, an dem es der-
zeit gar nicht vergnügt hergeht. Da sitzt die Hausfrau von gegenüber ebenso wie der Be-
sitzer der Ofenfabrik und der Musiker beim staatlichen Rundfunk nach dem Einkauf noch eine Weile, trinkt den schwarzen Samowar-Tee, der vom Teehaus nebenan in kleinen Gläsern mit viel Zucker gebracht wird, verschnauft etwas und tauscht sich mit Ahmet über seine Sorgen und den Gang der Welt und der Geschäfte aus.
Ahmet ist eine gute Adresse, um die Stimmung im Lande zu erfahren und die hat sich offenbar gewandelt. War Ahmet wegen der sinkenden Inflation vor einigen Monaten noch optimistisch, so sagt er nun nur:"Alle sind unzufrieden, niemand hat Geld." Er selbst denkt daran, seinen Laden aufzugeben. Was er dann machen soll, weiß er nicht.
Nicht nur Ahmet und seine Klientel sind pessimistisch, der türkische Unternehmerverband TüSIAD rechnet als Folge der vor einem Monat eingetretenen Liquiditätskrise, die nur mit einer 10,4 Mrd. Dollar (156 Mrd. S, 11,34 Mrd. Euro) Finanzspritze vom Internationalen Währungsfonds (IWF) überwunden werden konnte, mit einem Nullwachstum oder einer Schrumpfung der Wirtschaft für die ersten 6 Monate des neuen Jahres.
Autos auf Halde
Die Automobilproduzenten klagen darüber, daß der Konsum durch die gestiegenen Zinsen wie"abgeschnitten" sei. Da sie zum Jahresende wie üblich einen stärkeren Absatz erwartet hatten und voraus produziert haben, sitzen sie nun auf einer Halde von 100.000 Wagen fest, ungefähr ein Sechstel der türkischen Jahresproduktion. Auch der Ausweg in den Export ist den türkischen Produzenten versperrt. Zwar nahm der Export in den ersten acht Monaten um 8,6 Prozent zu, gleichzeitig stieg aber auch das Handelsbilanzdefizit um 132 Prozent. In den letzten Monaten haben die Exporte dann aufgrund der Stabilitätspolitik weiter Federn lassen müssen.
Getragen wurde der Verkaufsboom durch eine Flut von Konsumentenkrediten, während die Löhne langsamer stiegen als die Inflationsrate und die Gewinne der Unternehmen, die in den Vorjahren häufig durch Zinseinnahmen aufpoliert wurden, ebenfalls zu wünschen übrig ließen. Der Zinsschock in Folge der Liquiditätskrise trifft daher den Konsum besonders empfindlich. Gleichzeitig stecken sowohl private Anleger als auch noch liquide Firmen ihr Geld wieder in kurzfristige aber hoch verzinste Kapitalanlagen. Selbst für Dollar und Mark werden bis zu 21 Prozent Zinsen geboten.
Gleichzeitig ist die Sache mit den Banken auch noch keineswegs ausgestanden. In einem Bericht der Zeitung"Milliyet" vom Montag wird bei den öffentlichen Banken mit einem Schaden durch schlechte Amtsführung von 30 Mrd. Dollar gerechnet. Der Schaden bei den vom Staat übernommenen elf Privatbanken soll
sich nicht wie bisher angenommen auf 6 Mrd. Dollar, sondern auf 12 bis 15 Mrd. Dollar belaufen. Rechnet man das zusammen, so handelt es sich um nahezu ein Viertel des Bruttosozialproduktes des ganzen Landes.
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Portugal: Der Wirtschaftsboom neigt sich dem Ende zu
Die Erfolgsstory Portugals, oft den neuen EU-Aspiranten als Beispiel vorgehalten, wird von ersten Anzeichen einer Krise überschattet.
Von unserem Korrespondenten NIKOLAUS NOWAK
LISSABON. Bestand das Land noch vor zwei Jahren mit Bravour die Aufnahmeprüfung für den Euro und überflügelte bei den Maastrichter Konvergenzkriterien den Nachbarn Spanien, werden nun die Nebenwirkungen des schnellen Aufschwungs sichtbar. Das Wachstumstempo - bislang mit rund vier Prozent über dem EU-Durchschnitt - geht langsam zurück, das Haushaltsdefizit legt wieder zu, der private Konsum zeigt erste Einbrüche.
Eurostat bescheinigt eine Teuerungsrate von 2,9 Prozent bei Industriegütern, OECD und Weltbank dämpfen ihre Erwartungen. Im Januar wird die Regierung die Treibstoffpreise hinaufsetzen müssen, nachdem man im laufenden Jahr trotz Ã-lkrise von einer Teuerung absah und Steuerausfälle hinnahm.
Kein Niedriglohnland
PORTUGALs Politiker sehen den Tatsachen ins Auge: Spätestens nach der EU-Osterweiterung wird PORTUGAL als Niedriglohn-Land nicht mehr konkurrieren können. Daß dann Teile etwa der Textilbranche abwandern, ist nicht auszuschließen. Die sensationell niedrige Arbeitslosigkeit von vier bis fünf Prozent könnte wieder ansteigen. Und der private Konsum ist stark kreditfinanziert - eine Gratwanderung in Zeiten steigender Zinsen.
PORTUGAL braucht Investitionen und eine neue Generation dynamischer Unternehmer. Deshalb hat der Ex-Staatssekretär für den Außenhandel, Antonio Neto da Silva, sein eigenes Beratungs- und Finanzunternehmen gegründet. Auf einer Internet-Seite präsentiert er die zehn gesündesten Unternehmen PORTUGALs und wirbt für Investitionen."Für eine große Image-Kampagne ist es zu früh", sagt er. Die portugiesische Wirtschaft habe bislang weder die Kapazitäten, noch die notwendigen Qualitätsprodukte."Wir müssen von innen heraus beginnen", sagt er und fordert drastische Reformen bei der Ausbildung und Unternehmenspolitik.
"Wir wissen, wie man Erfolgsrezepte kopiert. Wenn wir unsere Organisationsmängel in den Griff bekommen, sind wir ebenso gut wie Unternehmen in Mitteleuropa oder in den USA." Ein Pionier bei der Spitzentechnologie ist der Informatik-Professor Jose Epifano da Franca. Zusammen mit 40 Studenten gründete er vor drei Jahren ein Unternehmen für Chipdesign, das nun einen Jahresumsatz von drei Mill. Dollar und Kunden in Europa, Japan und in den USA hat."Chipidea", so der Name des Unternehmens in einem Technologiepark bei Lissabon, sei einer von drei führenden Anbietern in der Branche, sagt Franca, die Aufträge kämen aus der UMTS-Technologie, Daten-Kommunikation und der Unterhaltungselektronik.
"Die portugiesischen Ingenieure können zur Weltklasse aufschließen. Es gibt keinen Grund, weshalb hier kein europäisches Silicon Valley entstehen sollte". Derzeit hemme jedoch eine falsche Steuerpoli-
tik und der Nachholbedarf
bei der Ausbildung den Nachwuchs portugiesischer Spitzenkräfte.
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